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Nur die Muse küsst ihn bis zum Schluss
Von Annika Senger / Fotos von Thomas Aurin Der französische Komponist Jacques Offenbach thematisiert in seiner unvollendeten Oper Hoffmanns Erzählungen drei Prosatexte von E.T.A. Hoffmann: Der Sandmann, Rath Krespel und Das verlorene Spiegelbild. Alle drei Geschichten in Offenbachs Werk in den drei Binnenakten verarbeitet drehen sich um ein und dasselbe Thema: das Scheitern am Aufbau von Beziehungen zu Frauen, was für den unglücklich liebenden Autor Hoffmann im Suff endet. Hoffmann (hier: Timothy Richards) und Olympia (hier: Christiane Götz) In Thilo Reinhardts Inszenierung existiert allerdings ein weibliches Wesen, das bis zum Ende immer an der Seite des Protagonisten verweilt: seine Muse. Um sie als seine eigentliche Lebenspartnerin und Vertraute darzustellen, verwandelt sie sich in den Binnenakten nicht in Hoffmanns Freund Niklas, sondern leidet selbst unter ihrer nicht erhörten Liebe zu dem Dichter, dem sie mit ihren guten Ratschlägen häufig auf die Nerven fällt. Frustriert wegen ihrer vergeblichen Bemühungen, torkelt sie im ersten Akt wie Hoffmann selbst betrunken über die Bühne. Alle fünf Akte spielen in einem sich weit nach hinten ausdehnenden ovalen Saal mit Holzvertäfelungen an den Rändern und runden, ballonartigen Lampen unter der Decke. Es ist ein schlicht ausgestattetes Restaurant im Stil der 50er oder 60er-Jahre. Von Akt zu Akt variiert dieses Bühnenbild wenig. Dies ist kein Wunder, denn Hoffmanns Streben nach Liebe wiederholt sich ebenfalls und findet immer wieder ein niederschmetterndes Ende. Bei der Gestaltung des Bühnenraums legt der Regisseur viel Wert auf Symbolik: So gibt es einen Tisch für Hoffmann und einen für seinen Gegenspieler Lindorf und dessen nicht minder diabolische Alter Ego Coppelius, Dr. Mirakel und Dapertutto. In der Mitte des Raumes steht ein rotes Sofa, auf dem die Begegnungen zwischen Hoffmann und seinen Frauen stattfinden. Beispielsweise singt und tanzt dort die künstliche Olympia wie auf einem Podest, während der Dichter ihr blind vor Liebe verfällt. Hoffmann (hier: Timothy Richards) und die Muse (hier: Stella Doufexis)Die Frauengestalten sind in dieser Inszenierung hervorragend gelungen. Olga Peretyatko verkörpert die Kreation des Physikers Spalanzani mit solch mechanischen Bewegungen und entsprechend emotionsarmem Gesang, dass man ihr durchaus abnimmt ein Automat zu sein. Die silbrig weiße Perücke und der hellgraue Pelzmantel tun dabei ihr übriges. Olympias Gesang ist technisch perfekt und virtuos: Peretyatko beherrscht präzise Koloraturen, präsentiert ein gekonntes Decrescendo das ganze mit einem übernatürlich hellem Timbre und soubrettenhafter Leichtigkeit. Maria Bengtsson in der Rolle der schwindsüchtigen Sängerin Antonia hat sich vor der Vorstellung wegen einer fiebrigen Erkältung als indisponiert ankündigen lassen. Die gelegentlichen stimmlichen Schwächen werden so zu seinem Teil der Rolle, und trotzdem meistert Bengtsson die Höhen scheinbar ohne Mühe. Die Erscheinung der verstorbenen Mutter Antonias (Christiane Oertel) tritt in einem weißen, tütüartigen Kleid aus dem hinteren Teil der Bühne hervor. An dieser Stelle ist besonders die Lichttechnik von Franck Evin zu loben: Der Saal verdunkelt sich, und nur noch die Mutter wird geisterhaft bestrahlt ein gespenstisch schöner Effekt. Auch Giuliettas figurbetontes rotes Kleid setzt die Beleuchtung glänzend in Szene, und Karolina Gumos' emotionsgeladene, kräftige Mezzosopran-Stimme macht ihre Arie nicht nur für Hoffmann zu einem wahren Sirenengesang Hoffmann (hier: Timothy Richards) und Dappertutto (hier: Peteris Eglitis) Im Schatten der Frauengestalten geht Carsten Sabrowski als Lindorf, Dr. Mirakel und Co. eher blass unter, obwohl er seine Parts mit solidem Bass vorträgt. Sehr überzeugend und glaubwürdig mimt der Tenor Andreas Conrad den vom Leben und von der Liebe gebeutelten Hoffmann. Er artikuliert die Worte mit gestochener Klarheit, singt schneidend dramatisch und weckt Assoziationen an die tragische italienische Oper. Trotz der jämmerlichen Lage der Hautfigur kommen komische und satirische Elemente in Hoffmanns Erzählungen nicht zu kurz. Möchtegern-Sänger Franz (Thomas Ebenstein) durchbricht den tragischen Charakter des Antonia-Aktes mit einem tölpelhaften Auftritt, der dem Publikum so manchen Lacher entlockt. An das Werk E.T.A. Hoffmanns knüpfen wiederum die Schauermärchen-Komponenten an eine abwechslungsreiche, absolut sehenswerte Mischung.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Choreinstudierung
Solisten
Hoffmann
Niklausse / Muse
Olympia
Antonia
Giulietta
Lindorf / Coppélius /
Stimme der Mutter
Spalanzani
Crespel
Schlémil
Cochenille /
Nathanael
Hermann
Andreas
Stella
Ein Pianist
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