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Flöte ohne Zauber
Von Annika Senger / Fotos von Monika Rittershaus "Ein Zug von Gefolge; zuletzt fährt Sarastro auf einem Triumphwagen heraus, der von sechs Löwen gezogen wird." (Szenenanweisung zum 1. Aufzug / 18. Auftritt; hier James Creswell als Sarastro) Um ein postmodernes Theater-Patchwork zu ersinnen, braucht man anscheinend nur zweierlei Dinge: Eine klassische Oper zum Zerstückeln (hier: Die Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart) und ein Dialoggerüst als Rahmenwerk. Regisseur Hans Neuenfels hat sich den Spielregeln der Postmoderne verschrieben und raubt damit der Flöte jeglichen Zauber. Beispielsweise ist die Bühne ein karger, leerer Raum ohne Illusionsebenen. An dessen Mauern können die Akteure hinaufklettern – ohne Sinn und Ziel. Somit erweckt das Bühnenbild Assoziationen mit einem Gefängnis, was interpretatorisch nahe liegt: Schließlich sind den Figuren durch Rollenvorgaben Grenzen gesetzt. Neuenfels' Dialogfassung macht dies besonders deutlich: In den Händen der dominanten Spielleiterin Marie-Louise laufen alle Fäden zusammen. Aus ihrem Mund erfährt das Publikum unter anderem, dass Papageno fünfmal am Tag onaniere. Solche und ähnliche sexuelle Anspielungen ziehen sich wie ein roter Faden durch den Schauspiel-Teil. Wer eine märchenhaft bunte Opernwelt erwartet, wo auch Kinder ihren Spaß haben könnten, kommt hier nicht auf seine Kosten. Phantastische Kostüme haben farbloser Alltagskleidung weichen müssen. Papageno und Papagena tragen beispielsweise schlabbernde graue Anzüge, was ihrem vogelartigen Wesen alles andere als gerecht wird. Monostatos: "Nein? und warum? weil ich die Farbe eines schwarzen Gespensts trage? - Nicht? - Ha so stirb!" (Original-Libretto von Schikaneder, 2. Aufzug / 10. Auftritt; hier Maria Bengtsson als Pamina und Peter Renz als Monostatos. Hinten assistieren Ludwig Blochberger als Gehilfe Franz und Alexander Heidenreich als Gehilfe Xaver)Der Regisseur versucht mit solchen Maßnahmen krampfhaft, ein völlig neues Stück zu erschaffen. Reines Schauspiel und Oper nehmen darin zwei gleichwertige Säulen ein, doch eine Verschmelzung der beiden Ebenen bleibt ein unerreichtes Ziel. Mozarts Arien werden gewaltsam aus ihrem Kontext herausgerissen und zu musikalischem Schmuckwerk des trivialen Schauspiels degradiert. Eine sichtliche Hürde für die Sänger ist es außerdem, im Wechselspiel zwischen Gesangs- und Sprechrolle zu bestehen. Mit Hilfe des Schauspiels soll, wie es scheint, dem ungebildeten Zuschauer die Handlung der Zauberflöte erklärt werden. Damit die Dialoge ganz dem postmodernen Charakter entsprechen, hat Neuenfels sie mit zahlreichen Selbstreferenzen zur Entlarvung der Oper als Kunstprodukt gespickt. So sagt Marie-Louises Gehilfe Franz im ersten Akt: „Ich habe meiner Agentur gesagt, ich habe nichts dagegen, einen Neger des Monostatos zu spielen, wenn man erkennt, dass ich keiner bin.“ Daraufhin folgt ein zotiges, beinahe rassistisch anmaßendes Gespräch zwischen der Spielleiterin und ihren Gehilfen, zu dem Monostatos mit einer gefesselten Pamina hinzustößt. Sowohl der Versuch, humorvoll als auch jener, mittels Selbstreferenz innovativ zu sein, scheitern. Selbstreferenz findet in postmoderner Kunst schon so häufig Verwendung, dass sie nur noch wie ein allerletzter Ausweg erscheint, wenn zündende Ideen für wahrhaft Neues fehlen. "Hiemit kannst du allmächtig handeln, Immer wieder muss man sich während der rund dreistündigen Aufführung fragen: Wo bleibt die Oper? Glücklicherweise gelingt es aber den Gesangssolisten, mit ihren bravourösen Leistungen die Schwächen der Inszenierung auszubügeln. Valentina Farcas (Pamina) überzeugt mit leichten, schlanken Höhen und einer ausdruckstarken Interpretation ihrer Rolle. Einschmeichelnd, sanft und samtig – so lässt sich die lyrische Tenor-Stimme ihres männlichen Gegenparts Adrian Strooper (Tamino) beschreiben. Eine große Saalpräsenz hat sie war nicht, aber die gefühlvolle Darbietung macht dies wieder wett. Der Darstellung des Papageno durch Tom Erik Lie, der seinen Part solide singt, fehlt aufgrund des Inszenierungsansatzes ein wenig der Witz. Erst im Zusammenspiel mit Papagena (Claire Wild) scheint der blassgraue Vogelfänger aus der Reserve gelockt zu werden. Besonders hervorzuheben ist Georg Zeppenfeld in der Rolle des gehbehindert dargestellten Sarastro. Seine tragende Bass-Stimme zeichnet sich aus durch ein charismatisches warmes Timbre, das mit nahezu technischer Perfektion verknüpft ist. Sarastros ebenfalls im Gehen eingeschränkte Gegenspielerin, eine kahlköpfige Königin der Nacht, hat zwar während ihrer ersten Arie Schwierigkeiten, das dreigestrichene e sauber zu singen, allerdings meistert Eleonore Marguerre bei beiden Auftritten die Koloraturen virtuos und verkörpert die Rolle gesanglich so bitterböse, wie sie angelegt ist. Dass Sarastro und die Königin der Nacht in ihrem Innern jedoch gebrochene Existenzen sind, will Neuenfels womöglich mit der gezeigten Gehbehinderung verdeutlichen – eine von wenigen wirklich bissigen Ideen.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Licht
Choreinstudierung
Solisten
Sarastro
Tamino
Pamina
Königin der Nacht
1. Dame
2. Dame
3. Dame
Alter Priester
1. Priester
2. Priester
Papageno
Papagena
Monostatos
Drei Knaben
1. Geharnischter
2. Geharnischter
Marie-Louise, Spielleiterin
Franz, Gehilfe
Xaver, Gehilfe
Großer Löwe, schwarzer Mann
Zwei kleinere Löwen
Diskuswerfer
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