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Musiktheater
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Tristan und Isolde
Handlung in 3 Aufzügen von Richard Wagner



Aufführungsdauer: ca. 5 Stunden 50 Minuten (zwei Pausen)

Premiere am 30.06.1998
Besuchte Aufführung: 11.11.2005

Logo: Staatsoper München

Bayerische Staatsoper München
(Homepage)

Sterben um zu leben

Von Bernd Stopka

Für drei Aufführungen stand "Tristan und Isolde" wieder auf der Bühne seiner Uraufführung, in einer Inszenierung, die sich ihre Spannung auch noch sieben Jahre nach der Premiere erhalten hat.

Die Bühne auf der Bühne ist ein gern verwendetes Bild. Aber nicht immer ist die offensichtliche Aussage so überzeugend wie in Peter Konwitschnys Inszenierung von Wagners wohl genialstem Werk. Johannes Leiacker hat eine kleinere Bühne in das Schwarz der großen Bühne des Münchner Nationaltheaters gestellt. Abgesehen von der inhaltlichen Bedeutung hat er sich damit nebenbei auch die Dankbarkeit der Sitzzwerge und Seitenplatzinhaber verdient: Gute Sicht von (fast) allen Plätzen.

Leiacker hat auch den Vorhang des Hauses nachgestaltet, nur dass der auf der Innenbühne wie die frühere Bayreuther "Wagnergardine" schräg zu den Seiten aufgezogen wird. Bilder und Kostüme sind realistisch, sachlich und vor allem logisch. So lässt sich das weiße Edelschiff des ersten Aktes vor- und zurückfahren und damit können die beiden Schauplätze auch räumlich getrennt erscheinen. Das ist nicht nur praktisch, sondern vermeidet auch den Erklärungsbedarf, warum wer was nicht hört, obwohl er nur wenige Meter vom anderen entfernt steht. Vorübergezogenwerdende Wolken auf dem Hintergrundprospekt simulieren die Fahrt des Schiffes und tragen zur Ästhetik des Bühnenbildes bei.

Und es sind Menschen auf der Bühne. Keine Heroen, keine Kunstfiguren. Auch ein Herr Tristan muß sich rasieren und wird dabei von Brangäne gestört. Vom Wunsch Isoldes überrascht, erscheint er bei ihr im wagnerisch samtroten Morgenmantel, darunter den Harnisch und darüber das Rasierhandtuch. Das kann auf Isolde provokativ, vertraut oder einfach nur tüddelig wirken, auf jeden Fall aber nicht gestelzt. Isoldes Brautkleid lohnt allein schon für den Moment indem sie sich den Schleier herunterreißt. Der Kontrast des weißen Brautkleides für die Hochzeit mit König Marke zum einfachen schwarzen langen Kleid in dem sie mit Tristan die Liebe in einer anderen Welt erlebt, spricht seine eigene Sprache.

Oft sieht man auf der Bühne keinen Liebestrank. Auch in München ist er nicht der Auslöser. Brangäne kippt ihn über die Reling. Der Cocktail, den Tristan und Isolde dann trinken - der zuvor Brangäne und Isolde vom Jungen-Seemann-Stewart serviert wurde - ist allenfalls eine Enthemmungshilfe. Angesichts der Tatsache nichts mehr zu verlieren zu haben, lassen sie die echten Gefühle für einen - vermeintlich - letzten Augenblick zu. Dann nimmt das Drama seinen Lauf. Die Liebe kurz vor dem Tod wäre einfacher, als die Konsequenz der lebendigen Liebe, die nach dem Erleben schreit.

Der zweite Akt zeigt einen halbrunden Prospekt mit üppigem Baumwipfelgrün und rotbraunen Baumstämmen. Die gummiartige Fackel wirkt etwas befremdlich, aber der Scheinwerferhimmel, der bei ihrem Erlöschen aus der Obermaschinerie herniederfährt und die Szene ausleuchtet, zeigt, dass hier die Liebe zu strahlen beginnt. Das unpraktisch harte Kuschelsofa, das Tristan praktischerweise mitbringt (dafür aber in der hier besprochenen Aufführung seinen Einsatz verpasst) hat schon etwas dezent Lächerliches. Die Kerzen die er aus dem Mantel zieht und an denen sie sich - anstatt gegenseitig an sich - die Pfötchen wärmen, wirken unschuldig kindlich, so als ob sie nun endlich die heißersehnte Gelegenheit bekommen, aber nicht so genau wissen, was sie nun tun sollen.

Mit dem Erscheinen der Jagdgesellschaft erlischt alle dezente Beleuchtung. Von der Hinterbühne strahlt blendend ein blauer Scheinwerfer in den Zuschauerraum. Grelle Realität. Erstmals wird hier auch die Innenbühne verlassen und der kurze Vorraum der großen Bühne zur zweiten Symbolebene. Die Wechsel zwischen Wunsch und Realität, Dasein und Fliehen wird raumsymbolisch ausgedeutet. Transzendenz in Bildern. Nachdem sich Tristan in Melots Schwert gestürzt hat, wird der kleine Vorhang vor Isoldes Nase zugezogen. Von der Todeswelt ist sie (noch) ausgeschlossen.

In einem kahlen Raum, dessen Fenster dringend geputzt werde müsste, gibt sich Tristan vor einer Diaserie seinen Erinnerungen hin. Ein oller Rippenheizkörper und ein unbequemer Sessel sind die wenigen weiteren Requisiten. Auch hier blanke Realität, kein ästhetisch aufbereiteter Schmutz in dem verkommenen Kareol. Kurwenal versucht Isolde herbeizugucken. Ein insgesamt angemessen trostloses Bild.

Konwitschny befasst sich nicht mit der Todessehnsucht. Isoldes jubelnder Gesang im Liebestod ist für ihn nicht das Glück der erfüllten Sehnsucht nach dem gemeinsamen Todsein. Dieses letzte Erlebnis der beiden Liebenden, die ihre Liebe zueinander im Leben nicht erleben können, stellt Konwitschny als Tod, als Ende in Frage. Er stellt die Frage, ohne den Schluß des Werkes umzuschreiben, ohne zu schockieren oder zu provozieren. Nachdem Tristan und Isolde wie Nachtgestalten in ganz einfachen langen schwarzen Gewändern miteinander außerhalb der Innenbühne auf ein neues Leben zugegangen sind, öffnet sich der Vorhang dieser Innenbühne - den sie zuvor wie als Weltabschied zugezogen haben - erneut und zeigt Marke und Brangäne als Trauernde vor zwei weißen Särgen. Ein starkes Schlussbild.

Konwitschnys Inszenierung strotzt vor Lebendigkeit, aber nicht vor unsinnigem Aktionismus. So zeigt seine Personenregie spannend wahrhaftige, lebendige Menschen, deren Handeln (fast) immer nachvollziehbar bleibt, ohne dabei trivial zu werden. Auch in der diesjährigen Wiederaufnahme stehen ihm dafür außergewöhnliche Sängerdarsteller zur Verfügung.

Waltraud Meier wird weltweit als eine der großartigsten Interpretinnen der Isolde gefeiert. Mit allem Recht, wie sie in München wiederum bewies. Sie hat diese Partie in den letzten Jahren scheinbar immer tiefer verinnerlicht, durchlebt die Isolde bis in die Fingerspitzen, singt Nuancen, die berühren und verblüffen, bewegen und erschüttern, beglücken und erheben. Die Dimension des "in des Welt-Atems wehendem All" lässt sie den Zuhörer geradezu körperlich spüren. Vielfarbig strahlende Spitzentöne, kluge und ausdrucksvolle Phrasierungen lassen über zuweilen auftretende leichte Schärfen und kleine Wackler gern hinwegsehen.

Christian Franz geht bei der Wahl der Mittel zur Gestaltung seines musikalischen Psychogramms des Tristan noch weiter. Wenn es angebracht ist markiert er, lässt vereinzelte Töne und Bögen brechen und bedient sich auch schon mal des Sprechgesangs. Er kann es sich erlauben, denn auch er beherrscht die Partie bis ins Detail und lässt das immer wieder spüren und hören. Mit wie viel Stimmkultur und Stimmschönheit er im dritten Akt zeigt, dass die Fieberphantasien keine reinen Phantasien, sondern Erinnerungen und Erkenntnisse sind, das ist schon etwas ganz besonders.

Anfänglich irritiert es ein wenig, dass das Timbre der Brangäne heller ist, als das der Isolde. Petra Lang schmeißt sich mächtig ins Zeug, singt mit Leib und Seele, auch auf die Gefahr hin, dass einzelne Töne nicht ganz so schön klingen. Wolfgang Brendel gibt mit stimmgewaltigem, sattem Bariton einen freundschaftlich-freundlichen Kurwenal, gelegentlich vernimmt man aber etwas eigenwillige Intonationen. Jan-Hendrik Rootering hat den Marke in dieser "Tristan"-Serie für den erkrankten Kurt Moll übernommen. Mit seinem großen aber etwas schwerfälligen Bass gibt er einen gutmütigen König, sehr ordentlich, aber kaum mehr.

Die wundervollen und verblüffenden Nuancierungen, mit denen vor allem Waltraud Meier und Christian Franz ihre Partien sublim zum Leben erwecken gehen besonders im ersten Akt zu häufig im zu oft zu lauten Orchesterklang unter. Zubin Metha leitet die Aufführung mit der gewohnten Routine ohne Fehl und Tadel, dürfte die Partitur aber gern mit etwas mehr Sensibilität, Elan und Akzentsetzungen in Klang umsetzen. Das wäre auch dem exzellenten Orchester angemessen. Zwar findet er im zweiten und dritten Akt zu mehr Ausdruckskraft, aber man hat schon viel spannendere "Tristan"-Dirigate gehört.


FAZIT

Eine in den Titelpartien geradezu ideal besetzte Wiederaufnahme einer ästhetischen und doch spannenden Inszenierung.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Zubin Metha

Inszenierung
Peter Konwitschny

Bühne und Kostüme
Johannes Leiacker

Dramaturgie
Werner Hintze

Choreinstudierung
Andrés Máspero


Chor der Bayerischen
Staatsoper

Bayerisches Staatsorchester


Solisten


Tristan
Christian Franz

König Marke
Jan-Hendrik Rootering

Isolde
Waltraud Meier

Kurwenal
Wolfgang Brendel

Melot
Francesco Petrozzi

Brangäne
Petra Lang

Ein Hirte
Kevin Conners

Ein Steuermann
Christian Rieger

Ein junger Seemann
Ulrich Reß


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Bayerischen Staatsoper München
(Homepage)





Da capo al Fine

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