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Superstar vergebens gesucht
Von Peter Bilsing
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Fotos von Matthias Jung Die Holy Bible ist wieder in. La Hola Jesus-Christ-Superstar; landauf landab! Nach Mel Gibsons martialischem Splatter-Film (der kurioser Weise die Ära einer neuen Folterfilmreihe in unseren Kinos gebar), einem gigantischen Katholikentag-Zirkus, dem Da-Vinci-Kappes und Madonnas jüngsten hoch werbewirksamen Kruzifix-Eskapaden passt die Wiedererweckung des Rock-Opus Jesus Christ Superstar in Essen prächtig zum aktuellen Papstbesuch in Deutschland. Wir sind nicht nur Papst, sondern in jedem von uns steckt auch ein kleiner Jesus, wenngleich der Begriff Superstar nach RTL-Umdeutung mittlerweile doch eher das Gegenteil suggeriert. Ein neuer Volksheld namens Jesus wird gefeiert
Doch zeigt gerade die Rock & Pop Musical-Geschichte, dass es echte Superstar tatsächlich einmal gab; auch nach und jenseits der großen Broadway-Ära dieses in den 60er Jahren beinah schon als ausgestorben geltenden Genres. Beginnen wir mit Andrew Lloyd Webber (seit 1992 Sir Andrew!), der bereits im in kindlicher Blüte (mit 9 Jahren) sein erstes größeres Werk, eine Suite für Kindertheater, nicht nur zu Papier, sondern auch erfolgreich zu Gehör brachte. Bereits im Jahre 1967 reüssierte er mit Joseph And The Amazing Technicolor Dreamcoat (Deutsche Version u.a. auch in Essen 1997) den Geniestreich einer neuartigen Form von Rock-Opera. Zusammen mit dem Ex-EMI-Musikagenten Tim Rice (Text) war damit eines der erfolgreichsten Musical-Produzenten-Teams des 20.Jahrhunderts geboren. Und gleich ihrem zweites Stück Jesus Christ Superstar (zwar als Rockoper apostrophiert, aber dennoch dem Genre Musical zuzurechnen) gelang 1971 ein Siegeszug rund um die Welt und machte die beiden nicht nur reich, sondern auch zu echten Superstars. Nicht unwesentlichen Anteil daran hatte aber auch eine clevere Vermarktungsstrategie: Schon 1970 war der Grundstein gelegt worden, und zwar als Millionenseller der Plattenfirma MCA-Records - eines der erfolgreichsten Alben der Schallplattengeschichte. Die Besetzung dieses Doppelalbums mit echten Superstars ihrer Zeit (u.a. Deep-Purple-Sänger Ian Gilian als Jesus, Murray Head als Judas und Yvonne Eliman als Maria) schlug ein wie eine Bombe und ereichte Beatles-Verkaufszahlen. Selbst die völlig missglückte Kinoverfilmung von Norman Jewison (1973) war noch ein Millionenerfolg in der Kinoszene. Jesus (Henrik Wagner) im Devotionalien-Supermarkt
Mit Evita (1978), Cats (1981), Starlight Express (1984) bzw. dem Phantom der Oper (1986) und unzähligen weiteren Produktionen mehrte das erfolgreiche Duo zwar seinen Ruhm und Reichtum (und zählte bald neben ABBA zu den erfolgreichsten Musikproduzenten aller Zeiten), aber die musikalische Qualität und Originalität sank leider dem Zeitgeist entsprechend beständig. Produktionen der letzten Jahre (man ging künstlerisch dann getrennte Wege) erschöpften sich in Schmarrn wie z. B. Aida, 1998 (Tim Rice) oder Edelkitsch wie The woman in white, 2004 (A. L. Webber).
Was macht nun die Einzigartigkeit von Jesus Christ Superstar aus?
Leider findet man von diesem Groove in der Essener Aalto-Produktion, zumindest auf der musikalischen Seite, recht wenig vor. Schuld daran trägt weniger die musikalische Leitung von Heribert Feckler, einem in diesem Genre ausgewiesene und erfahrenem Dirigenten und Einrichter, als vielmehr die akustische Umsetzung über die (lt. Programmheft) eigens installierte Tonanlage. Der ebenda weiter beschworene Breitwandsound (welch unsinniges und unpassendes Wort!) bietet auch nicht ansatzweise das erforderliche durchsichtige und druckvolle Klangbild, geschweige denn haben die großorchestralen Passagen die nötige Wucht und Größe. Gleiches gilt für die mikroportverstärkte Sänger- und Choristen-Schar. Durch die ungenügende bzw. schlecht abgestimmte Räumlichkeit und Differenzierung der Mischpultarbeit ist häufig der Sänger kaum zu orten, tönt alles doch aus allen Lautsprechern gleichstark (dies gilt zumindest für den äußeren linken Teil des Aalto-Theaters, wo der Rezensent saß). So etwas schmälert den echten Musikgenuss doch sehr und erlaubt kaum (oder nur sehr eingeschränkt) eine differenzierte und ehrliche Würdigung der Solistenleistung, die m. E. so kaum über ein brav gesungen herausgeht, wobei ich als Ausnahme Rüdiger Frank (Herodes) und Erin Caves (Pilatus) doch für ihre prononcierte und akzentuierte Sängerdarstellung loben muss. Sie bieten genau die musikalische Rolleninterpretation, die sich ein Fan dieser Rockoper eigentlich von jedem Solisten erwartet hätte. Trostloses Finale in Oberammergau: Herr Judas (Serkan Kaya) liest Herrn Jesus (Henrik Wagner) aus der Bibel vor.
Regisseur Michael Schulz leistet viel, aber nicht unbedingt Beeindruckendes. Und so suggeriert der unentwegte Einsatz der Bühnentechnik und waberlohender Bodennebel auch nicht mehr als ein buntes Kaleidoskop beliebiger und austauschbarer Allerweltsbilder; beständig und für meinen Geschmack allzu plakativ durchsetzt mit ikonographischen Elementen. Immerhin folgt das Bühnengeschehen aber durchweg adäquat dem Atem und Rhythmus des Stücks und am Ende, nach dem peinlichen Besteigen eines riesigen Kreuzes durch einen Oberammergau-Jesus, zeigen sich sogar Ansätze eines gelungenen Regiebogens, wenn dieselben Menschen, die zur (eigentlich überflüssig!) bebilderten Ouvertüre bereits auftraten, wieder mal ratlos zurückbleiben. Oder war es nur ein unterhaltsames Märchen, was uns die beiden neuen Freunde und Allerweltmenschen Jesus & Judas (die mittlerweile Bibelsprüche zitierend und beinebaumelnd am Orchestergraben sitzen) da erzählt haben?
Im Unsisono der mittelmäßig bis hochlangweiligen und substanz- bis einfallslosen Musicalproduktionen unserer Tage immerhin ein Lichtblick. Wenn es noch gelingt, die technischen Mängel des Sounds und der Präsentation dem technischen Stand der Dinge heutiger Machbarkeit anzupassen, sogar noch empfehlenswert. So verkauft man dieses wunderbare und eigentlich musikalisch einmalige Opus ganz erheblich unter seinem tatsächlichen Wert. Daher vergibt der Kritiker nur drei Sterne von fünf möglichen. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Choreographie
Choreinstudierung
Solisten* Besetzung der PremiereJudas Serkan Kaya
Jesus
Simon
Petrus
Maria Magdalena
Kaiphas
Hannas
Luis Lay
Pontius Pilatus
Rainer Maria Röhr
Herodes
u.v.a.
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