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Götterdämmerung
Dritter Tag des Bühnenfestspiels
Der Ring des Nibelungen
Dichtung und Musik von
Richard Wagner

In deutscher Sprache mit französischen und flämischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5h 30' (zwei Pausen)

Premiere im Théâtre Royal de Liège
am 24. September 2004

Homepage

Opéra Royal de Wallonie
(Homepage)
Geschafft!

Von Thomas Tillmann / Fotos von der Opéra Royal de Wallonie


Nun ist sie abgeschlossen, die erste Produktion des Ring des Nibelungen im belgischen Liège. Und auch in der Götterdämmerung bleibt Hausherr Jean-Louis Grinda seiner Linie einer klaren, aber nicht unspannenden Erzählweise treu, wenn er sich über weite Strecken auf die Erfahrung seiner Darsteller verlässt (mit all den darin liegenden Chancen, aber auch den Gefahren), wenn er sich auf die Schlüsselszenen konzentriert und die Bühne mitunter bis auf erhellende Vorhänge leer lässt, wenn er an entscheidenden Momenten auch einfach nur den Blick auf das Orchester freigibt, die Musik für sich sprechen läßt und dem Zuschauer eben keine einengende Interpretation vorgibt. Natürlich findet sich manches wieder, dass man aus anderen, auch älteren Inszenierungen der Tetralogie kennt, etwa das futuristische Interieur der Gibichungenhalle mit ihren Projektionsflächen, auf denen Ausschnitte aus Fritz Langs Nibelungen-Stummfilm eingespielt werden (was vom eigentlichen Bühnengeschehen ablenkt, die belgischen Zuschauer auch vom Verfolgen der Übertitel), die Hinweise auf die negativen Folgen der Industrialisierung, wenn im Hintergrund Fabrikgebäude und Schornsteine sichtbar werden oder der zugemüllte Rhein nur noch ein Kanal ist, in den ein Abflussrohr aus den Industriemetropolen mündet, wenn die Rheintöchter in ölverschmierten Lumpen auftreten (die aparten, glanzvollen, nicht zu kleinen und sich vorzüglich mischenden Stimmen von Anne-Catherine Gillet, Christine Solhosse und Karine Ohanyan stehen dazu in krassem Gegensatz). Am Ende demontiert das Volk die Statue eines Diktators, der gleichermaßen an Wotan wie an Saddam Hussein erinnert, ein Einfall, der durch Videoeinspielungen vom Sturz weiterer Tyrannen und unterdrückender Machtsysteme unterstrichen wird und der Götter Ende stimmig, aber auch ein wenig platt illustriert (und technisch nicht reibungslos genug gelingt). Mehrdeutig ist schließlich der Auftritt einiger verschlafener Kinder im Nachtgewand, die angesichts des neben dem Orchesterchef präsenten Alberich sehr schutzlos wirken und vielleicht doch nicht die bessere Zukunft garantieren, auf die die Musik hindeutet. Bis zu den zyklischen Aufführungen im Herbst 2005, für die bereits Karten geordert werden können, sollte hier noch nachgebessert werden, und ein bisschen mehr Personenführung etwa im Terzett des zweiten Aufzugs darf es dann auch sein.

Vergrößerung "Heil dir, Siegfried, siegendes Licht!" (Alan Woodrow und Gabriele Maria Ronge als Siegfried und Brünnhilde)

Erfreulicherweise hat man das Problem des im Bühnenhintergrund auf einem Podest platzierten und damit zunächst arg gedämpften Orchesters mehr und mehr in den Griff bekommen: Das Kollektiv schien mir diesmal noch präsenter als an den beiden vorausgegangenen Abenden, sein Klang voller und runder, und auch die Kommunikation zwischen dem musikalischen Leiter Friedrich Pleyer, der sich wieder als Meister des Aufbaus von langen Spannungsbögen jenseits des vordergründigen Effekts erwies und der etwas bewegtere Tempi vorgab, funktionierte reibungsloser. Diesmal hatte er anders als beim Siegfried freilich auch nicht die Unzulänglichkeiten einer Sopranistin abzufangen, die den Anforderungen nicht mehr gewachsen war, damit die anderen Mitwirkenden über Gebühr irritierte, das große Ganze gefährdete und folgerichtig auch wegen Unfähigkeit entlassen wurde (so formulierte es der Hausherr auf Nachfrage des Berichterstatters!). .

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"Schläfst du, Hagen, mein Sohn?" (Artur Korn und Werner Van Mechelen als Hagen und Alberich)

Gabriele Maria Ronge, in Lüttich mit Partien wie Marschallin, Fidelio, Elisabeth im Tannhäuser und Salome in bester Erinnerung, ist natürlich auch keine Brünnhilde, bewältigt den Part aber immerhin musikalisch: Auf Grund des Einsatzes im hochdramatischen Fach trotz grundsätzlich lyrischer Mittel ist die helle Stimme, die nie besonders liebenswürdig war, sehr hart geworden, sie flackert erheblich und klingt mitunter sehr ausgebleicht und eindimensional, es fehlt ihr an Volumen bereits in der unteren Mittellage, besonders aber in der hier nicht selten geforderten Tiefe (die die Künstlerin mit unschönem Sprechgesang und verzweifeltem Einsatz der Bruststimme unzureichend und mitunter auch arg unfein zu kompensieren sucht), es fehlt ihr an klanglichem Reichtum, an Farbenvielfalt, an dynamischer Flexibilität, an dramatischer Expansionsfähigkeit, an mit vokalen Mitteln erzielten Ausdrucksnuancen. Natürlich kann die Sopranistin beeindruckend laut singen, verzweifeltem Schreien nicht unähnlich, das einem als Zuhörer weh tut und fragen lässt, wie lange das gut gehen wird, zumal sie sich mit der Isolde und vor allem der völlig absurden Ortrud nicht gerade wenig für die nahe Zukunft vorgenommen hat, natürlich hat sie nach wie vor eine völlig mühelos ansprechende Höhe und bemerkenswerte Spitzentöne im Forte (was etwa dem letzten Teil der Schlussszene sehr zugute kommt, während das C in alto des Prolog-Duetts nicht sauber attackiert wurde), natürlich ist ihre Diktion tadellos, aber all das reicht für mein Empfinden nicht für diese zweifellos immens schwere und schwer zu besetzende Partie, zumal die Deutsche im die längste Zeit unvorteilhaften Kostüm auch noch darstellerisch arg hemdsärmelig daherkommt, maßlos überspielt, wild mit den Armen rudert und die Augen rollt und vergisst, dass sie die Frau Siegfrieds und die Tochter Wotans ist, nicht die Gattin Gabriel Eisensteins (und auch die reichlich oft bemühten Schreie und das outrierte Geheul ließen einen den Kopf schütteln, auch über die mangelnde Autorität des Regisseurs, der solche außermusikalischen Eskapaden hätte verbieten müssen).

Vergrößerung "Jetzt merket klug, was die Frau euch klagt!" (Gabriele Maria Ronge, Artur Korn, Philippe Rouillon, Alan Woodrow, Marcela de Loa und der Chor der Opéra Royal de Wallonie)

Alan Woodrow, den mancher von den Mitschnitten der Ring-Aufführungen im österreichischen Erl oder als Bacchus in der ebenfalls von Arte Nova Classics vertriebenen Ariadne auf Naxos kennt (immer unter Leitung von Gustav Kuhn), hatte bereits in der Siegfried-Serie der vergangenen Spielzeit die letzten Abende erfolgreich bestritten, und auch diesmal war man begeistert von seinem unangestrengten, differenzierten Singen, von dem gesunden, konzentrierten, robusten, aber nie ungeschlacht vorgeführten, dunklen, aber eben doch stets tenoralen Timbre, von der strahlend-kraftvollen, nie gefährdeten Höhe, von der Souveränität in der Textgestaltung - schön, dass er auch im nächsten Jahr dabei sein wird (dann an der Seite von Janice Baird).

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"Starke Scheite schichtet mir dort" (Gabriele Maria Ronge als Brünnhilde mit dem Ensemble der Opéra Royal de Wallonie und oben Friedrich Pleyer am Pult des Orchesters)

Wenig Eindruck hinterließ dagegen Marcela de Loa als Gutrune mit einer ebenfalls lyrischen, wenig Individualität oder Wiedererkennungswert aufweisenden Stimme, während Philippe Rouillon bei seinem Rollendebüt einer der seltenen Gunther-Interpreten war, der mit vollem, gesunden, ausgeruht-intaktem Ton und beeindruckendem Legatogesang aufwarten konnte. Artur Korn hat die richtige wilde, grimmige, schwarze, ausladende Stimme für einen brutalen, boshaften Hagen, baute aber gegen Ende des zweiten Aufzugs erheblich ab und musste bereits von Anfang an für die sehr hohen Töne hörbar arbeiten. Werner Van Mechelen, der dem Vernehmen nach auch Wolfgang Wagner aufgefallen ist, muss sich als Alberich anders als andere nicht nur auf deklamatorische Fähigkeiten verlassen, um expressiv zu sein, sondern verstand Ausdruck und schöne Gesangslinie eindrucksvoll zu verbinden. Elzbieta Ardam bleibt mit tragfähig-metallischem, auch in der Höhe weitgehend sicheren Mezzosopran und auch einigen verinnerlichten, stilleren Tönen als sehr anständige Waltraute in Erinnerung, auch wenn sie natürlich das Niveau bedeutender Kolleginnen der Vergangenheit nicht ansatzweise erreicht (die ergreifendste Interpretation ist für mich diejenige Brigitte Fassbaenders auf ihrem für die Firma Orfeo entstandenen Arienrecitals) und zudem das Handicap eines starken polnischen Akzents mitbringt, der den rezensierenden Muttersprachler sicher mehr stört als das frankophone Auditorium. Johanna Duras war mit stämmigem Alt die erste, Yvonne Schiffelers mit schlankem, hellen Mezzo die zweite, Pati Helen-Kent mit kraftvoll-herbem Sopran die dritte Norn, ein ausgewogenes, ansprechendes Trio. Edouard Rasquin hat einmal mehr die Chöre der Opéra Royal de Wallonie gewissenhaft auf die anspruchsvolle Aufgabe vorbereitet - für die grässlichen Perücken der Herren kann er nichts.

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"Denn der Götter Ende dämmert nun auf" (Ensemble der Opéra Royal de Wallonie)



FAZIT

Die Großtat ist vollbracht, mit vielen Meriten und mancher Schwäche, wie es bei jeder Neuinszenierung der gewaltigen Tetralogie nun einmal vorkommt. Dem Zuschauer, der eine eher traditionelle Werksicht bevorzugt, sei diese Produktion ans Herz gelegt, den Verantwortlichen für ihren nie nachlassenden Mut bei der Umsetzung dieses Großprojekts auch an dieser Stelle gratuliert.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Friedrich Pleyer

Inszenierung
Jean-Louis Grinda

Mitarbeit
Claire Servais

Bühnenbild
Eric Chevalier

Kostüme
Christian Gasc

Licht
Roberto Venturi

Choreinstudierung
Edouard Rasquin

Dramaturgie
Gabriele Otto
Frédéric Roels

Eine Neuproduktion der
Opéra Royal de Wallonie



Chöre und
Orchester der
Opéra Royal de Wallonie


Solisten



Siegfried
Alan Woodrow

Gunther
Philippe Rouillon

Hagen
Artur Korn

Alberich
Werner Van Mechelen

Brünnhilde
Gabriele Maria Ronge

Gutrune
Marcela de Loa

Waltraute
Elzbieta Ardam

Die erste Norn
Johanna Duras

Die zweite Norn
Yvonne Schiffelers

Die dritte Norn
Pati Helen-Kent

Woglinde
Anne-Catherine Gillet

Wellgunde
Christine Solhosse

Floßhilde
Karine Ohanyan



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra Royal
de Wallonie

(Homepage)



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