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Musiktheater
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Tiefland
Musikdrama in einem Vorspiel und zwei Aufzügen
von Eugen d’Albert (1864-1932)
Libretto von Rudolf Lothar (eigtl. Rudolf Spitzer)
nach dem Schauspiel «Terra baixa» (1896)
von Àngel Guimerà

Aufführungsdauer: ca. 3 h (1 Pause)

Premiere am 1. Juli 2006


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Opernhaus Zürich
(Homepage)
Imaginäre Bergidylle

Von Rainhard Wiesinger / Fotos von Suzanne Schwiertz

D'Alberts bis zum Zweiten Weltkrieg überaus erfolgreiches "Tiefland" wurde auf Initiative des Dresdner Hoftheaterintendanten Ernst von Schuch geschrieben. Als Schuch auf Lothars Übersetzung der italienischen Version des katalanischen Dramas stieß, erkannte er sofort die Operntauglichkeit des Stoffs und empfahl ihn d'Albert und Lothar als Vorlage für eine neue Oper. Lothar nahm einige Kürzungen vor und ergänzte die Textvorlage um ein Vorspiel, das vor allem musikalisch einen willkommenen Kontrast zu den beiden Akten ermöglichte.

"Tiefland" thematisiert nicht, wie man bei einem Drama des Naturalismus annehmen könnte, einen Klassenkonflikt, sondern stellt auf eine sehr plakative und drastisch vereinfachte Weise Bergland und Ebene dar. Das Tiefland, in dem der Großteil der Menschen lebt, erscheint als ein Bereich, in dem Zank, Streit, Falschheit und Verlogenheit herrschen. Das Hochgebirge vertritt dagegen das Natürliche, was im Konkreten bedeutet, dass Konflikte direkt und ohne Hinterhalt ausgetragen werden. Pedro bringt etwas von dieser Hochlandmentalität in das Tiefland, wenn er am Ende Sebastiano zum Kampf Mann gegen Mann zwingt. Pedro verkörpert das Reine, dem in der Person des brutalen und egoistischen Sebastiano das Falsche und Feige gegenübersteht.

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Die Niederschrift der Partitur schloss d'Albert binnen einem Jahr zwischen 1902 und 1903 ab. Einflüsse Richard Wagners sind im Bereich der Harmonik, Leitmotivtechnik und Instrumentation deutlich zu spüren. Zudem werden bei der Partie des Pedro musikalische Charakteristiken des jungen Siegfried aufgegriffen, und auch die Hirtenszene im Vorspiel ist deutlich von Wagner inspiriert. Im Gegensatz zu den Werken Wagners heben sich die nummernhaften Stücke -wie etwa Nuries Morgenlied oder Sebastianos Tanzlied- stärker aus dem Fluss der Musik heraus. Mit dem italienischen Verismo verbindet "Tiefland" wiederum seine Tendenz zum unvermittelt dramatischen Ausdruck. Für das in der Partitur angedeutete spanische Kolorit hatte d'Albert sogar Folklorestudien betrieben. Dass "Tiefland" nicht nur d'Alberts populärste Oper, sondern eine der beliebtesten der postwagnerschen Epoche werden sollte, war nicht von Beginn an vorherzusehen. Die von Leo Blech dirigierte Prager Uraufführung wurde zwar vom Publikum sehr positiv aufgenommen, die Reaktion der Presse war jedoch zwiespältig. Zu der zweiten und auch heute noch gespielten Fassung entschloss sich d'Albert auf Anraten seines Verlegers Hugo Bock. Doch auch in der umgestalteten Form fand "Tiefland" zunächst nur mäßig Anklang. Der große Durchbruch der Oper erfolgte erst 1907, als sich Hans Gregor des Werks an seiner Komischen Oper annahm und es selbst inszenierte.

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Die Handlung spielt zunächst auf einer Hochalpe in den Pyrenäen und später im spanischen Tiefland von Katalonien. Der Hirt Pedro lebt zurückgezogen in den Bergen. Ihm fehlt die Gesellschaft der Menschen nicht wirklich, nur nach einer Frau hat er wirklich Sehnsucht. So durchschaut er das Spiel seines schwer verschuldeten Herrn Sebastiano nicht, als dieser ihm anbietet, im Tal eine Mühle zu übernehmen und ein junges Mädchen namens Marta zu heiraten. In Wirklichkeit hat Sebastiano aber ein Verhältnis mit Marta. Mit der Scheinhochzeit zwischen ihr und Pedro möchte er die Gerüchte darum zum Verstummen bringen, da er hofft, eine reiche Frau ehelichen zu können und damit seine finanziellen Probleme aus der Welt zu schaffen. Anfänglich verachtet Marta Pedro, da sie nicht weiß, dass er von Sebastiano nicht in den Plan eingeweiht wurde. Langsam beginnt das Mädchen allerdings eine Zuneigung für den Hirten zu entwickeln und als sie erfährt, dass Sebastiano sogar die Hochzeitsnacht für sich beanspruchen will, beginnt sie Pedro andeutungsweise in die Absichten seines Herrn einzuweihen. Sie beschließen in die Berge zu fliehen, doch Sebastiano gibt seine Geliebte nicht frei. Als nun auch der Dorfälteste Tomasso über Sebastianos Plan aufgeklärt wird, lässt er die geplante Hochzeit zwischen seiner Tochter und dem Grundbesitzer platzen. Es kommt zum Zweikampf zwischen Pedro und Sebastiano, in dem dieser getötet wird. Pedro zieht daraufhin mit Marta in die Berge zurück.

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In Matthias Hartmanns Inszenierung beginnt "Tiefland" in einem wissenschaftlichen Labor, dessen Besitzer Don Sebastiano Geschöpfe kreieren lässt, deren Lebenswelt durch einen Computer -Star Trek lässt grüßen!- simuliert wird. Auf einer bühnendominierenden Videoinstallation bekommt Pedro seine Bergidylle samt möglicher Braut lediglich vorgegaukelt. Mit Pedros Abstieg ins Tal begibt sich auch Hartmanns kontroversiell aufgenommene Arbeit wieder auf die Ebene einer weitgehend konventionellen, wenn auch unromantischen Inszenierung, die vor allem von der Persönlichkeit der Hauptdarsteller lebt. So geht die eigentliche Handlung im Büro einer industriellen Mühle der 30-er Jahre über die Bühne. Als nach dem (nun doch realen?) Mord an Don Sebastiano Pedro gemeinsam mit Marta in das Labor flüchtet hat man den Gag des Vorspiels schon wieder vergessen, weshalb man auch Fragen bezüglich der Logik dieses Finales besser sein lässt.

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Glanzpunkt der durchgehend auch typengerechten Besetzung ist Peter Seifferts Pedro, der für diese Partie zu der physique du role auch einen differenzierungsfähigen und höhensicheren Tenor mitbringt. In punkto Wortdeutlichkeit wurde Seiffert von Matthais Goerne als Don Sebastiano noch übertroffen, der mit seiner lied- und oratoriengeschulten Stimme das Klischee widerlegte, die Partie biete nur ein Betätigungsfeld für reine Kraftsänger. Allerdings war nicht zu überhören, dass die dramatischen Ausbrüche des zweiten Akts die lyrische Substanz der Stimme deutlich überfordern. Abstriche muss man bei Petra Maria Schnitzers Marta hinnehmen: Ihr an sich schon eher spröder Sopran zeigte sich den heroischen Attacken des zweiten Akts ebenfalls nur bedingt gewachsen. Vom Publikum zu recht bejubelt wurde auch Eva Liebau als naiv devote Nuri, deren leuchtender Gesang durch die darstellerische Begabung in idealer Weise ergänzt wird. Maßgeblichen Anteil an dem gelingen der Premiere hatte auch Franz Welser-Möst, der bei seiner Interpretation die Lyrismen und phantasievolle Orchestrierung der Partitur in den Vordergrund rückt und so die Musik von Plakativität und Oberflächlichkeit befreit, bei aller Detailarbeit aber dennoch nicht den dramatischen Bogen vernachlässigt.


FAZIT

Raritätensammler sollten sich die Wiederaufnahme im Dezember nicht entgehen lassen!


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Franz Welser-Möst

Inszenierung
Matthias Hartmann

Bühnenbild
Volker Hintermeier



Chor und Orchester der
Oper Zürich


Solisten

Marta
Petra Maria Schnitzer

Pepa
Liuba Chuchrova

Rosalia
Kismara Pesaatti

Nuri
Eva Liebold

Pedro
Peter Seiffert

Don Sebastiano
Matthais Goerne

Tommaso
Laszlo Polgar

Nando
Rudolf Schahsching

Moruccio
Valeriy Murga



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Opernhaus Zürich
(Homepage)



Da capo al Fine

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