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Dumpf klingt's, wenn gemordet wird
Von Stefan Schmöe / Fotos von Eduard Straub Richard III. ist ein Reigen des Grauens, eine schwer zu überbietende Abfolge von Morden des Machtgewinns und erhalts wegen. Solch ein Verhalten ist, vorsichtig gesagt, moralisch indiskutabel. Was mag den italienischen Komponisten Giorgio Battistelli an dem Stoff derart fasziniert haben, dass er ihn für operntauglich erklärte? Librettist Ian Burton hat Shakespears überlanges Drama notgedrungen zurechtgestutzt, wobei alle Figuren neben dem meuchelnden König zu Randfiguren werden und (zu) wenig eigenes Gewicht erhalten. Gleichzeitig gibt es große Chorpassagen mit lateinischen liturgischen Texten, sodass die Oper auch als eine Art szenische Kantate gesehen werden kann. Dem Entsetzen über das Unfassbare wird ein Moment des Erbarmens gegenübergestellt, ohne dass (zumindest beim einmaligen Sehen) die Beziehungen klar würden. Gemessen an eminent theatralischen Umsetzungen von Shakespearse Königsdramen herausragende beispiele sind sicher Verdis Macbeth und, aus neuerer Zeit, Reimanns Lear - wirkt Richard III. vergleichsweise statisch und oratorisch. Der Kampf um die Krone kann beginnen (Chor der Vlaamse Opera)Die Musik liefert über weite Strecken einen dissonant aufgeriebenen Untergrund, der immer wieder Gefahr läuft, die Szene nur zu begleiten statt zu tragen. Der massige Orchesterklang wird im Theaterzelt RheinoperMobil, der provisorischen Düsseldorfer Spielstätte während der Theatersanierung, nur wenig aufgefächert die ungünstigen akustischen Voraussetzungen mögen da ebenso beigetragen haben wie das zwar engagierte und präzise, aber klanglich wenig differenzierte Dirigat von Wen-Pin Chien am Pult der ordentlichen Düsseldorfer Symphoniker. Getragen von den Streichern brodelt es gewaltig, die Einwürfe von Bläsern und dem umfangreichen (und mehr aktionistisch als einer nachvollziehbar klanglogischen Entwicklung gehorchenden) Schlagwerk sind relativ schnell vorhersagbar. Natürlich passt das, ist sozusagen psychologisch korrekt und durchaus nicht uninteressant, ordnet sich aber allzu sehr wie ein permanent brodelnder Klangteppich dem düsteren Stoff unter. Fast hat man den Eindruck, die Partitur sei auf einen Zielpunkt hin komponiert worden: Mit dem Tod Richards und der Thronbesteigung Henry VII. klart die Musik auf, als würde die Düsternis beiseite gezogen. Nach dem mechanischen Töten vorher allerdings mag man an die Utopie vom guten (oder zumindest besseren) Herrscher nicht glauben der Regisseur tut's auch nicht und so klingt es ein wenig nach einem hübschen Theatereffekt, der inhaltlich kaum motiviert ist. Richard (John Wegner) und Lady Anne (Dagmar Schellenberger) Robert Carsens Uraufführungs-Inszenierung an der Vlaamse Opera Antwerpen vom Januar 2005 ist nach Düsseldorf übernommen worden und passt sich trefflich in das Theaterzelt ein, dessen Ränge wie in einer Arena den bluttriefenden roten Sand der Manege umspannen. Die Bühnenrückwand ist eine Mischung aus Wellblech und archaischen Türstürzen, Sinnbild für die Zeitlosigkeit des Unrechts wie die Kostüme: Herren in schwarzen Anzügen, die sich Handschuhe für ihr schmutziges Tun überstülpen und Blutspuren in ihren Aktenkoffern tragen. Regenschirm und Melone scheinen den Stoff very british auf den historisch richtigen Ort zu verlagern, da aber auch Dirigent und Orchester entsprechend gekleidet sind, trifft es uns alle: Der Macht wegen mag zwar im Alltag nicht gleich gemordet werden, aber um des persönlichen Vorteils wegen wird ein Gesprächspartner schon einmal schnell abserviert. Carsens Ansatz gelingt sehr überzeugend, auch weil er die Morde theaterwirksam inszeniert und augenfällig zu Sinnbildern des alltäglichen Machtkampfs umdeutet. So trägt die Inszenierung mehr zur Wirkung bei als die Musik. Die Toten erscheinen dem mordenden König im Schlaf: Die Prinzen Edward und Richard, vorne liegend Richard.John Wegner ist mit außerordentlicher Bühnenpräsenz ein imposanter König, wenn seine Stimme auch nicht die Schärfe besitzt, die diesem brutalen Schlächter angemessen wäre. Allein dass er die Mammutrolle, durchweg sauber und kontrolliert singend, ohne Verschleißerscheinungen durchsteht, ist aller Ehren wert. Neben ihm besticht Günes Gürle mit schlanken, aber durchsetzungsfähigem Bariton als kühl kalkulierender Intrigant Buckingham. Lisa Griffith ist mit insistierendem Sopran eine ausdrucksstarke Königsmutter, Dagmar Schellenbergers kultivierter und durchaus großer Sopran hat mitunter Mühe, sich gegen das Orchester behaupten. Renée Morloc bleibt als Witwe Edwards IV. ein wenig blass. Durchweg gut besetzt sind die vielen kleineren Rollen, die wegen der Vielzahl der Personen kaum Möglichkeiten haben, sich über den Moment hinaus zu profilieren. Sehr überzeugend singt der Chor der Vlaamse Opera Antwerpen, der aber per Lautsprecher eingesteuert wird, was den Klangeindruck ziemlich beeinträchtigt da erweisen sich die Bedingungen im Düsseldorfer Theaterzelt als reichlich problematisch.
Trotz starker Inszenierung und guter Sänger kein Abend, der nachhaltige Wirkung hinterlässt. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Szenische Leitung
Bühne
Kostüme
Licht
Choreinstudierung
Dramaturgie
SolistenRichard IIIJohn Wegner
Lady Anne
Queen Elizabeth
Duchess of York
Buckingham
Richmond
Edward IV
Clarence / Tyrell
Hastings
Lovell
Catesby / Rivers
Ratcliff / Brackenbury
1st Murderer / Archbishop
2nd Murderer / Mayor
Prince Edward
Prince Richard of York
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