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Ganz großes Kino?
Von Artie Heinrich / Fotos von Monika Rittershaus Die Oper Alcina, ein in unserer Zeit viel gespieltes Meisterwerk Händels, bietet mit ihrer Handlung auf der Trauminsel der titelgebenden Zauberin zahlreiche Deutungsmöglichkeiten für das moderne Regietheater. David Alden hat sein Händchen für die Barockopern des Halleschen Genius schon mehrfach in glanzvollen und intelligenten Inszenierungen bewiesen. Für die Aufführung an der Komischen Oper in Berlin wählte er sich das Kino aus als die magische Traumwelt, die den Helden Ruggiero aus dem Alltag entführt, weg von der Verlobten Bradamante in die Arme der Diva Alcina. Ein Konzept, das größtenteils aufgeht und ohne größere Probleme über die ganze Länge der Oper durchgehalten werden kann -- und vielfältige Möglichkeiten für allerlei Zitate der Popkultur bzw. Kinowelt liefert. Dies ist schön anzusehen, wenn es glamourt und glitzert, wogegen der graue Alltag in der Baufälligkeit des maroden Kinos (Ausstattung: Gideon Davy) karg, trist und ernüchternd trostlos daherkommt. Man versteht, warum jemand einer solchen Realität entfliehen möchte. Brigitte Geller (Morgana),Ewa Wolak (Bradamante) Die Beleuchtung (Franck Evin) passt sich oft dem schummrigen Halbdunkel eines Kinosaales an und lässt damit die Sänger gelegentlich im Dunkeln stehen. Und obwohl die Transformation des barocken Heldenmythos schlüssig und stimmig ist, scheint sie doch nicht vollends zuende geführt. Man hat das Gefühl, hier wäre noch mehr möglich gewesen - mehr Kinozauber etwa, oder doch mehr Konkretisierung? So aber befindet sich die Inszenierung in einem Schwebezustand zwischen Verfremdung und Versachlichung - verständlich allemal, aber auch mit diffusen Unschärfen. Musikalischerseits liegt die Berliner Alcina beim Barockexperten Paul McCreesh in besten Händen. Straff in den Tempi, aber ohne gehetzt zu wirken, entlockt er dem Orchester der Komischen Oper Klänge, die keinesfalls staubig oder blutleer klingen, aber ebenso keinem allzu modernen Pathos verfallen - ein schön barocker Händel eben. Auf diesem soliden Fundament können sich die Sänger voll entfalten.
Ewa Wolak (Bradamante), Geraldine McGreevy bringt für die Titelpartie genau die dramatische Tiefe in der Stimme mit, die es hier braucht - ihr Sopran ist gut verankert, doch nicht schwerfällig, und verfügt auch in der tiefen Mittellage über genug Tragfähigkeit, um sämtliche Facetten der Alcina auszuloten. Ihren anfänglichen Geliebten und späteren Gegenspieler Ruggiero verkörpert Annette Markert, die als Interpretin barocker Kastratenpartien in Halle groß geworden ist, gewohnt souverän. Stimmlich hat man sie allerdings schon besser disponiert gehört und auch die Rolle blieb merkwürdig blass - aber beim fortwährenden Anhimmeln eines geschlossenen Kinovorhangs kann man auch keine große Charakterzeichnung vollbringen. Bradamante, die Verlobte Ruggieros, die ihren Liebsten zurück in die Realität holen will, ist mit Caren van Oijens tief timbriertem Alt auch stimmlich die bodenständigste Rolle im Ensemble. Brigitte Gellers Morgana kommt im ersten Akt noch arg soubrettig daher, gewinnt aber im Laufe des Abends erfreulich an Nuancenreichtum. Der Tenor Markus Schäfer kann in der stellenweise fast karikaturenhaft angelegten Partie des Oberto stimmlich überzeugen. In den Nebenrollen Oberto und Melisso zeigen die Sopranistin Elisabeth Starzinger und der Bass Nanco de Vries eine solide Leistung.
Alles in Allem eine musikalisch ansprechende und inszenatorisch interessante Aufführung; und um im Bereich des Kinos zu bleiben: einen Oskar würde diese Alcina wohl nicht bekommen, aber vier Stunden gute Unterhaltung sind es allemal. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Ausstattung
Licht
Solisten
Alcina
Ruggiero
Morgana,
Bradamante,
Oronte,
Oberto, ein Junge,
Melisso,
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