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Weniger kann mehr sein
Von Ina Schabbon
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Fotos vom Theater Basel
Ein sich nach hinten verjüngender weißer Kasten, in einigen Szenen abgeschlossen durch drei mobile Elemente - mehr braucht es nicht, um eine packende, unglaublich intensive Deutung des Rigoletto auf die Bühne zubringen: Keine weiteren Kulissen, keine Requisiten lenken ab, die Kostüme (Michaela Barth) könnten ganz normale Alltagsgarderoben der Darsteller sein. Des Feierns überdrüssig: Festgesellschaft beim Herzog Mehr braucht es nicht, wenn man mit Künstlern arbeiten kann, die diesen scheinbaren Mangel mit ihrer Darstellung zu kompensieren in der Lage sind. Michael Thalheimer, nach seiner gefeierten Katja Kabanova an der Staatsoper Berlin auch ein gefragter Opernregisseur, hatte in Basel dieses Glück. So ist ihm eine fast kammerspielartige Umsetzung des oft reichlich abgespielt wirkenden Stücks gelungen. Die teilweise beinahe konzertant wirkende Aufführung spürt sensibel dem heiklen, oft ambivalenten Verhältnis von Opfersein und Täterschaft nach. Alles scheint zwanghaft stattzufinden: Rigoletto weist teils spastische, teils autistische Züge auf, Gilda spiegelt ihr durch den Vater fremdbestimmtes Wesen in den Vater-Tochter-Szenen in puppenhafter Körperhaltung - fast unerträglich anzuschauen, wie ihre Arme, die der Vater immer wieder versucht, vor ihrer Brust zu kreuzen, sofort leblos nach unten fallen, sobald er loslässt - und in nervösem Armkratzen wider. Der Herzog wirkt zunächst übersättigt von seinem ausschweifenden Leben, das in der ersten Szene mit gelangweilt blickenden Höflingen, vor deren Augen die Vergewaltigung der Gräfin und die Verhöhnung von deren Mann stattfindet, als völlig sinnentleert dargestellt wird. Auch hier scheint das zwanghafte zu dominieren, keiner ist mit dem, was er tut, bei der Sache. Vater und Tochter (Maya Boog und Anooshah Golesorkhi]
Leben und Bewegung kommt erst in die Sache, als die drei Protagonisten nach und nach aus ihrer Erstarrung erwachen, ausgelöst durch die Begegnung Gildas mit dem Herzog: Indem sie sich den Verboten ihres Vaters widersetzt, handelt sie selbstbestimmt, der Herzog scheint Gilda gegenüber plötzlich echte Gefühle zu empfinden und Rigoletto muss den Höflingen gegenüber auf der Suche nach der entführten Tochter seine Maske abnehmen, unter der die schiere Verzweiflung zum Vorschein kommt. Aber dieser Ausbruch ist nur von kurzer Dauer, und so steuert das Stück wieder wie unter Zwang der Katastrophe entgegen. Gilda beschließt, sich zu opfern (Rita Ahonen, Maya Boog, Pavel Kudinov] Getragen wird die Inszenierung von der grandiosen Leistung der Darsteller. Allen voran Anooshah Golesorkhi, der mit seinem ausdrucksstarken und kräftigen Bariton und einer ebenso ausdrucksstarken Mimik und Körpersprache einen schier atemberaubend intensiven Rigoletto gestaltet. Ebenso intensiv die bestürzend makellos singende Maya Boog als Gilda. So gesungen überzeugen sowohl "Caro nome" wie auch die Sterbeszene im letzen Akt als großartige Musik. Der am Theater am Gärtnerplatz in München engagierte und wohl sehr kurzfristig eingesprungen Harrie van der Plas gibt den Herzog mit hellem, leider etwas gestaut wirkendem Tenor, Pavel Kudinov einen dämonischen Sparafucile und Rita Ahonen eine halb verführerisch-abgebrühte halb naive Maddalena. Herrlich präsent, klangschön und schlagkräftig der Herrenchor, tadellos vorbereitet von Henryk Polus. Das Sinfonieorchester Basel trifft unter Marko Letonja den richtigen Verdi-Ton. Kleine Wackler in den Flöten bei der heiklen Gilda-Arie fallen nicht ins Gewicht.
Fazit: Ein Abend mit Weltstadt-Niveau auf allen Ebenen.
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Produktionsteam* Besetzung der rezensierten Aufführung
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Chorleitung
Dramaturgie
SolistenHerzog von MantuaDaniel Kirch / Bülent Külekçi / *Harrie van der Plas
Rigoletto, Hofnarr
Gilda, seine Tochter
Sparafucile
Maddalena, seine Schwester
Giovanna
Graf von Monterone
Marullo
Borsa
Graf von Ceprano
Gräfin von Ceprano
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