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Musiktheater
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Aida

Oper in vier Akten
Text von Antonio Ghislanzoni
Musik von Giuseppe Verdi


in italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 3h 30' (eine Pause)

Event in der LTU-Arena Düsseldorf
am 2. September 2006



www.arena-oper.de

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(Homepage)
Sandalenfilm live!

Von Thomas Tillmann

Wir sitzen direkt am Nil. Und an diesem Tag fließt "der Nil nicht in Ägypten, sondern in der Düsseldorfer LTU Arena", hatte uns der Veranstalter bereits vorab mitgeteilt. Wir sehen die Minipalmen, wir sehen die Fischer mit ihren Netzen, Statistenhundertschaften rennen durch den zentimeterhohen Sand, trainieren für den Kampf, Priester absolvieren Zeremonien. Der aller darstellerischer Aufgaben entbundene Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf mit seinem frischen Italienisch und die Düsseldorfer Symphoniker, die "für den entsprechenden akustischen Genuss" garantieren, sind in eine Ecke verbannt, was für reibungslose Einsätze der Kollektive sorgt (für weitere Ereignisse solcher Art möchte ich dennoch vorschlagen, diese nicht kostümierten Mitwirkenden in Räumen unter- oder außerhalb der Arena unterzubringen oder gleich Vollplayback zu benutzen, denn wie viele wunderbare Dinge hätte man auf den für sie reservierten Quadratmetern noch geschehen lassen können!). Radamès und Amneris kommen zu Pferd in die Arena; leider dürfen sie ihre Tiere nicht den ganzen Abend behalten, was bei den weiten Strecken, die sie zurückzulegen hatten, um zu ihren "fast als intim zu bezeichnenden Auftritten" zu gelangen, eine echte Hilfe gewesen wäre. Aber es gibt noch mehr Besuch aus der Fauna: Ganz zu Beginn wird ein Raubvogel auf den Arenaboden gezaubert, den ein Pfleger unter begeistertem Applaus zurück in seinen Käfig in die Katakomben führt, jeweils vier Pferde ziehen zwei Kampfwagen, die über den Sand fegen, wobei diese "donnernden Galopp-Jagden mehrspänniger Kriegswagen ... nicht bloßer Augenschmaus, sondern mitreißende Plattform sein" sollen, die "die Solo-Stimmen und Chorpassagen unterstützt und erweitert"; im dritten Akt gibt es sogar noch Kamele zu bestaunen. Überhaupt ist immer etwas los in dieser "In-the-round-Produktion", die auch schon in München und Mannheim zu bestaunen war und die für Kartenpreise von Euro 49 bis 119 weniger Leute sehen wollten als der Veranstalter eingeplant hatte, man langweilt sich endlich einmal nicht bei den nicht enden wollenden Arien, die einen schönen, atmosphärischen Hintergrund darstellen für die üppigen optischen Freuden, die serviert werden, von denen das süße Gehopse der ganz jungen Komparsen (nicht nur bei den stolzen Eltern, die angesichts des suboptimalen Verkaufs sicher Freikarten erhalten haben) und die pyrotechnischen Elemente die größte Begeisterung auslöste. Und auch der betörende Geruch von abgefeuerten Platzpatronen ließ nicht nur beim Berichterstatter selige Cowboy-und-Indianer-Spiele der Kindheit wieder aufleben, sondern versetzte sicher auch die Sänger in die richtige Stimmung bei dieser Aida.

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Morenike Fadayomi strafte Kritiker Lügen, die die Lilli Vanessi in Kiss Me Kate nicht für die richtige Vorbereitung auf die Titelpartie der Verdi-Oper halten: Die Künstlerin nutzte die dort gewonnenen Erkenntnisse im Bereich der deutlichen Darstellung von Gefühlen nicht nur, sondern nährte auch den lange gehegten Verdacht, dass die böse Amneris sie nicht nur als Gesellschafterin schindet, sondern sie nachts auch zum Animieren in die vom Schlager her bekannte Bar zum Krokodil schickt - das Gestenrepertoire der ambitionierten Sopranistin und ihr keine Müdigkeit erkennen lassender tänzerischer Einsatz jedenfalls erinnerte an solche Etablissements. Dass sie im Grunde viel zu wenig Stimme und vor allem zu wenig Farbe in der Tiefe für eine solch dramatische Partie hat, ließ sie einen einmal mehr dank eines stupenden Feuerwerks von außermusikalischen Tricks vergessen, und auch das starke Flackern ihres Soprans, das Anbohren der Töne, die großzügigen Portamenti, den für Abwechslung und unmittelbaren Ausdruck sorgenden Sprechgesang und die Konsonantenspuckerei, das beherzte Zerhacken von Legatobögen und manch anderen Verismo- und Chansonetteneffekt wusste man bald als Momente größter Individualität zu schätzen. Den stärksten Eindruck hinterließ sie für mein Empfinden allerdings mit ihrem Bauchsprung vor dem Pianoteil der ersten Arie, den das sensible Mikrophon ohne jede Verfremdung herrlich unmittelbar einzufangen verstand. Ebenfalls überzeugend gerieten natürlich die lyrischen Passagen ihrer Partie, was man freilich von einer Sängerin dieses Fachs ebenso erwarten darf wie ein tadelloses Nilarien-C (das tatsächlich gelang, anders als die heiklen As am Ende der Arie) und ein problemloses Bewältigen des Schlussduetts.

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Szenenbild aus Aida

Keith Olsen begann als Radamès zwar im Dauerforte, bemühte sich aber mehr und mehr um Differenzierung mit seinem strapazierfähigen, wenn auch wenig individuell und eher stumpf timbrierten Tenor. Chariklia Mavropoulou, die ich als sehr uncharmante Adalgisa einer konzertanten Norma beim Schleswig-Holstein-Festival in Erinnerung hatte, war auch als Amneris kein Gewinn: Bereits die untere Mittellage geriet reichlich matt, noch tiefere Töne wurden nur dank beherztem Einsatz der Bruststimme hörbar erreicht oder gleich gesprochen, was mancher immer noch mit Expressivität verwechselt. Die obere Mittellage und die nicht immer souveräne, harte, scharfe Höhe dagegen klangen eher sopranig und flach. Boris Statsenko tat als Amonasro, was er gern tut: Er gab vor, ein Heldenbariton zu sein, und brüllte sich dabei mehr und mehr um seine an sich ja nicht unrechte Stimme; im weiteren Verlauf des Abends bemühte er sich indes mehr und mehr um Differenzierung und Nuancen. Dass er ein wirklich prunkvolles Flüchtlingskostüm trug, entlastete die Aida-Interpretin, die in dieser Produktion während des Triumphbildes endlich einmal nicht in die Verlegenheit kam, den Vater zu verraten. Felipe Bou war nicht nur auf Grund seiner Erscheinung und seines Kostüms eine echte Autorität, sondern auch durch seinen makellosen Legatogesang. Thorsten Grümbel gab einen unspektakulären Pharao, Christina Niessen war eine ordentliche Sacerdotessa, Thomas Greuel ein souveräner Messaggero, Gemma's Ballett und dasjenige der Rheinoper tanzten furchtlos eine Choreografie, die sich Modernismen erfolgreich verschließt und sich vor allem aus solchen Elementen zusammensetzt, die ambitionierte Laienensembles beim wöchentlichen Treffen auch fix für die nächste Karnevalssitzung einstudieren können.

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Nicht vergessen darf der Schauspieler, der mit rührendem Pathos, Sinn für das Wesentliche und riesigem Stichwortzettel in Papyrusoptik wenig interessierten Kindern und dem unvoreingenommenen Hallenpublikum (das um 20.15 Uhr einen Klatschmarsch zur Ermunterung des künstlerischen Personals startete, das sich Zeit ließ) die außerordentlich komplexen Handlungsstränge von Ghislanzonis vertracktem Libretto erläuterte und damit auch geschickt Momente der Kontemplation zwischen die so aufregenden Ereignisse auf dem Hallenboden setzte; auf das die Stimmung störende Einblenden von Untertiteln auf den Videowänden hatte man folgerichtig verzichtet. An dieser Stelle muss auch Raum sein für Komplimente an das rührige Presseteam des Veranstalters, das den Berichterstatter einmal nicht mit Informationen erstickte, sondern sich darauf beschränkte, per Einschreiben die Eintrittskarten zu versenden - durch welchen Wust von überflüssigen Worten über Mitwirkende und Produktion muss man sich sonst doch quälen.

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Szenenbild aus Aida

Nicht teilen konnte ich die mehrfach gehörte Kritik an den akustischen Bedingungen: Wenn ich eine Hallenproduktion besuche, muss mir klar sein, dass Mikrophon und Verstärkung zum Einsatz kommen, und die funktionierten für mein Empfinden tadellos. Ich will nicht verschweigen, dass mir auch das auf diese Weise eingespielte Grillengezirpe das Stück noch näher gebracht hat als manche Bühnenproduktion, die auf solch einfache Effekte zu meinem Unverständnis verzichtet. Auf Grund der Tatsache, dass jedes Instrument einzeln verstärkt wurde, waren viele schöne Details zu hören, erfreulicherweise mischte sich der Klang auch an den großen Tuttistellen nicht zu einem undefinierbaren Klangbrei, und John Fiores eher flotte Tempi taten auch das ihre. Dank des unermüdlichen Einsatzes der kompetenten, großen Geschmack beweisenden Tontechnik klang das Werk zudem diesmal nicht so schroff und eckig wie erinnert.


FAZIT

Der Veranstalter hatte recht in seiner Ankündigung für "einen Verdi-Event der besonderen Art": So wie in dieser wie ein live aufgeführter Sandalenfilm wirkenden Arena-Inszenierung haben wir "die tragische Liebesgeschichte der Titelheldin und des ägyptischen Feldherrn Radames ... noch nicht erlebt". Wehmütig werden wir uns erinnern, wenn wir demnächst wieder in muffige Opernhäuser gedrängt werden und ohne die "gelungene Kombination aus anspruchsvoller Klassik und einem circensischen Schauspiel der Extraklasse" werden auskommen müssen.


Ihre Meinung
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(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
John Fiore

Inszenierung
?

Bühne und Kostüme
?

Licht
?

Choreinstudierung
?

Choreografie
?

(Der Veranstalter hat auch
auf unsere Nachfrage keine
Namen zum Produktionsteam
bekannt gegeben)



Chor des
Städtischen Musikvereins
zu Düsseldorf

Die Düsseldorfer
Symphoniker


Solisten


Aida
Morenike Fadayomi

Amneris
Chariklia Mavropoulou

Radamès
Keith Olsen

Amonasro
Boris Statsenko

Ramfis
Felipe Bou

Il Re
Thorsten Grümbel

Sacerdotessa
Christina Niessen

Messaggero
Thomas Greuel






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