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König im Sumpf
Von Christoph Wurzel / Fotos von Jacqueline Krause-Burberg (Karlsruhe) "Glückliches Kreta! Ich Glücklicher!" - dies sind laut Libretto die letzten Worte der Titelfigur dieser Oper, nachdem er seinem Volk den Frieden verkündet hat. Danach folgt die ausführliche Ballettmusik zur Feier der neuen Herrschaft des Landes. In der Karlsruher Produktion geht der König von Kreta am Schluss ins Meer und versinkt zum Staunen des Publikums tatsächlich in den Tiefen des Wassers, welches sich am Bühnenboden gesammelt hat. Noch ein weiteres "Opfer" hat diese Inszenierung aber zu verzeichnen: Elettra, die vor Eifersucht Wahnsinnige, hat sich während ihrer letzten Arie ( "D`Oreste, d´Aiace" aus dem meist gestrichenen Material der Münchner Uraufführung) die Feuerleiter hinaufgehangelt und danach aufgehängt. Nur zwei Sensationen in einer mit plakativen Effekten nicht geizenden Produktion. So unterschiedlich können die Wege zu Mozart sein: einen Abend zuvor gab es in Frankfurt den Titus als subtil psychologisches Kammerspiel. Hier in Karlsruhe hat Regisseur Robert Tannenbaum eher auf Breitwandformat gesetzt und auf äußere Effekte. Das übermächtige Bühnenbild, die preiswürdig hässlichen Kostüme und die faustdick aufgetragene Schminke tun ein Übriges, um diese Mozartoper eher in der Reihe "Kolossalschinken" einzuordnen. An der musikalischen Seite jedenfalls lag es nicht unbedingt, dass dieser Idomeneo, Mozarts fulminante Sturm-und-Drang-Oper, so wenig berühren konnte, so gekünstelt oberflächlich blieb. Denn dem Badischen Staatstheater standen hervorragende junge Solisten zur Verfügung, allen voran der bravouröse Bernhard Berchtold als Idomeneo. Aber was Regisseur Robert Tannenbaum ihn nicht alles spielen lässt: nicht nur ins Wasser muss er gehen, über die Bühne muss er robben und während der Arie "Fuor del mar ho un mar in seno" sich mit einem Messer schwere Verletzungen beibringen. Dies alles mag dem Ausdruckspektrum von Text und Musik im Kern entsprechen. Das Missverständnis dieser Inszenierung liegt aber darin, dass diese Affekte nicht vorrangig musikalisch, sondern durch vergröberte Gestik erzeugt werden und die Musiksprache so dick übertünchen wie die Schminke das Gesicht des Sängers. Wie in schlechten Filmen eine aufdringliche Musik die Stimmung machen muss, so soll hier eine überstrapazierte Optik offensichtlich die Musik verstärken. Nur, dass sie das nicht nötig hätte, weil Mozarts Meisterwerk viel besser für sich sprechen kann. Einem modischen Trend zu allzu greller Bebilderung ist man hier ganz offensichtlich total erlegen. Janja Vuletic ( Idamente), Bernhard Berchtold (Idomeneo),Inga Schlingensiepen (Ilia) und Rosita Kekyte (Elletta)
Die Grundidee der Inszenierung liegt in dem Gegensatz zwischen der unerbittlich unmenschlichen, archaischen Forderung des Gottes Neptun, dass Idomeneo seinen Sohn gemäß seinem Gelübte opfern müsse und der Stimme des Orakels, die als Verkünder der aufgeklärten, humanen Ethik in das brutale Geschehen eingreift. Von dieser Verortung der Handlung im Dunkel der Vorgeschichte leitet das Regieteam offensichtlich das ganze Bühnenambiente ab: den schiefergrauen Bühnenkasten aus uneben belassenen Wänden seitwärts und oben, der wie der Bauch eines Fährschiffes wirkt mit großer Öffnung nach hinten zum weiten Meer; die lumpenartigen Nomadenkostüme, deren Konsequenz nur in der Schlussszene durch das klassizistisch edel geformte Gewand des neuen Herrschers Idamente durchbrochen wird; die ebenso ausgiebig wie grob verwendete Schminke und die stellenweise penetrant monochrome Beleuchtung. Die Sängerleistungen waren zumeist brillant. Neben dem stimmstarken und koloratursicheren Bernhard Berchtold als Idomeneo, dem die berühmten "geschnittenen Nudeln" ganz glatt durch die Kehle rutschten, glänzte Inga Schlingensiepen als ausdrucksstark lyrische Ilia, hielt tapfer gegen die massige Bildwelt an und gestaltete vor allem ihre Arie ("Se il padre perdei") im 2. Akt zu einem anrührenden Stück Mozartscher Musik. Janja Vuletic, die jüngst beim Wiener Belvedere- Gesangswettbewerb gleich 6 Preise einheimste, sang einen charakterfesten Idamente mit schöner und starker Stimme und klarer Gesangslinienführung. Die vom Wahnsinn geplagte Elletra gab Rosita Kekyte mit hoch angespannter, sicher geführter und gestochen scharfer Koloraturstimme. Etwas farblos dagegen gestaltete John Pickering die Arbace-Arien - mit der Höhe hatte er etwas Mühe.
John Pickering (Arbace) und
Am Pult bemühte sich Jochem Hochstenbach um einen dramatischen Orchestersound, das Klangbild blieb aber zu wenig profiliert, die ungeheure Farbigkeit dieses Mozartschen Geniestreichs bleib hinter den Möglichkeiten zurück. Zudem wurde nicht selten zu laut musiziert - auf Kosten der Differenzierung.
Wir meinen: Mozarts Oper wurde ins falsche Format gepresst. Weder sein Realismus, noch seine Poesie schienen hervor. Die Bühne war alles andere als die Dienerin der Musik. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Dramaturgie
Choreinstudierung
SolistenIdomeneo,König von Kreta Bernhard Berchtold
Idamante,
Ília,
Elettra,
Arbace,
Oberpriester des Neptun
Die Stimme des Orakels
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