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Musiktheater
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Tristan und Isolde

Handlung in drei Akten
Text und Musik von Richard Wagner



Aufführungsdauer: ca. 4h 35' (zwei Pausen)

Premiere der Konzertanten Aufführung in der Düsseldorfer Tonhalle am 5. Mai 2007

Besuchte Aufführung: 17. Mai 2007


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Deutsche Oper am Rhein
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Große Momente und große Not

Von Thomas Tillmann

Auch eine interessante Besetzung scheint die Wagnerfans nicht mehr in großen Scharen in die Opern- und Konzerthäuser zu locken: Ganze Reihen blieben leer bei dieser zweiten konzertanten Aufführung von Tristan und Isolde, für die man mit Jane Eaglen doch einen wirklichen Star verpflichtet hat. Die Engländerin war erwartungsgemäß eine in erster Linie bombensichere, kraftvoll-majestätische Isolde, die vor allem durch ihr Durchhaltevermögen und die erzielte Phonstärke in den großen Ausbrüchen und mit fanfarenartigen Spitzentönen punktete - eine differenziertere, über pauschale Effekte hinausgehende Interpretation, eine wirkliche Durchdringung des Gesungenen, eine echte Auseinandersetzung mit dem deutschen Text erwartete man vergeblich (einige etwas verinnerlichte Momente gab es freilich hin und wieder im Duett mit Tristan im ersten Aufzug, besonders aber während des Liebesduettes, aber sie bleiben so stark im Gedächtnis, weil der größte Teil des Abends so allgemein geriet) und ärgerte sich über echte Textfehler und Nachlässigkeiten, obwohl die Engländerin ihren Klavierauszug kaum aus den Augen ließ. Irgendwie ist all dies natürlich symptomatisch für die schnellen Karrieren dieser Tage, in denen keine Zeit bleibt, lange, komplexe Partien wirklich in aller Ruhe und mit kompetenten Begleitern einzustudieren und nach und nach immer tiefer in Musik und Worte einzudringen (wobei Jane Eaglens Terminkalender gar nicht mehr so gut gefüllt ist wie noch vor einigen Jahren). Die Stimme selbst klingt für mein Empfinden an manchen Stellen zu hart, zu eckig, besitzt zu wenig Geschmeidigkeit und Wärme, um mich zu berühren, sie verliert auch an Volumen und Farbe, wenn die Sopranistin einmal nicht forte singt, worauf sie etwa im Liebestod häufig verzichtete und damit dann großen Eindruck machte. Mich persönlich störten allerdings von Zeit zu Zeit die leichten Nebengeräusche vor allem im Piano, besonders aber der leichte Schleier, der sich nach der langen Pause auf die Stimme gelegt hatte, und auch das Vibrato ist gerade bei dieser Lautstärke kein unerhebliches.

Anstelle von Alfons Eberz, der sehr kurzfristig die Premiere nicht hatte singen können und am 5. Mai von Thomas Moser trotz arger Probleme im dritten Akt dem Vernehmen nach adäquat ersetzt wurde, hatte man für den Himmelfahrtstag Leonid Zakhozhaev engagiert. Der in Krasnodar im Süden Russlands geborene Tenor war in den achtziger Jahren ein erfolgreicher Rock- und Popsänger der russischen Untergrundszene und hat Partien wie den Herzog im Rigoletto sowie Mozarts Tamino und Offenbachs Hoffmann im Repertoire, das insgesamt jedoch von dramatischen russischen Tenorrollen und solchen von Wagner dominiert wird. Inzwischen ist er allerdings nicht nur an den großen russischen Opernhäusern aufgetreten (häufig mit Valeri Gergiev am Pult, mit dem er den jungen Siegfried auch in Baden-Baden gemacht hat und mit dem er die beiden letzten Abende des Ring im Sommer auch im Rahmen eines Gastspiels an der New Yorker Met zur Aufführung bringen wird), sondern auch in Covent Garden, an der Deutschen Oper in Berlin, am Teatro Real in Madrid, im Chatelet in Paris und bei den Salzburger Festspielen. Tristan hat er nicht nur am Moskauer Bolschoi gesungen, sondern von Februar bis April auch in einer Produktion am Staatstheater Kassel sowie im letzten Jahr konzertant in Barcelona. Beim ersten Auftritt klang die Stimme wie noch nicht richtig eingesungen, hinterließ aber in der Mittellage und in zarteren Momenten nicht nur auf Grund des dunklen Fundaments keinen schlechten Eindruck, während die Höhe deutlich schwächer ausgebildet ist und heller und metallischer klingt als der Rest der Stimme. Schon nach kurzer Zeit hörte man indes vor allem im Passaggio brüchige und rauhe Töne, die im zweiten Akt dann die Regel werden sollten, der auf Grund der Unsicherheit des Tenors für die Mitwirkenden und das mit dem Werk vertraute Publikum zur Zitterpartie wurde, denn Zakhozhaev musste von John Fiore häufig von falschen Einsätzen abgehalten respektive zu richtigen geradezu aufgefordert werden, was nicht nur künstlerische Unseriösität und mangelnde Vorbereitung verrät (und der Russe war kein Last-Minute-Einspringer), sondern auch ein Zeichen von Unkollegialität (man bewunderte die Nervenstärke von Sopranistin und musikalischem Leiter) und mangelndem Respekt vor dem Werk ist und die Frage aufkommen ließ, wie gut die grundsätzliche musikalische Ausbildung des Tenors ist. Die Töne selber wurden zunehmend flacher, Versuche, zarter zu singen oder gar eine Phrase mit einem morendo zu beenden, scheiterten kläglich. Deutlich besser schlug der Sänger sich im dritten Akt, da gab es durchaus auch überzeugende Momente, in denen der Künstler die Tonbildung in den Griff bekam und gar zu einer echten Interpretation ansetzte. Bei zurückgenommenem Orchester und in der Mittellage hörte man etwas von der Faszination der Stimme, aber im Forte klang sie bald grell, bald grobkörnig, gepresst oder ging völlig unter. Den ganzen Abend über auffällig war die Nervosität des Künstlers, der einerseits den Ehrgeiz hatte, bestimmte Passagen auswendig zu singen und durch darstellerischen Einsatz zu untermalen (was ich bei konzertanten Aufführungen ausgesprochen überflüssig finde), andererseits hektisch in seinem zerlesenen Klavierauszug blätterte und offenbar seine Einsätze nicht fand. Weniger Probleme hatte ich mit Zakhozhaevs Deutsch: Die meisten Wörter waren ziemlich gut zu verstehen, und den russischen Akzent hätte ich gut überhören können, wenn seine Gesamtleistung gestimmt hätte (wobei die Rheinoper angesichts der vielen Nicht-Muttersprachler auf dem Podium im dünnen Programmheft ja auch das Libretto hätte abdrucken können). Und auch wenn ich das Aufstöhnen mancher Leserinnen und Leser ahne: Angesichts einer solchen Karriere kann man auch angemessene Kleidung auf dem Podium erwarten, der oberste Knopf des Hemdes sollte nicht für die Zuschauer sichtbar geöffnet sein, die Fliege sollte auch zum Schlussvorhang an der vorgesehenen Stelle zu finden sein und nicht in der Garderobe oder im Koffer liegen, man sollte stehen und nicht sitzen beim Singen (zumal wenn man derart mit technischen Problemen kämpft). Man trinkt auch nicht während der Vorstellung auf dem Podium aus kleinen mitgebrachten Wasserflaschen (auch Frau Eaglen hätte sich ein Glas erbitten können, wenn's nun gar nicht ohne Befeuchtung geht), schon gar nicht kurz vor der im Stück vorgesehenen Einnahme des Liebestrankes, und ich bin auch der Meinung, dass man einen Aufzug lang auf dem Podium verharren und wenigstens so tun kann, als würde man nicht nur "abliefern", sondern sich ganz in den Dienst des Werkes und der Aufführung stellen. Man kann zu Buhs stehen wie man will, aber angesichts dieser Leistung hätte ich sie nachvollziehen können.

Über viel Applaus konnte sich zurecht Renée Morloc freuen, die mit ihrem herb-metallischen, charaktervoll-reifen Mezzosopran eine bemerkenswerte Brangäne sang, auch wenn man die Angst vor den hohen Tönen mitunter zu spüren meinte, die aber an diesem Abend wirklich unbegründet war, auch wenn man natürlich merkte, dass sie hier nicht unbegrenzt Reserven hat. Die große Ernsthaftigkeit ihres Singens und das Reagieren auf die Impulse anderer Mitwirkender, das berührende Sicheindenken in die besorgte, verzweifelte Dienerin mit der großen Verantwortung, das Bemühen um textliche Nuancen indes verdienen uneingeschränktes Lob.

Tomasz Konieczny schmetterte mit seinem frischen, wohlklingenden, immens höhenstarken Bariton einen ungewöhnlich jugendlichen Kurwenal und entwickelte damit natürlich auch eine ganz andere Sicht auf die Figur als manch gestandener Heldenbariton mit aufgerauhtem, schütterem Material und dröhnendem Sprechgesang im Karriereherbst; an seinem Deutsch sollte der junge Sänger aber in jedem Fall weiter arbeiten. Ich bin kein großer Freund von standing ovations, zu denen das Publikum sich mitunter allzu inflationär hinreißen lässt, aber für Hans-Peter König bin ich als einer der ersten aufgestanden, denn der Künstler führte als Marke eben nicht nur seine mächtige, satte, imposant-prachtvolle Bassstimme mit größter Mühelosigkeit bis hin in die Extreme vor und nutzte dabei eine dynamische Bandbreite vom Pianissimo bis zum echten Fortissimo, sondern gab geradezu eine Lehrstunde in Textverständlichkeit und -durchdringung, im Aufspüren von kleinsten Nuancen und Farben und in der vielschichtigen, spannenden Zeichnung eines Charakters und trieb mir damit die Tränen in die Augen - allein das Miterleben seines Monologs hätte den Besuch dieser Aufführung gelohnt. Und auch die kleineren Partien waren ansprechend besetzt: Mirko Roschkowski sang mit angenehm timbrierten, vollen, ebenmäßigen lyrischen Tenor einen wirklich jungen Seemann, Alexandru Ionitza wandte sich mit der ihm eigenen Erntshaftigkeit dem Hirten zu, Markus Müllers Tenor war zwar auch ein wenig die langen Karrierejahre anzuhören, aber was immer gut an dieser Stimme war, ist es eben auch heute noch. Daniel Djambazian bewährte sich in den kurzen Phrasen des Steuermanns.

John Fiores Tristan - sein zweiter übrigens, am 5. Mai hat er das Werk zum ersten Mal selber dirigiert - war in erster Linie ungemein farbig, rauschhaft, sehr romantisch und sinnlich, da wurde wirklich musiziert und nicht krampfhaft-kopflastig analysiert, seziert, doziert wie andernorts, wenn dem dummen Zuhörer kleinlich einzelne Motive vorgeführt werden sollen, wenn Wagners Einfluss auf die Musik des 20. Jahrhunderts nachgewiesen werden soll und vieles mehr, was sicher bedenkenswert ist, aber das Herz nicht wärmt. Der Amerikaner, der zur Zeit auch an der Deutschen Oper Berlin, an der Bayerischen Staatsoper München und in Prag ein gern und häufig gesehenener Gast ist, bewies großes Gefühl für Timing und für Spannungsbögen, die über die nächsten Partiturseiten hinaus reichen, er ließ der Musik die Zeit, die sie braucht, um sich entwickeln zu können, er hatte keine Angst vor Pausen und Fermaten, er entwickelte trotz der erwähnten schwierigen Bedingungen, die ihn viel Aufmerksamkeit kosteten, eine enorme Gestaltungskraft und war nicht zuletzt den Sängern ein sensibler, aufmerksamer Begleiter. In Erinnerung bleiben zudem die satten tiefen Streicher im Vorspiel, das vor allem im ersten Teil sehr saubere, klangschöne Blech, der mitreißend emphatische Schluss des ersten Aufzugs oder der Moment, nachdem Kurwenal Isoldes Schiff endlich gesehen hat, die intensive Sinnlichkeit, die Fiore zu Beginn des zweiten Aktes im Verbund mit den seidig schimmernden Streichern entfachte, die Duftigkeit und herrliche Ruhe in den entsprechenden Momenten, die auch über einzelne Pannen im zweiten und dritten Teil wohlwollend hinweghören ließen.


FAZIT

Angesichts des Umstandes, dass es sich um zwei mehr oder minder übers Knie gebrochene Aufführungen eines ausgesprochen anspruchsvollen Werkes handelte, für das garantiert nicht ausreichend geprobt werden konnte, war das erreichte Niveau vor allem dank der großen Gestaltungskraft John Fiores und der Leistung der meisten Solisten zweifellos beeindruckend - man hätte allen Beteiligten mehr Zuschauerinnen und Zuschauer gewünscht, den Erstgenannten auch einen Blumenstrauß der Intendanz.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
John Fiore

Chor
Christoph Kurig



Herren des Chores der
Deutschen Oper am Rhein

Die Düsseldorfer
Symphoniker


Solisten

Tristan
Leonid Zakhozhaev

König Marke
Hans-Peter König

Isolde
Jane Eaglen

Kurwenal
Tomasz Konieczny

Melot
Markus Müller

Brangäne
Renée Morloc

Ein Hirt
Alexandru Ionitza

Steuermann
Daniel Djambazian

Junger Seemann
Mirko Roschkowski






Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Deutsche Oper am Rhein
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