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Zuviel Respekt vor der Tradition?
Von Thomas Tillmann / Fotos von Eduard Straub Mit Tiergeräuschen vom Band (im weiteren Verlauf konzentriert es sich natürlich besonders auf das unerlässliche Quieken und Grunzen der Schweine) und Nebel, der uns daran erinnern soll, dass die Handlung des Zigeunerbaron in der feuchten, aber schönen Sumpflandschaft der Banat-Zigeuner spielt, empfängt Chris Alexander das Publikum bei dieser Neuproduktion, für die Marina Hellmann eine altmodische, sich am Anfang im Walzertakt bewegende Dekoration mit einer Schlossruine, mit ein paar Plastikschweinen und Schiffen auf Rollen und allerlei Requisiten mehr kreiert und zu der Marie Theres Cramer nicht weiter erwähnenswerte Kostüme beigesteuert hat. In diesem Ambiente wird die altbekannte Geschichte, die durchaus beachtenswerte tiefere Schichten hat, wie Moritz Csáky in dem im Programmheft abgedruckten Beitrag nachweist, mit viel Respekt vor der Tradition und dem Genre erzählt. Einfälle wie die improvisierte Geschichtsstunde über die Schlacht von Belgrad, der Schleierpavillon, in dem Arsena auftritt, die Hommage an die dem Regisseur nahestehende Welt des Comicstrip bleiben die Ausnahme und zu hausbacken und gesucht, um dem Bühnengeschehen grundsätzlich Witz und Tempo zu verleihen, Anflüge von Ironie - wie etwa das Seufzen der Darsteller nach einer romantischen Nummer - verpuffen schnell und lassen das Konventionell-Betuliche dieses Abends nur noch deutlicher hervortreten, das sich in den Dialogen fortsetzt, die die altbekannten Pointen bieten, die aber immerhin nicht zu lang sind. Ein bisschen mehr sozial- und gesellschaftskritische Töne hätten es vielleicht doch sein dürfen, Alexander weist ja selbst auf die Konflikte im ethnisch-kulturellen Schmelztiegel Österreich-Ungarns hin, auf die Sicht auf die Volksgruppe der Zigeuner und das Kriegsgebaren der Bevölkerung, aber all dies hätte man intelligenter und pointierter anreißen können, ohne Gefahr zu laufen, "die Leichtigkeit, den Humor und die Emotionalität der Operette zu verstellen". Kálman Zsupán (Thorsten Grümbel) bekennt seinen Nachbarinnen und Nachbarn (Ensemble der Deutschen Oper am Rhein), dass Borstenvieh und Schweinespeck sein Metier sind.Überzeugender fand ich die musikalische Seite des Abends, denn Stefan Klingele, Chefdirigent des Bremer Theaters, entlockte den Duisburger Philharmonikern einen warmen, farbigen, satten, aber nie fetten oder gar das Bühnenpersonal in Schwierigkeiten bringenden, süffigen, aber nicht anbiedernden Klang und verstand es, viele Details der schönen Partitur hervorzuheben, die Kontraste in den Tempi auszukosten, ohne einerseits zu schleppen oder andererseits zu hetzen, und überdies einen guten Kontakt zu Bühne zu halten und stets die Übersicht zu bewahren. Mit der Hilfe von Saffi (Morenike Fadayomi, Mitte) und Czipra (Csilla Zentai, rechts) hat Barinkay (Wolfgang Schmidt) den Schatz seiner Väter in der Schlossruine finden können. Klangbeispiel: "Wer uns getraut?" (Auszug) - Wolfgang Schmidt (Barinkay), Morenike Fadayomi (Saffi) und Chor(MP3-Datei)
Morenike Fadayomi ist mit der Saffi in ihr eigentliches Fach zurückgekehrt, auch wenn sie in der tiefen Lage hörbar arbeiten muss und man über ein riesiges Vibrato hinwegzuhören hat. Ihr kehlig-rauchiger, eigenwilliger Sopran bleibt sicher Geschmackssache, aber so viele sichere, durchdringende Spitzentöne muss man erst einmal singen, und eine attraktive Darstellerin ist sie ohnehin. Conte Carnero (Bruno Balmelli, rechts) will Barinkay (Wolfgang Schmidt, links) klar machen, dass seine Beziehung zu Saffi illegitim und ein Skandal ist.Wolfgang Schmidt als Sándor Barinkay zu besetzen, ist nur auf den ersten Blick verwunderlich - meines Wissens hat der Tenor vor seiner großen Karriere im Heldenfach durchaus erfolgreich Operette gemacht. Natürlich hört man seiner Stimme inzwischen die vielen Abende als Tristan oder Siegfried an, es dauert mitunter quälend lange, bis sie sich auf dem angestrebten Ton eingeschwungen hat, aber in der Mittellage und im mezzo voce gibt es durchaus überzeugende Momente, und man freut sich auch über seine gute Diktion (trotz der Übertitel, die jetzt offenbar auch in Operetten nötig sind und vom gesungenen Text nicht selten abweichen). Mit großer Würde und ebensolchem Vergnügen kehrte Csilla Zentai auf die Rheinopernbühne zurück, und obwohl die Stimme doch inzwischen etwas blaß und verschleiert klingt und obwohl die Partie der Czipra der Sopranistin offenbar zu tief liegt, hörte man doch einige bemerkenswerte Töne und ein tadelloses Legato, das an die großen Leistungen der Ungarin an diesem Haus denken ließ. Eine ziemlich durchschnittliche Soubrettenstimme hat Netta Or für die Arsena, aber sie entfaltet in den Ensembleszenen doch einige Präsenz und weiß auch ihr Couplet im dritten Akt überzeugend zu präsentieren. Klangbeispiel: "Ja, das Schreiben und das Lesen" (1. Akt) - Thorsten Grümbel (Kálman Zsupán)(MP3-Datei)
Thorsten Grümbel verschenkt dagegen viele Möglichkeiten, die die Rolle des Schweinezüchters Zsupan bietet - vielleicht ist der Interpret einfach noch zu jung für eine solche Partie, da helfen die Bemühungen der Kostüm- und Maskenabteilung nur bedingt, da braucht man Erfahrung und Charakter, aber auch einen Regisseur, der mehr als flache, eindimensionale Charaktere auf die Bühne zu bringen versteht. Stefan Heidemann war ein stattlicher Graf Peter Homonay und müsste beim Singen nicht so brüllen, Bruno Balmelli bewältigte die Dialoge zwar ordentlich, war aber nicht der beste Conte Carnero, an den ich mich erinnern kann, ebenso wie ich Monique Simon witziger erlebt habe als hier im Kostüm der Mirabella (sie ist ja nun auch wirklich noch keine komische Alte!). Angesichts der ansprechenden Leistung von Martin Koch hätte man sich die Rolle des Ottokar größer gewünscht. Präzises Singen gelang den Damen und Herren des Chores so lange, wie szenische Aufgaben nicht überhand nahmen, was etwa beim Schmiedechor der Fall war. Einzelne Buhrufe mussten sich die Tänzerinnen und Tänzer gefallen lassen, die eine nur selten ambitioniert und inspiriert wirkende Choreografie von Jacqueline Davenport umzusetzen hatten. Oder war das die Reaktion auf die dezent kritischen Antikriegstöne, die in der Balletteinlage vor dem dritten Akt angeschlagen wurden? Wer könnte aber dieser Zigeunerin (Morenike Fadayomi als Saffi) widerstehen, zumal sich herausstellt, dass sie adeliges Blut in ihren Adern hat, was die Heirat mit Barinkay freilich auch nicht leichter macht.
Für diese Operettenneuproduktion gilt exakt das, was ich über den Maskenball geschrieben habe: eine weitere "wenig aufregende, harmlose Inszenierung, die damit gut ins Repertoire der Rheinoper passt und auch in zehn Jahren noch problemlos mit Gästen besetzt werden kann", die durchaus ein bisschen mehr Pepp und Biss vertragen hätte und deutlich zu lang ist, die aber zweifellos wegen der Popularität des Stücks ihre Zuschauer finden wird und auch am Premierenabend brav beklatscht wurde. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Choreographie
Chor
Dramaturgie
Spielleitung
SolistenSándor BarinkayWolfgang Schmidt
Saffi
Czipra
Kálman Zsupán
Arsena
Graf Peter Homonay
Conte Carnero
Mirabella
Ottokar
Pali
Brautjungfern
Tänzer
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