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Liebesverirrungen auf der BaustelleVon Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu
Der erste Akt von Brittens A Midsummer Night's Dream gehört soweit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein romantisch geprägtes Kunstverständnis zugesteht - mit seiner schwebenden, kunstvoll unbestimmten Musik sicher zum Schönsten, was in man dieser Zeit für die Opernbühne komponiert wurde. In der mehr formal strukturgebenden als leitmotivisch verwendeten Glissando-Figur, die den Akt geradezu überwuchert wie eine geheimnisvolle Pflanze, verschwimmt die Realität zugunsten einer träumerischen, nicht fasslichen Stimmung. Für das Rätsel dieser Sommernacht und die Gestalten, die sich nächtens im Wald herumtreiben, hat Britten eine ungemein farbige, sprechende Musik geschrieben. Wenn ein Regisseur dies halbwegs gekonnt aufgreift, ist der Abend beinahe schon gerettet. Titanias Gesundheitsschlaf wird durch Oberons Zaubereien nachhaltig gestört: Franco Fagioli und Sigrún Pálmadóttir
Shakespeares Verirrungen der Sommernacht sind Traumgespinste, keineswegs an einen konkreten Ort oder Zeit gebunden. In der Inszenierung von Silviu Purcarete im Bühnenbild von Helmut Stürmer gibt es folglich keinen nächtlichen Wald, sondern das Innere eines Hauses mit surrealen Zügen. Die Decke besteht aus Holzlatten, die an den Bühnenboden eines Theaters der Shakespeare-Zeit erinnern, und in der Mitte steht auf der (eifrig genutzten) Drehbühne ein kleines Theater. Dieses Haus versinkt, man kann es im Programmheft nachlesen, im Sand (tatsächlich sieht es eher nach einer Baustelle aus). Insgesamt funktioniert das, nicht zuletzt wegen der zwar wirkungsvollen Ausleuchtung (Licht: Klaus Richter) recht gut, auch weil die Regie bewusst Kontrapunkte setzt: Im Dunkel der Nacht lauern womöglich auch Ungeheuer. Die Elfen etwa sind glatzköpfige Kobolde, von denen man nicht ganz sicher sein kann, ob von ihnen nicht doch ein Restrisiko ausgeht. Liebesverirrungen in der Sommernacht: von links Franco Fagioli (Oberon), Anjara I. Bartz (Hermia), Donát Havár (Lysander), Irina Oknina (Helena) und Demetrius(Aris Argiris)
Klangbeispiel:
"Come, now a roundel and a fairy song" (1. Akt) - Titania (Sigrún Pálmadóttir)
Klangbeispiel:
"Philomel, with melody sing in our sweet lullaby" (1. Akt) - Feen und Elfen (Kinder- und Jugendchor)
Klangbeispiel:
"I know a bank where the wild thyme blows" (1. Akt) - Oberon (Franco Fagioli)
Purcarete inszeniert wohltuend werkimmanent, wagt allerdings kaum einen interpretatorischen Blick über den Rand des Dramas hinaus. Das Elfenkönigspaar Oberon / Titania erscheint in schweren barocken Gewändern, und das Athener Herrscherpaar Theseus / Hippolyta trägt im dritten Akt die gleichen, nur weniger farbigen Gewänder. Puck vom Schauspieler Wolfgang Rüter mit souveräner Lässigkeit gespielt ist ein schlecht rasierter Diener und eine Mischung aus Clown und Trenchcoat-Kommissar Columbo. Die streitbaren Liebespaare Lysander / Hermia und Demetrius / Helena könnten von der Regie sicher noch schärfer konturiert werden. Viel Sympathie bringt Purcarete den schauspielernden Handwerkern entgegen, die er das Spiel im Spiel mit viel Selbstironie vorführen lässt. Insgesamt gelingt die differenzierte, solide gearbeitete Personenregie überzeugend und wird sehr engagiert vom spielfreudigen Ensemble umgesetzt. Zum Esel gemacht: Bottom (Martin Tzonev); Flute (Mark Rosenthal, links), Snug (Krzysztof Borysiewicz), Starveling (Sven Bakin), Quince (Rúni Brattaberg) und Snout (Josef Michael Linnek) schauen betroffen
Musikalisch überzeugt vor allem die geschlossene Ensembleleistung angeführt vom zuverlässig und farbenreich aufspielenden Beethoven Orchester unter der Leitung von Wolfgang Lischke. Sehr präsent, strahlend im Klang und von Florian Pastell und Peter Davies bestens einstudiert präsentiert sich der Kinder- und Jugendchor des Theaters. Unter den Sängern ragt Martin Tzonev als Weber Bottom, der in einen Esel verwandelt wird, heraus mit eben so sonorem wie agilem Bariton und großer Bühnenpräsenz wird er neben dem allgegenwärtigen Puck zur zentralen Bühnengestalt. Grundsolide singt Franco Fagioli die exponierte Countertenor-Partie des Oberon, die man freilich auch schon markanter gehört hat. Mühelos, aber angemessen gewichtig und artifiziell kommen die Koloraturen der Titania von Sigrún Pálmadóttir. Unter den Liebespaaren besticht Bariton Aris Argiris mit schönem und eindringlichem Bariton; der etwas verhaltene Tenor von Donát Havárs Demetrius kann da im Punkte Schmelz nicht mithalten. Anjara I. Bartz (Hermia) und Irina Oknina (Helena) könnten, so schön sie auch durchweg singen, stimmlich ihren Figuren noch mehr Eigenleben verleihen. Vera Baniewicz ist eine recht farblose Hippolyta, Andrej Telegin ein souveräner Theseus. Repräsentativ: Oberon (Franco Fagioli) und Titania (Sigrun Pálmadóttir) mit Elfen (Kinder- und Jugendchor des Theater Bonn)
Auch wenn sich der ganz große stimmliche Glanz nicht ausbreitet, kann sich die Aufführung hören lassen. Dass der Produktion trotzdem ein Hauch von Oberflächlichkeit anhaftet, liegt daran, dass sich die Regie hier und da in unnötigen Albernheiten verliert und letztendlich mit dem Bühnenbild nichts anzufangen weiß. Wozu in aller Welt zieht eine Modelleisenbahn auf der Bühne ihre Kreise? Auch eine offen liegende Wasserleitung, ein richtiges Eisenbahngleis (einmal werden die Protagonisten auf einem Eisenbahnwagen hereingefahren) und selbst die kleine Bühne auf der Drehbühne (nicht einmal die Handwerker spielen, was nahe liegen würde, ihr Spiel hier) wirken letztendlich überflüssig. Das mögen Kleinigkeiten sein, aber sie verhindern, dass ein konzentriertes Gesamtbild entsteht.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Licht
Einstudierung Kinderchor
Dramaturgie
SolistenOberon, der König der ElfenFranco Fagioli
Titania, Königin der Elfen
Puck
Theseus, Herzog von Athen
Hippolyta, Königin der Amazonen
Lysander
Demetrius
Hermia
Helena
Bottom, der Weber
Quince, der Zimmermann
Flute, der Bälgenflicker
Snug, der Schreiner
Snout, der Kesselflicker
Starveling, der Schneider
Cobweb
Peaseblossom
Mustardseed
Moth
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