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Götterdämmerung

Dritter Tag des Bühnenfestspiel Der Ring des Nibelungen
Text und Musik von Richard Wagner

Premiere am 15. April 2007 im Theater Dortmund

Aufführungsdauer: ca. 5h 30' (zwei Pausen)


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Theater Dortmund
(Homepage)
Der FC Hagen 07 spielt ziemlich schlecht Fußball

Von Stefan Schmöe / Fotos von Thomas M. Jauk / Stage Picture Gmbh

Während sich in Dortmund der Vorhang über die Götterdämmerung erhebt, bangt man ein paar Kilometer weiter um den BVB Borussia, den in Abstiegsnöten befindlichen einstigen Vorzeigefußballklub der Revierstadt. Umsonst; es setzt eine Heimniederlage. Drinnen, im Opernhaus, wird auch Fußball gespielt: Eine Horde junger Männer, total SS-mäßig in schwarze Hemden und Lederstiefel eingekleidet, kicken ein Plastikbällchen derartig trostlos, dass es einem um die Dortmunder Fußballkultur Angst und Bange werden kann. Um die Opernkultur allerdings auch, denn die Herren komplettieren die „Mannen“ des Herrn Hagen: Ein FC Hagen 07 also, dessen schick gekleideter Boss seine Intrigen im Stil eines vornehmen Geschäftsmannes abwickelt. Wozu er aber einen Fußballclub braucht, bleibt offen – zwar leistet sich inzwischen der eine oder andere russische Ölmagnat ein derartiges Hobby (beim ungeliebten Fußballnachbarn Schalke 04 ist Gasprom als Sponsor eingestiegen!), aber auf der Dortmunder Opernbühne sieht es bestenfalls nach (unfreiwilligem) Kabarett aus.

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Siegfried (Jürgen Müller) verabschiedet sich von Brünnhilde (Jayne Casselman)

Christine Mielitz hat als Intendantin und Regisseurin im kleinen Meinigen vor einigen Jahren Wagners Ring gestemmt – eine musikalische wie logistische Großtat, über deren szenische Schwächen die Presse weitgehend gnädig hinweg sah. Vieles hat die Regisseurin in ihre Dortmunder Inszenierung übernommen, ohne dass sich daraus ein wirklich schlüssiger Zusammenhang ergäbe. Ließen vom Rheingold bis zum Siegfried drei Abende hoffen, das überschwer symbolgeladene Konzept würde vom Ende der Tetralogie her schlüssig, so wird man enttäuscht: Im Halbdunkel der Götterdämmerung scheint das Brimborium der vorangegangenen Teile lediglich noch einmal komprimiert zu sein. Die Rheintöchter in Schwarz-Rot-Gold, nie benötigte Rampen auf der Bühne, die halb schwarzen, halb weißen Anzüge geben ihren tieferen Sinn nicht preis. Wir schauen durch einen Vorhang, auf dem eine vermutlich Großstadtlandschaft zu sehen ist, auf die Bühne – sozusagen der Blick auf und durch die Globalisierungsmoderne in die Tiefen des Mythos. Das ist zu sehr Gemeinplatz, um tragfähig zu sein, und auch hier entgleitet das Konzept an den Rand der Lächerlichkeit, denn den Vorhang gibt es gleich mehrfach, und mit schöner Regelmäßigkeit darf einer davon bedeutungsschwer vom Bühnenhimmel herab gleiten – Pathos im 10-Minuten-Takt.

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Gewissensbisse im Selbstgespräch? Waltraute (Ji Young Michel) erscheint als Double Brünnhildes (Jayne Casselman)

Weder erzählt die Regie nachvollziehbar eine Geschichte, noch findet sie die Ruhe, abstrakte Bilder wirken zu lassen (wobei die Ausstattung von Stefan Mayer aber auch kaum Suggestionskraft entwickelt). Geradezu hektischer Aktionismus spricht aus unzähligen (überflüssigen) Auf- und Abtritten von Chor und fußballverrückter Statisterie. Sänger im Publikum und auf den Proszeniumslogen erweitern den Spielraum, aber wozu? Hinzu kommen szenische Missgriffe wie ein Schrank, der urplötzlich auf dem Brünnhilden-Felsen steht und aus dem Siegfried in Gestalt Gunthers erscheint, die Türe eintretend im Stile eines rüpelhaften Besatzungssoldaten – fortan steht das Ding herum wie ein Dixi-Klo oder, dramatisch ausgeleuchtet, die Lichtschranke zur Leibesvisitation an Flughäfen. Nur in wenigen Szenen gewinnt die Regie an Konturen – in der Gibichungenszene des ersten Akts mit detailgenauer Personenregie oder zu Beginn des dritten Aufzugs, wenn die Rheintöchter sich als Schlagersängerinnen auf einem Bankett verdingen. Den überwiegenden Leerlauf können diese Momente aber nicht kompensieren.


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Alles Böse kommt aus dem Toilettenhäuschen? Im Stile eines vandalierenden Soldats erobert Siegfried (Jürgen Müller) in Gestalt Gunthers die zeternde Brünnhilde (Jayne Casselman)

Als tiefere Botschaft indes bleibt: Um dich, liebes Publikum, geht es (hätten wir je etwas anderes angenommen?). Richard Wagner wusste, warum er den ursprünglichen Textentwurf des Schlussgesangs kürzte und die direkte Ansprache an das Publikum strich („… weil ihr Sinn in der Wirkung des musikalisch ertönenden Dramas bereits mit höchster Bestimmtheit ausgesprochen wird…“). Christine Mielitz weiß es besser: Sie lässt die Musik unterbrechen und die Zeilen (unvollständig) von Brünnhilde sprechen. Auch hält sie dem Publikum mittels viel Plexiglas ganz konkret den Spiegel vor. Viel Brecht also im Wagner. Wir sollen also besser mit der Welt umgehen als die theaterleblosen Gestalten auf der Bühne es vier Abende lang getan haben – das dürfte kein Problem sein, unkonkret, wie es da zuging. Selten dürfte ein Weltuntergang daher mit so viel emotionslosem Schulterzucken quittiert worden sein wie hier.

Vergrößerung in neuem Fenster Weltenbrand: Brünnhilde (Jayne Casselman) mit Fackel

Besser, wenn auch keineswegs restlos überzeugend, steht es um die musikalische Seite. Mit hohem Einsatz singt Jayne Casselman die Brünnhilde, ihre Stimme indes dürfte das Publikum polarisieren. Die tiefe Lage ist blass und farblos; die Spitzentöne sprechen absolut sicher an und sind von durchschlagender dramatischer Intensität, dabei aber stark abhängig von der Vokalfärbung und deshalb sehr uneinheitlich; teils warm und kontrolliert, dann wieder hysterisch und schrill und mit ausuferndem Vibrato. Dagegen ist der für einen Wagnerhelden vergleichsweise leichte Tenor von Jürgen Müller sauber und kultiviert. Müller singt die musikalischen Bögen sorgsam aus, ist im Verlauf des zweiten und des dritten Akts aber mit seinen Kräften hörbar am Ende – wohl auch, weil er zu oft gegen das laute Orchester ankämpfen muss.

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Angesichts der übermächtigen Feuersbrunst wehr- und machtlos: Hagen (Vidar Gunnarsson)

Die schlanken Stimmen von Vidar Gunnarsson als Hagen und Simon Neal als Gunther passen zum geschäftsmäßigen Auftreten der beiden Herren, zumal beide ihre Partien differenziert gestalten; für den Hagen wäre indes eine schwärzere Stimme und mehr urwüchsige Kraft angebracht – das Weltende wird hier musikalisch vergleichsweise geschäftsmäßig abgewickelt, ohne dass besondere Machtgier oder eine vergleichare Antriebskraft sicht- oder hörbar wäre. Johanna Kibala bleibt als nervös trippelnde Gutrune musikalisch unscheinbar, Bart Driessen als solider Alberich ebenfalls unauffällig. Ji Young Michel singt die Waltraute mit flackerndem, unausgeglichenem Mezzosopran und fällt als 1. Norn hinter ihre Koleginnen, die exzellente Maria Hilmes und die gute Heike Susanne Daum zurück. Ausgezeichnet – auch im Hinblick auf die Textverständlichkeit – singt das sehr homogene Rheintöchter-Terzett (Julia Novikova, Maria Hilmes, Franziska Rabl).

Vergrößerung in neuem Fenster Der Vorhang zu und alle Fragen offen? Chor und Statisterie, unscharf

Arthur Fagen peitscht die Dortmunder Philharmoniker vor allem im ersten Aufzug mächtig voran; allerdings geraten viele Passagen recht pauschal laut – Abstufungen im Forte gibt es kaum, Höhe- oder Zielpunkte der Musik sind kaum auszumachen. Zwar tritt die Musik deutlich weniger auf der Stelle als noch in der Walküre, und manches Piano gelingt dem Orchester durchaus schön und eindrucksvoll. Dagegen stehen allerlei Ungenauigkeiten, mit dem ersten, nicht exakt synchronen Akkord angefangen. Auch der Chor singt zwar laut (dabei einigermaßen kultiviert), aber die Musik bleibt hölzern, unbeweglich. Brünnhildes Schlussmonolog verliert nicht nur wegen der überflüssigen Unterbrechung, siehe oben, die Spannung; und wenn endlich, endlich, das Erlösungsmotiv ertönt, dürfte das nach mehr als „gleich ist Feierabend“ klingen.

Der Ring des Nibelungen ist für jedes Theater eine Herausforderung, und jenseits der Metropolen ist der Kraftakt noch um einiges größer; aber in Dortmund ist vieles verschenkt. Eine Inszenierung mit hübschen Bildern für die Jahrbücher, aber vorbei am Publikum kam am Premierenabend wohl deshalb mit vergleichsweise matten Buh-Rufen davon, weil sie keine Kraft zur Provokation findet und vor allem ermüdet. Musikalisch hat dieser Ring das Haus nicht erkennbar voran gebracht, auch wenn es einige bemerkenswerte Sängerleistungen gab. Das Theaterwunder von Meinigen lässt sich auf Dortmund nicht übertragen, und was zur Krönung der Intendanz Mielitz gedacht war, entpuppt sich als arge Enttäuschung. Da ergeht es dem Theater, womit wir wieder beim Fußball wären, ähnlich wie dem BVB Borussia: Die hohen Ansprüche werden hier nicht eingelöst.

FAZIT

Der Ring fügt sich nicht zu einem schlüssigen Ganzen - zwischen symbolträchtigen Versatzstücken versandet die ermüdende Inszenierung, und musikalisch mittelprächtig kann das nicht aufgefangen werden.


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Produktionsteam


Musikalische Leitung
Arthur Fagen

Inszenierung
Christine Mielitz

Bühne und Kostüme
Stefan Mayer

Dramaturgie
Christian Baier


Statisterie des Theater Dortmund

Chor und Extrachor des
Theater Dortmund

Philharmonisches Orchester
Dortmund


Solisten



Siegfried
Jürgen Müller

Gunther
Simon Neal

Hagen
Vidar Gunnarsson

Alberich
Bart Driessen

Brünnhilde
Jayne Casselman

Gutrune
Johanna Kibala

Waltraute
Ji-Young Michel

Erste Norn
Ji-Young Michel

Zweite Norn
Maria Hilmes

Dritte Norn
Heike Susanne Daum

Woglinde
Julia Novikova

Wellgunde
Maria Hilmes

Floßhilde
Franziska Rabl


zu unserer Rezension von
Das Rheingold
Die Walküre
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