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Tannhäuser

Romantische Oper von Richard Wagner
Text vom Komponisten


In deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 3h 45 Minuten (zwei Pausen)

Premiere im Theater Mönchengladbach (Rheydt) am 9. Oktober 2004
(rezensierte Aufführung: 11. Dezember 2004)


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Theater Krefeld-Mönchengladbach
(Homepage)
Frauenbilder vor Wartburglandschaft

Von Stefan Schmöe / Fotos von Matthias Stutte


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Moderne Liebe im historischen Venusberg: Tannhäuser ist von Venus nicht zu halten.

Vom Standpunkt der späten Werke aus – vom die Operngeschichte revolutionierenden Tristan oder dem als „Bühnenweihfestspiel“ auf Endgültigkeit angelegten Parsifal - trägt der Tannhäuser Züge des Unfertigen. Einerseits schwankt die Musik noch mitunter unentschlossen zwischen Verbundenheit zur traditionellen romantischen Oper und der sich abzeichnenden Wendung zum alle geschlossenen Nummern dahin raffenden Musiktheater, andererseits ist der Erlösungsgedanke in seiner ungewollten Nähe zum christlich-bürgerlichen Moralismus dramaturgisch unausgereift. Der Popularität der Oper hat das nicht geschadet, auch wenn es nicht immer die „typischen“ Wagnerianer sind, die allein des „Liedes an den Abendstern“ wegen den Tannhäuser mögen. Eher tun sich die Regisseure schwer: Die neckisch bunte Spielzeugwelt-Inszenierung von Philipp Arlaud (unsere Rezensionen von 2002, 2003 und 2004), die derzeit in Bayreuth auf dem Spielplan steht, ist da durchaus bezeichnend. Tannhäuser als Künstler, als extremer Individualist – das ist das Muster, nach dem etliche interpretatorisch ambitioniertere Inszenierungen mehr oder weniger erfolgreich vorgegangen sind; am ziemlich geringen Durchhaltewillen des so skandalös singenden Ritters, der freilich ebenso schnell wie unmotiviert in christlicher Zerknirschung danieder sinkt, scheitern dann allerdings die meisten Regieversuche.

Vergrößerung in neuem Fenster Das biedermeierliches Volk unterhalb der Wartburg ist aber auch nicht der rechte Umgang für unseren Tenorhelden.

Alexander Schulin, der in Krefeld und Mönchengladbach durch kluge Verdi- und Puccini-Inszenierungen hervorgetreten ist, betrachtet das Werk aus der umgekehrten Perspektive, nämlich von der Entstehungszeit her – und hebt damit die andere Seite hervor: Den Bruch mit der biedermeierlichen Konvention. Musikalisch hebt die Uneinheitlichkeit der Komposition das frappierend Neue in Wagners Musik hervor (und die farbige, nicht eine einheitliche Linie verfolgende, sondern die Kontraste betonende Interpretation durch Kenneth Duryea am Pult der sehr zuverlässigen Niederrheinischen Sinfoniker unterstreicht das nur). Zwar folgt die Aufführung im Wesentlichen der frühen Dresdner Fassung, beim Duett Venus – Tannhäuser aber greifen Schulin und Duryea auf die 1861 für Paris nachkomponierte Version zurück. Die Venus nimmt, nicht zuletzt durch die Besetzung mit der zum Hochdramatischen tendierenden Milana Butaeva (die auch die Elisabeth singt), Züge der Isolde vorweg. Dem gegenüber steht die – auch szenisch - ganz dem Biedermeier verhaftete Wartburg-Gesellschaft gegenüber: Gestelzt und agierende Puppen, die kein Eigenleben gewinnen, sondern die Schablone abgeben, von der sich die Oper in ihren fortschrittlichen Momenten umso deutlicher abheben kann.

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Der zunächst nur rethorisch ausgetragene Streit um die wahre Form der Liebe endet in Handgreiflichkeiten: Durch Öffnen von Elisabeths Kleid wollte Tannhäuser deutlich machen, worauf es in der Liebe (auch) ankommt. So benimmt man sich einer Dame gegenüber natürlich nicht, selbst wenn die anderen Anwesenden so altmodisch sind, dass ihnen die Leichenblässe schon ins Gesicht geschrieben ist.

Die nüchterne, streng in Weiß gehaltene Bühne (Christoph Sehl) ist im wahrsten Wortsinne Projektionsfläche – im übertragenen Sinn für Wagners Frauenbild, dass durchaus uneinheitlich die Oper durchzieht. Venus und Elisabeth sind unterschiedliche Facetten dieses Bildes und daher, mehr dramaturgisch als musikalisch nachvollziehbar, mit der gleichen (eben nicht lyrischen) Sängerin besetzt, was die Elisabeth zu einer starken Frau aufwertet, der man Frömmelei wirklich nicht abnimmt. Statt pietistischer Pose verfällt sie im inszenatorisch leider deutlich schwächelnden dritten Akt torkelnd dem Wahnsinn, wird dann von Wolfram (tadellos mit dem sonoren, sorgsam phrasierenden hauseigenen Alleskönner Christoph Erpenbeck besetzt) erwürgt, auf dass die Gesellschaft ihr Erlösungsfinale bekommen kann. Das mag in dieser Variante neu sein, wirkt aber ähnlich bemüht wie so viele andere Inszenierungen, die den Schluss zu retten versuchen. Auch kommt diese Schlusspointe recht überraschend, nachdem zuvor viel herumgestanden (oder im Fall Elisabeths mit leerem Blick gewankt) wurde. War es der Drang, einen „runden“, doch irgendwie abgeschlossenen Tannhäuser zu inszenieren, oder ist der dritte Akt bei den Proben einfach zu kurz gekommen? Jedenfalls geht der Regie hier ein wenig die Luft aus.

Vergrößerung in neuem Fenster Kein Abendstern weit und breit: Den muss Wolfram schon selbst besingen, nachdem die irre gewordene Elisabeth entschwunden ist.

Dabei sind die ersten beiden Akte gerade ihrer offenen Form wegen ungewöhnlich spannend gelungen. Über weite Strecken lang rebelliert dieser Tannhäuser mit all seinen Brüchen gegen die Behaglichkeit des Biedermeier. Frappierend ist Schulin auch die Schlüsselszene im zweiten Akt gelungen: Da reißt Tannhäuser in blinder Wut auf die blöden Minnesänger Elisabeth das Kleid auf, um sichtbar zu machen, was an ganz unplatonisch Begehrenswertem sich darunter verbirgt. Der im Text recht umständlich abgehandelte Skandal wird hier als klarer Fehlgriff inszeniert (und die Kränkung Elisabeths endlich einmal sozusagen handgreiflich verständlich).

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Wenn der Regisseur schon nicht Elisabeth entseelt dahinsinken lässt, dann muss der brave Wolfram eben per Würgegriff nachhelfen. Schließlich soll die Oper einen schönen Schluss mit Erlösung haben.

In das karge Bühnenbild lassen Schulin und Sehl immer wieder Prospekte mit Bühnenbildmalereien der Wagnerzeit vom Schnürboden herunter. Es gibt also die „echte“ Venusgrotte, die Landschaft vor der Wartburg wie aus dem Bilderbuch und auch die „teure Halle“, wie sie einst im wagnerseligen Bayreuth zu bestaunen gab – aber nur als Zitat. Durch das engagierte und keineswegs altmodische Spiel von Milena Butaeva, aber ebenso dem gespreizten Gehabe der auch sängerisch sehr souveränen Herren-Garde mit dem bereits genannten Christoph Erpenbeck, Hayk Dèinyan (Landgraf), Walter Planté (Walther), Konstatin Rittel-Kobylianski (Biterolf), Markus Heinrich (Heinrich der Schreiber) und Tobias Pfülb (Reimar von Zweter) wird die schöne Illusion sofort gebrochen und verfremdet. Allein von Paul Lyon als Tannhäuser würde man sich ein weniger pauschales Auftreten wünschen. Stimmlich neigt Lyon schnell zu einem flachen, scharfen Ton, der zwar durchschlagend, aber nicht eben schön ist. Dabei kann Lyon seine Töne auch angenehm baritonal einfärben (und singt eine sehr passable, gut durchgestaltete „Romerzählung“) – aber im Eifer des Gefechts geht das oft verloren. Allerdings dürfte Dirigent Duryea bei der Orchesterbegleitung ruhig ein wenig mehr auf sängerfreundliche Lautstärken achten – so geraten auch manche Passagen des sehr gut disponierten Chores (Einstudierung: Heinz Klaus) zu Schreistellen. Aus dem insgesamt sehr überzeugenden Ensemble der Vereinigten Städtischen Bühnen unbedingt zu nennen ist noch der strahlend und leuchtend und dabei absolut sauber gesungene Hirt von Jeanette Wernecke.


FAZIT

Trotz gelegentlicher Konditionsschwächen ein hörens- und sehenswerter Tannhäuser, der zu den Highlights der bisherigen Saison zählt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Kenneth Duryea

Inszenierung
Alexander Schulin

Bühne
Cristoph Sehl

Kostüme
Markus Pysall

Choreinstudierung
Heinz Klaus

Dramaturgie
Benedikt Holtbernd


Chor und Extrachor der Vereinigten
Städtischen Bühnen
Krefeld und Mönchengladbach


Die Niederrheinischen
Sinfoniker

Bühnenmusik: Studierende der
Folkwang Hochschule Essen
(Klasse Prof. Uwe Köller)


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Hermann, Landgraf von Thüringen
Hayk Déinyan

Tannhäuser
* Paul Lyon /
Roman Sadnik

Wolfram von Eschenbach
* Christoph Erpenbeck /
Simon Pauly

Walther von der Vogelweide
* Walter Planté /
Timothy Richards

Biterolf
Konstantin Rittel-Kobylianski

Heinrich der Schreiber
Garrie Davislim /
* Markus Heinrich

Reinmar von Zweter
Tobias Pfülb

Venus / Elisabeth
Milana Butaeva

Ein junger Hirt
Jeanette Wernecke

Vier Edelknaben
Maria Gurzynska
Flora Christison
Brigitte Henze
Bong-Kil Lee




Weitere
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Mönchengladbach

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Da capo al Fine

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