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Musiktheater
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Königskinder
Märchenoper in drei Aufzügen
von Engelbert Humperdinck
Text von Elsa Bernstein-Porges
(unter dem Pseudonym Ernst Rosmer)



Aufführungsdauer: ca. 3 Stunden 30 Minuten (eine Pause)

Premiere am 29. Oktober 2005
Besuchte Aufführung am 12.11.05

Logo: Staatsoper München

Bayerische Staatsoper München
(Homepage)

An allem war der Spielmann Schuld

Von Bernd Stopka / Fotos von Wilfried Hösl

Mit seiner Märchenoper "Hänsel und Gretel" hat sich Engelbert Humperdinck eine festen Platz in den Opernspielplänen und in den Herzen der Opernfreunde verschafft. Neben Mozarts "Zauberflöte" ist "Hänsel und Gretel" für viele, die erste Oper, die sie auf der Bühne gesehen haben. Diese Popularität ist unter Humperdincks Opern - insgesamt immerhin sechs - einmalig. Einzig die "Königskinder" kommen gelegentlich noch einmal zur Aufführung.

Die erste Fassung (UA 1897) dieses Kunstmärchens von Elsa Bernstein-Porges, die den Text unter dem Pseudonym Ernst Rosmer verfasste, war ein Melodram, dessen Material Humperdinck teilweise zu einer verschlankten, durchkomponierten Oper verarbeitete, die am 28. Dezember 1910 an der MET uraufgeführt wurde. Damals zunächst sehr beliebt, verschwand das Werk jedoch bald aus den Opernhäusern.

Es ist eine sehr künstliche Geschichte, die starke, witzige und geistreiche Momente hat, aber auch über lange Strecke ein bisschen zäh und bemüht wirkt. Das gilt auch für die Musik, die nicht so eingängig, dafür aber vielfältiger und reicher ist, als die des Meisterwerks des Meisters. Doch diese Vielfalt wirkt auch uneinheitlich und gelegentlich hat man das Gefühl, dass der Suppe etwas Würze fehlt. Bei manchen Werken ist es schon verständlich, dass sie nur noch selten aufgeführt werden...

Sir Peter Jonas, Münchens scheidender Staatsintendant, erfüllte sich einen langgehegten Wunsch indem er die "Königskinder" auf den Spielplan des Nationaltheaters setzte. Mit der Inszenierung hat er Andreas Homoki betraut, der in den Bühnenbildern von Wolfgang Gussmann eine bayuwarische Schrankoper inszeniert hat.

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Annette Dasch (Gänsemagd), Robert Gambill (Königssohn)
und Roman Trekel (Spielmann)

Und das ist ganz wörtlich zu nehmen. Ein Kleiderschrank auf der Mitte der Bühne ist das zentrale Bühnenelement, dient als Hexenhaus und Gasthaus. Geradezu entzückend mutet es an, wenn Königssohn und Gänsemagd auf dem Schrank sitzend erste, aber deutliche Annäherungsversuche machen ("Willst Du mein Maienbuhle sein?"). Aber das In-den-Schrank-aus-dem-Schrank von Hexe, Spielmann und Gänsemagd greift sich schnell ab.

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Robert Gambill (Königssohn) und
Annette Dasch (Gänsemagd)

Zwei Seitenwände begrenzen die Szene die wie ein offenes Dreieck mit der Spitze zum Hintergrund der Bühnenmitte erscheint. Sie zeigen einen kindlich gemalten Wald, der auf dem Kopf steht. Das scheint ein Bild der Gänsemagd zu sein, die während des ersten Aktes gern Blumen und Bäume malt. Wenn sich der Bannzauber löst und die Gänsemagd mit dem Spielmann fliehen kann, löst sich der Wald vom weißen Hintergrund. Im dritten, trostlosen Akt steht zunächst nur noch der weiße Hintergrund, der am Schluß dann auch ganz verschwunden ist. Das erinnert an Märchenbücher in denen sich beim Aufklappen Papierelemente auffalten und so einen dreidimensionalen Effekt entstehen lassen.

Gänse wie aus dem Holzspielzeugladen (weiße, und eine graue, ganz wie im Text vorgegeben) lassen sich gut hüten und einfach einsammeln. Als Mitarbeiter der Stadtreinigung und als Mitarbeiter der Stadtverwaltung erscheinen der Holzhacker und der Besenbinder, die Abgeordneten der königssuchenden Hellastadt.

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2. Akt

Diese Hellastadt, das Bild des zweiten Aktes, liegt in einem rosa Bayern. Flaggen, Kostüme, Typen, alles wirkt klischeehaft bayrisch, nur eben nicht weiß-blau, sondern weiß-rosa, die Kostüme haben allerdings auch orange Elemente. Das beißt sich farblich. Als irgendetwas zwischen Oktoberfestbedienung und Nutte ist die den Königssohn anbaggernde Wirtstochter kostümiert.

Ohne Pause geht der zweite in den dritten Akt über. Weiße Papierblätter fallen wie Schnee, der Schrank liegt auf dem Rücken (= das Hexenhaus wurde zerstört). Schwelgende Geigen und singende Kinder erreichen spätestens hier die musikalische Kitschgrenze. Da hat Humperdinck doch etwas sehr auf die Rührungstränendrüse gedrückt. Dabei hätte er das gar nicht nötig. Die Verzweiflung der Liebenden im dritten Akt ist zwar furchtbar weit ausgewalzt, aber über lange Strecken auch sehr anrührend und tiefschürfend. Und dazu ist Homoki auch einer der stärksten Momente in der Personenregie gelungen. Wie sich die beiden, alt und grau geworden, in weißen Kleidern und grauen Puschen, abwechselnd im Rollstuhl durchs Leben schieben, wie sie sich gegenseitig stützen - einer allein kann nicht (be)stehen, aber zu zweit geht es - das berührt, das geht in die Tiefe.

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Talia Or (Töchterchen) und
Roman Trekel (Spielmann)

Als Drahtzieher des Ganzen ist der Spielmann ständig auf der Bühne präsent - eine Idee des Regisseurs. Ein spannenlanger Hansel, dabei very british mit rotem Haar, Charme und Melone. Doch als Drahtzieher ist er auch der Sündenbock und wird am Ende des zweiten Aktes mit rosa Baseballschlägern zusammengeschlagen. Ergraut und gealtert ist er es, der am Ende die Bilanz zieht ("Verdorben! Gestorben!") und als Schlussbild die zerbrochene Krone zusammenfügt, auf den Souffleurkasten legt und dann den Hut ziehend den Vorhang schließt. Sein Plan ist gescheitert.

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Annette Dasch (Gänsemagd)

Sängerisch gehört der Abend eindeutig Annette Dasch als Gänsemagd. Mit Ihrer wunderschönen, klaren, absolut präzise und intonationssicher geführten Stimme verleiht sie zunächst der putendummen Gänsemagd einen naiv mädchenhaften Charakter, der voller Sehnsucht nach Menschen ist. Nach der Enttäuschung durch die Menschen und nach dem Erleben der Liebe, klingt die Stimme reifer und ernster. Eine klug und kunstvoll gestaltete Interpretation der Partie. Wunderbar!

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Robert Gambill (Königssohn)

Der Königssohn ist nicht als edler Schönling, sondern als blonder, etwas tumber und frecher Naivling gezeichnet. Robert Gambill hat eine schöne Mittellage. In der Höhe, die durchaus Strahlkraft haben kann, klingt die Stimme auch mal heldisch rau oder gepresst. Für den ersten und zweiten Akt wäre vielleicht ein weniger heldischer als ein mehr lyrischer Tenor angenehmer. Der dritte, stellenweise geradezu tristaneske Akt hat wiederum mehr heldische Anteile. Alles in allem eine höchst anspruchsvolle und anstrengende Partie, was dann auch gelegentlich, besonders deutlich im dritten Akt, hörbar wird. Dennoch: achtbar gemeistert.

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Roman Trekel (Spielmann) und
Annette Dasch (Gänsemagd)

Roman Trekels Bariton zeichnet sich durch exzellente Artikulation aus, er besitzt die Stimmkultur des Liedsängers, aber nicht immer das nötige Stimmvolumen. Sein Spielmann ist ein edler Schöngeist, keiner der heiter zum Tanz auffidelt. Daniel Lewis Williams gibt einen durchschlagenden, auch stimmlich eher rohen Holzhacker und Ulrich Ress ist mit seinem hellen, köstlich frechen Tenor ein toller Besenbinder.

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Dagmar Pecková (Hexe) und
Annette Dasch (Gänsemagd)

Dagmar Peckovà könnte die Partie der Hexe (im dunkelgrünen Kostüm und mit roten Haaren) auch gern in mehr Passagen wirklich singen. Das Stimmmaterial hat sie ja. Sie versucht stimmlich Dämonie zu erzeugen, und erreicht damit zuweilen ein unschönes Gekeife. Nun hat sie es auch nicht gerade leicht mit dem Text, der ihr in den Mund gelegt ist. "Ein roter Tau fiel mitternächtig, der macht die nassgrünen Molche trächtig" - da bleibt doch kein Auge trocken! Szenisch eindrucksvoll ist ihre Kunst den Besenritt anzudeuten. Das Fluggerät scheint sie regelrecht mitzureißen und lässt ihr Abheben hinter der Szene ahnen.

Chor und Kinderchor der Bayerischen Staatsoper gehören genauso wie das Orchester zur Extraklasse. Einfach exzellent. Bei Fabio Luisi ist die Partitur in besten Händen. Er holt mit Elan und Lebendigkeit, geistreich und schwelgend, aufs Detail bedacht, aber nie den großen Bogen verlierend aus der Partitur heraus, was nur herauszuholen ist.

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Annette Dasch (Gänsemagd) und
Robert Gambill (Königssohn)


FAZIT

Eine reizvolle Begegnung mit einem selten gespielten Werk, das auf der Bühne seine Stärken, aber auch seine Schwächen offenbart. Auch die szenische Umsetzung ist trotz vieler reizvoller Ideen nicht so ganz rund gelungen. Für ein Märchen zu realistisch, für ein Drama zu spielerisch. Musikalisch sind Fabio Luisis Dirigat und Annette Dasch als Gänsemagd echte Ereignisse.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Fabio Luisi

Inszenierung
Andreas Homoki

Bühne
Wolfgang Gussmann

Kostüme
Wolfgang Gussmann
und Susana Mendoza

Licht
Franck Evin

Choreinstudierung
Andrés Máspero


Chor der Bayerischen
Staatsoper

Bayerisches Staatsorchester


Solisten


Königssohn
Robert Gambill

Gänsemagd
Annette Dasch

Spielmann
Roman Trekel

Hexe
Dagmar Peckova

Holzhacker
Daniel Lewis Williams

Besenbinder
Ulrich Reß

Ein Kind
Talia Or

Ratsältester
Gerhard Auer

Wirt
Rüdiger Trebes

Wirtstochter
Heike Grötzinger

Schneider
Kenneth Robertson

Stallmagd
Jana Kurucová

Zwei Torwächter
Gedvidas Lazauskas
Ingolf Kumbrink


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Bayerischen Staatsoper München
(Homepage)





Da capo al Fine

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