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La Forza del Destino
(Die Macht des Schicksals)


Oper in vier Akten
von Giuseppe Verdi
Fassung Mailand 1869
Libretto von Francesco Maria Piave
nach dem Drama Don Alvaro o la fuerza del sino
von Angel Saavedra
Ergänzungen und Korrekturen der Mailänder Fassung
von Antonio Ghislanzoni


In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 30' (eine Pause)

Premiere A im Nationaltheater Mannheim am 30. September 2005


Homepage

Nationaltheater Mannheim
(Homepage)
Ungelöste Aufgabe

Von Thomas Tillmann / Fotos vom Hans Jörg Michel


Den Auftakt zum Eröffnungswochenende des Nationaltheaters Mannheim, zu dem die neue Generalintendantin Regula Gerber das Publikum sehr herzlich und sympathisch begrüßte, machte eine Neuinszenierung von Verdis La Forza del Destino von Peter Oskarson, über den ich nicht viel mehr herausfinden konnte, als dass er im nächsten Frühjahr in Malmö seine Sicht auf Un ballo in maschera vorstellen wird. Zu der erstgenannten Verdioper ist ihm nicht allzu viel eingefallen: Man wartet vergebens auf tiefere Erkenntnisse über das wahrlich nicht unproblematische Stück, das im Moment so zahlreiche Neudeutungen erfährt (ich erinnere an die spannende Produktion des Staatstheaters Oldenburg und diejenige der Bonner Oper), man ärgert sich über den Mangel an Ideen, über die Hilflosigkeit und Plattheiten im Erzählen der Geschichte, in der Zeichnung der Figuren, die entsetzlich blass und uninteressant bleiben, und der Personenführung, die kaum je stattfindet, über konventionelle Gesten von Vorgestern, uninspiriertes Rampentheater, altmodische Chorarrangements, eine müde, plumpe Choreografie in den Tanzszenen, wo man doch ein professionelles Corps de ballet im Drei-Sparten-Haus hat, über ein paar durchschaubare Lichteffekte von Andreas Rehfeld, deren Farbsymbolik zu enträtseln mir ehrlich gesagt der Elan fehlte, über nichtssagende Kostüme von Sandra Meurer, von denen die meisten hoffentlich aus Army-Shops der Umgebung stammen und nicht auch noch Unmengen Geld gekostet haben, über die zum Zuschauer hin offenen, kahlen, schwarz-weißen, geometrischen Seelenräume von Roland Aeschlimann, die man so oder ähnlich schon vor Jahrzehnten satt hatte.

Leonora (Karine Babajanyan) wird von Padre Guardiano (Mihail Mihaylov) und den anderen Mönchen (Chor des Nationaltheaters) in die Einsiedelei verabschiedet.

Immerhin waren die Protagonisten nicht allzu sehr durch Bühnenaktivitäten abgelenkt und konnten sich meistens ganz auf die musikalische Seite konzentrieren. Und das mussten sie auch: Der neue Generalmusikdirektor Frédéric Chaslin erhielt viel Applaus für die mitunter geradezu gehetzt wirkende, ruppig-zornige Wiedergabe der Ouvertüre, was insofern Sinn macht, als wir es ja auch nicht mit einem lieblichen Sujet zu tun haben. Es ist sicher auch nicht falsch, das Drama vom Graben aus voranzutreiben, gerade bei einer schwachen, wenig Tempo entwickelnden Inszenierung, aber wenn das an sich ja ganz hervorragende Orchester ganz einfach nicht mitkommt und den Sängern auf der Bühne der Atem ausgeht, dann ist ein Dirigat zu schnell. Umso mehr wunderte man sich über die deutlich gemäßigteren Tempi des Franzosen im zweiten Teil.

Vergrößerung Don Carlo di Vargas (Mikel Dean, links) kümmert sich um den verwundeten Don Alvaro (Mihail Agafonov, rechts), dessen wahre Identität er bisher nur erahnt.

Klangbeispiel Klangbeispiel: "La Vergine degli Angeli" (2. Akt) - Karine Babajanyan (Leonora di Vargas) und die Herren des Chores und Extrachores des Nationaltheaters
(MP3-Datei)


Karine Babajanyan ist keine schlechte Sängerin und hat sich im Spintofach in den letzten Jahren durchaus einen Namen gemacht (die Armenierin, die 2000 an der Komischen Oper in Berlin ihr Deutschland-Debüt als Manon Lescaut gab und am Theater Bielefeld engagiert war, ist seit 2003 Mitglied des Opernhauses Stuttgart), aber die wirklich dramatische Partie der Leonora di Vargas führt sie deutlich an Grenzen: Die Höhe klingt hart und hat viel von ihrer ursprünglichen Schönheit verloren, das Drücken in der Tiefe geht auf Kosten der Mittellage, die deutlich schwächer und farbloser klingt, die Künstlerin neigt zum Schreien, die Stimme flackert und weist ein immenses Vibrato auf, was in den Ensembleszenen natürlich weniger auffällt als in den intimeren Momenten der Arien, wobei es dem "Vergine degli Angeli" an dem nötigen Feinschliff und Glanz fehlte, die Intonation im "Pace" nicht selten zu tief geriet, man hier auch einige wirklich gefährdete Töne vernahm und die Interpretation insgesamt nicht so zwingend war, als dass man über all dies hinweggesehen hätte. Pardon, aber wenn man eine Galina Shesterneva am Haus hat, die die Partie der Leonora mit größtem Erfolg in Bonn gegeben hat, dann lässt man nicht Karine Babajanyan die Premiere singen.

Vergrößerung Preziosilla (Andrea Szántó) preist den Krieg in höchsten Tönen (im Hintergrund: Chor und Statisterie des Nationaltheaters Mannheim).

Bereits im Februar bei der Premiere des Don Carlo war aufgefallen, dass Michail Agafonovs Tenor einiges an Glanz verloren hat, auch wenn er zu Beginn des Abends noch durch die Schönheit des Timbres für sich einnehmen konnte und wenn die hohen Töne seiner Arie noch den gewohnten Strahl aufwiesen. Bereits zu diesem Zeitpunkt fiel aber auch bereits auf, dass die Stimme für eine solch dramatische Partie zu wenig Volumen und Resonanz in der Tiefe aufweist, was einzelne Zuschauer zu strengen Buhrufen animierte (oder waren es die merkwürdigen Flaschentöne in der unteren Mittellage, die so störten?). Das Solo jedenfalls hat den Moskauer so viel Kraft gekostet, dass er Probleme mit der Intonation bekam und im weiteren Verlauf arg strapaziert und überfordert klang. Auch Andrea Szántó hatte sich mit der unangenehm liegenden Partie der Preziosilla verhoben: Sie entwickelte mit ihrer metallisch gefärbten, grob geführten Stimme in erster Linie Lautstärke, wobei auch hier die mattere Mittellage nicht recht zur derben, brustigen Farbe der tiefen Töne passen wollte, anders als der mitunter angeschlagene etwas vulgäre Chansonton zur Figur, und ganz präzis waren die Acuti auch nicht. Mikel Dean dagegen ist immer ein verlässlicher Interpret für die großen Baritonpartien in den Opern Verdis, und auch als Don Carlo di Vargas wusste er kraftvoll-vitales, aber nie ungeschlachtes Singen, hohe Emotionalität und gestalterische Sensibilität glänzend zu verbinden, und auch der kluge Aufbau und die Spannung, die er in seiner großen Szene im dritten Akt aufzubauen wusste, verdient Erwähnung.

Vergrößerung Leonora di Vargas (Karine Babajanyan) hofft auf den Tod, der ihr endlich Frieden bringen soll.

Mihail Mihaylov hat die angemessen reife, klangvoll-voluminöse, farbige Stimme und darstellerische Würde für den Guardiano. Tomasz Konieczny war als Melitone - eine Figur, die Verdi immens wichtig war! - bereits mit den ersten Tönen präsent, bärbeißig, prall und wirklich komisch, ohne dabei vordergründig zu sein oder wie so viele Kollegen zu übertreiben, vokal aus dem Vollen schöpfend mit sensationeller Höhe, den Text ernst nehmend, eloquent präsentierend und zur Grundlage seiner vielschichtigen Interpretation machend. Peter Parsch war ein müder Marchese mit flacher Stimme, Oskar Pürgstaller ein Trabuco mit nasalem Ton, der einsehen sollte, dass man auch dann charaktervoll und komisch sein kann, wenn man die rhythmischen Vorgaben Verdis beachtet. Hatte der Chor des Nationaltheaters in den letzten Jahren mitunter Anlass zur Sorge gegeben, so wurde an diesem Abend deutlich, welches Potential dieses Kollektiv doch hat, wenn es den richtigen Chordirektor hat.

Vergrößerung Ein letztes Wiedersehen gibt es noch zwischen Alvaro ((Mihail Agafonov) und der tödlich getroffenen Leonora (Karine Babajanyan).

Mein Kollege Carsten Neudorf hatte in seinem Bericht über die Premiere des Don Carlo noch mit Ironie versucht, Souffleur Günther Michelsen auf seine unangemessene Lautstärke hinzuweisen. Diesmal muss noch deutlicher gesagt werden, dass er mit seinem Geschrei mitunter das Bühnenpersonal übertönt und damit nicht nur den Rezensenten zur Weißglut brachte. Und auch dies muss gesagt werden: Die Dramaturgie sollte demnächst für eine korrekte, auch sprachlich richtige Übersetzung des italienischen Textes sorgen (es heißt nicht "schwörte", sondern "schwor", und man möchte mehr lesen von Fra Melitones Beiträgen!), und die Öffentlichkeitsarbeit sollte es schaffen, den üblichen Einlegezettel mit den Kurzbiografien der Mitwirkenden fertig zu stellen, denn es ist weder dem Publikum noch den Pressevertretern zuzumuten, sich die gewünschten Informationen im Internet zusammen zu suchen!


FAZIT

Leider ist diese Verdi-Produktion, die bei ihrer Premiere schon reichlich abgestanden und wie von vorgestern wirkt, kein bisschen besser als der Don Carlo, der im Februar Premiere hatte. Trotz der gemachten Einschränkungen ist das Nationaltheater Mannheim aber vor allem in musikalischer Hinsicht ein Haus, das zu den ersten im Land gehört, und so wünscht man dem neuen Leitungsteam mehr Glück für die nächsten Produktionen (nach der Eröffnungsgala am 1. geht es am 3. Oktober mit der deutschen Bühnenerstaufführung von Luciano Berios Messa in scena Passaggio und der Uraufführung der nach Berios Sequenza III, IV & VII von Joachim Schlömer gestalteten Messa in scena Tre Donne im Schauspielhaus weiter, die ebenfalls Frédéric Chaslin leiten wird).


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Frédéric Chaslin

Regie
Peter Oskarson

Bühne
Roland Aeschlimann

Kostüme
Sandra Meurer

Licht
Andreas Rehfeld

Chor
William Spaulding

Dramaturgie
Klaus-Peter Kehr




Chor, Extrachor und
Statisterie des National-
theaters Mannheim

Orchester des
Nationaltheaters Mannheim


Solisten

* Besetzung der Premiere A

Der Marchese
von Calatrava
Peter Parsch

Leonore di Vargas
Karine Babajanyan */
Galina Shesterneva

Don Carlos di Vargas
Mikel Dean */
Károly Szilágyi

Alvaro
Michail Agafonov */
Ion Tudoroiu

Preziosilla
Susan Maclean /
Andrea Szántó *

Pater Guardian
Taras Konoshchenko /
Mihail Mihaylov *

Fra Melitone
Frank van Hove /
Tomasz Konieczny *

Mastro Trabuco
Oskar Pürgstaller

Curra
Natalia Maiorova /
Susanne Scheffel *

Alcalde
Slawomir Czarnecki */
Stephan Somburg

Chirurgo
Winfried Knoll *
Vasile Tartan




Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Nationaltheater Mannheim
(Homepage)



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