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Leerstellen
Von Stefan Schmöe / Fotos von Eduard Straub Der Teufel steckt überall, wir tragen ihn in uns, er gehört zu unserem Leben dazu, er ist unser alter ego. Das ist von Regisseur Michael Simon hübsch formuliert und so im Programmheft seiner Düsseldorfer Neuinszenierung nachzulesen. Wer oder was aber ist dieser Teufel? Ein Arrangeur, der die Menschen wie Puppen tanzen lässt, der Faust und Margarethe in den Abgrund treibt. Die verklärende Apotheose hat Michael Simon gestrichen: Sie ist gerichtet. Schluss. Kein himmlischer Chor, der ein erlösendes Gerettet singt. Es ist plausibel, dass Simon sich in seinem Regieansatz vom unvermeidlich allgegenwärtigen Goethe emanzipieren will, nur: Was setzt er dagegen? Annäherungsversuche: Faust (Steven Harrison) und Marguerite (Nataliya Kovalova)Gounod war weniger an Goethe interessiert als vielmehr an der (populären) dramatischen Konstellation und hat sich den Stoff von Jules Barbier und Michel Carré geschickt nach dem Geschmack der französischen Oper verdichten lassen erst in einer Dialogfassung für die Opéra comique, später überarbeitet für die Grande Opéra. Simon versucht für die Düsseldorfer Oper (die Premiere fand im Theaterzelt RheinOperMobil ROM statt), das Werk auf die Hauptfiguren zu verdichten. Das Bühnenbild (vom Regisseur selbst entworfen) ist auf eine abstrakte, halbhohe weiße Wand reduziert, auf die hin und wieder Videosequenzen projiziert werden und auf deren Rückseite der Chor sich auf einem Podest aufstellen kann. Vielleicht entfaltet das vom Parkett aus Wirkung, aber schon vom ersten Rang stört der Blick auf die stabilisierenden Metallgestänge erheblich. Überhaupt passt diese Bühnenskulptur ästhetisch denkbar schlecht in den (Shakespeares Londoner Globe nachempfundenen) Zeltbau, wirkt sperrig und deplatziert - das aber nicht in einem spannungsvollen Zusammenhang; vielmehr hat das Ding den Charme eines Vollplastikzimmers, wie man es in preisgünstigen Hotelketten nahe der Autobahn findet. Duellanten: Méphistophélès (Sami Luttinen, l.), Faust (Steven Harrison) und, tödlich verwundet, Valentin (Dmitri Vargin) Die Videosequenzen von Ariane Andereggen, ziemlich sparsam eingesetzt, wirken wie postmoderner Zierrat - hübsch, aber entbehrlich. Die aufwändigen Kostüme (Stephen Galloway) entheben die Personen der Realität in eine Phantasiewelt, wobei der uniforme Chor mit recht grob arrangierten Auf- und Abtritten Züge der großen Ausstattungsoper trägt. Alles in allem ist das dann doch ziemlich viel Brimborium um die zentralen Figuren herum, und auch die bleiben trotz detaillierter Personenführung merkwürdig stark verwurzelt in den Klischees: Faust schwach, unentschlossen und leidend, Mephisto als zynischer Strippenzieher (das in der Darstellung von Sami Luttinen immerhin virtuos); am vielschichtigsten noch Margarethe als moderne und liebesbedürftige Frau. (Die reichlich albernen Kostüme, die immer mehr Blick auf immer knappere schwarze Unterwäsche einräumen, hätte man Sängerin Nataliya Kovalova ruhig ersparen können.) Steckenpferd: Faust (Steven Harrison, l.) und Méphistophélès (Sami Luttinen)So plätschert die Regie zwar ambitioniert, aber letztendlich orientierungslos vor sich hin zum Glück wird dabei gesungen, und das weitgehend ausgezeichnet. Der mit jugendlich frischem Sopran jubelnde Siébel von Stephanie Woodling und der wohlklingende und sehr lyrische Bariton von Dmitri Vargin flankieren bestens die Hauptfiguren: Sami Luttinen ist mit schlanker Stimme ein sehr agiler, eleganter (wenn auch, der fehlenden Schwärze wegen, nicht sehr dämonischer) Mephisto von außerordentlicher Präsenz, spielerisch wie stimmlich; Nataliya Kovalova singt die Margarethe mit üppigem und luxuriösem Sopran, der mit jugendlich-heldischem Gestus raumgreifend die Szene musikalisch beherrscht (allein die Spitzentöne geraten mitunter etwas scharf) da scheint allmählich ein (hoch-) dramatischer Sopran heranzureifen. Diesem ausgezeichneten Sängerensemble (der schlagkräftige, dabei klanglich differenzierte und nie massig klingende Chor, von Gerhard Michalski sehr gut vorbereitete Chor passt sich da bestens ein) fehlt aber ausgerechnet das Zentrum, nämlich ein überzeugender Faust. Steven Harrison hat mit rauem und heiserem, gar nicht lyrischem (schon gar nicht heldischem) Tenor Mühe, die Partie durchzustehen eine Zitterpartie mit unüberhörbar verpatzten Spitzentönen (für die es, was unfreiwillig spöttisch wirkte, sogar noch Bravi gab). Verzweiflung: Marguerite (Nataliya Kovalova) Alexander Joel am Pult der nicht immer aufmerksamen Düsseldorfer Symphoniker hat starke Momente, insbesondere mit den schön atmend phrasierenden Holzbläsern. Allerdings neigt sein Dirigat dazu, die musikalischen Linien voneinander zu isolieren so zerfällt die Partitur in viele schöne Stellen. Auch hier also eine gewisse Ratlosigkeit: Was fängt man mit diesem Faust an? Eine wirkliche Antwort wird in Düsseldorf nicht gegeben.
Faust vor leerer Wand überästhetisiert, aber ohne zwingende Logik findet eine ambitionierte Regie kein Ziel. Musikalisch mit Glanz- und Schwachpunken. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Video
Chor
Dramaturgie
SolistenFaustSteven Harrison
Méphistophélès
Valentin
Wagner
Marguerite
Siébel
Marthe
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