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Alles Walzer

Ballett von Renato Zanella
Musik von Johann und Joseph Strauß und Gustav Mahler



Black Cake

Ballett von Hans van Manen
Musik von Peter I. Tschaikowsky, Leoš Janácek, Igor Strawinsky, Pietro Mascagni und Jules Massenet


Aufführungsdauer: ca. 1h 45' (eine Pause)

Premiere im Theater Krefeld am 8. April 2005


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Theater Krefeld-Mönchengladbach
(Homepage)
Renato Zanella & Hans von Manen am Niederrhein

Von Peter Bilsing / Fotos von Matthias Stutte


Das Tanzforum der Sparkassenstiftung Krefeld - gegründet im Jahre 2000 - ermöglicht dem rührigen Zweistädte-Institut durch großzügige finanzielle Unterstützung (300 000 Euro für 4 Jahre) eine Spielplanpolitik im Ballettsektor, die für ein so kleines und relativ marginal subventioniertes 3-Sparten-Haus schon mehr als beachtlich ist. So arbeiteten in den letzten Jahren hier Star-Choreografen (u.a. Christopher Bruce, Renato Zanella, Hans von Manen) mit der Truppe, die sich selbst größere Häuser nur noch schwerlich leisten können. Und tatsächlich wuchs in der Zusammenarbeit auch das tänzerisches Qualitätsniveau beträchtlich. Allen Ballettomanen zu Gehör: Im Dickicht der Großstadt-Compagnien von Düsseldorf/Duisburg, Wuppertal und Essen blüht hier mehr als eine echte Alternative auf. Schade nur, dass das eigene Publikum dies noch nicht so wahrnimmt, wie die jungen Tänzer es verdient hätten. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Das junge Team um Heidrun Schwaarz hat mehr Fans verdient. In diesem Sinne:

Mit „Alles Walzer!“ wird traditionell beim großen Wiener Opernball das Tanzparkett fürs auserwählte „gemeine Volk“ der Edlen eröffnet, und Alles Walzer nennt auch Renato Zanella – 10 Jahre Ballettchef an der Wiener Staatsoper und seit dieser Saison (wie viele große Talente) im Unfrieden vom Weltstar-Haus an der Wien geschieden – seine Produktion. Zanella ist für mich ein Riesen-Talent, das sich nur ans falsche, weil künstlerisch unproduktive Haus verpflichtet hatte. Dennoch ist es schön wahrzunehmen, wie er kontinuierlich in die Stiefel seiner berühmten Lehrer getreten ist. Lehrjahre bei Ballettlegenden wie Heinz Spoerli, Marcia Haydée, John Neumeier, Maurice Bejart, Mats Ek und Hans von Manen prägen sein Werk und Schaffen. „Ich bin ein athletischer Choreograph mit viel Emotionalität. Ich brauche die Freiheit, die verschiedenen Tanzströmungen miteinander zu verweben und den spontanen Gefühlen beim Erarbeiten Platz zu lassen.“

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Alles Walzer

Leider wurde seine bisherige Lebens-Leistung, dass es ihm nämlich gelungen war, aus Tänzern, die es gewohnt waren, nur Stargäste zu begleiten, ein autonomes und selbstbewusstes Ensemble zu schaffen, am eigenen Haus kaum gewürdigt. Das ist Wien, wo man traditionelles Ballett immer noch primär nach den artistischen Kriterien von Sprunghöhe, Pirouetten-Wiederholungszahl und Drehgeschwindigkeit misst. Besonders lobenswert und ehrenhaft, dass sich der sympathische Ballett-Chef neben der Nachwuchspflege auch noch der intensiven Arbeit mit Behinderten und deren Integration ins normales Tanztheater gewidmet hat.

Zanellas Choreographie (UA: Wien 1997) zieht das Publikum erstmal allein durch die geglückte Musikauswahl in seinen Bann; man walzert zu BEST OF Johann Strauß Sohn, als wären wir beim Wiener Neujahrskonzert. Doch Achtung! Die Walzerseligkeit wird schnell konterkariert. Zanella bricht die oberflächlichen Harmonien höchst einfühlsam und intelligent auf, mit witzigen Apercus und Einlagen zwischenmenschlicher Beziehungskisten. (Van Manen lässt grüßen!)
Da müssen die Tänzer schon mal schreien, rufen bzw. singen, und auch der Kontakt zum Publikum (Pina Bausch!) wird gesucht, ist aber nie anbiedernd, sondern stets von augenzwinkernd jovialem Humor inspiriert.

Vergrößerung in neuem Fenster Alles Walzer

Die Bilder jagen sich geradezu, und immer wenn das Publikum droht, im Rausch der Musik zu versinken unterbricht Zanella und platziert Ruhepunkte in den Mahlstrom Strauß'scher Walzer, Pizzicati, Polkas und Quadrillensüffisanz. Das ist wunderbar choreographiert und von der Compagnie einfühlsam dargeboten; vom großen Ensemble, über den kraft- und schwungvollen „Pas de Cinque“ fünfer junger Buschen, die geradezu der Schwerkraft entzogen scheinen, bis hin zum einfühlsamen finalen „Pas de Deux“ zu Mahlers Adagietto, welches Manami Hannya und Aliaksandr Rulkevich in traumversunkender Schönheit und sensibler Akkuratesse tanzen.
Da auch Kostüme und Bühnengestaltung im Einvernehmen mit einer feinfühlig und empfindsamen Lichtregie (hier verdient der Begriff endlich mal seinen Namen) stimmig sind - verantwortlich: Jordi Roig - ist das Gesamtkunstwerk gelungen.

Zanella gelingt mit dieser Choreographie praktisch die künstlerische „Quadratur des Kreises“, denn in idealer und harmonischer Weise gelingt es ihm, klassisches Ballett und zeitgenössischen Tanz zu verbinden. Das Krefelder Publikum zeigt sich geradezu hingerissen und applaudiert zu recht und frenetisch. Begeistert Emotionen, wie ich sie von den sonst doch recht kühlen Niederrheinern noch selten in diesem Theater erlebt habe. Man ist sich der Größe und Qualität dieses Stückes bewußt; eine ehrliche und überzeugende Würdigung, die der Rezensent so mittragen kann.

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Alles Walzer

Über den mit Preisen geradezu überschütteten „Giganten“ Hans von Manen, Gründer des NEDERLANDS DANS THEATER, einem der produktivsten und beliebtesten Choreographen unserer Zeit, braucht man eigentlich keine Worte zu verlieren. Seine über hundert Ballette – fast alle ursprünglich choreographiert für obige Compagnie und HET NATIONAL BALLET (Amsterdam) zieren die Spielpläne praktisch aller bedeutenden Ballett-Truppen dieser Welt. Seine Werke zeichnet neben der tänzerischen Qualität immer eins aus: subtil hintergründigen Humor, Spaß am Spiel & Tanz, sowie eine gehörige Portion Selbstironie. Sein Sujet ist stets das Leben mit seinen Alltagsgesten. Von Manen ist für mich - neben aller Ernsthaftigkeit und Kritik, die stets durchaus unterschwellig vorhanden ist - der „Charles Chaplin“ des modernen Tanzes. Bei ihm werden Gruppenbilder zu Formen, Alltagsgesten zu Dramen der Lächerlichkeit und immer wieder der ewige – durchaus erotische – Geschlechterkampf, der stets unentschieden endet.... bei van Manen gibt es keine Verlierer. Tanz ironisiert durch Tanz – ein simples Credo. Wie im normalen Leben führt sich der Mensch immer selbst ad absurdum.

Vergrößerung in neuem Fenster Black Cake

So auch in seiner hinreißenden Arbeit Black Cake (UA 1989) – ein ursprünglich für den 30.Geburtstag des NEDERLANDS DANS THEATERs geschaffenes „Partystück“; ein tänzerischer Mega-Ulk ohne Ende zu betörender Musik von Tschaikowsky, Janacek, Strawinsky, Mascagni und Massenet. (Leider nur, wie auch bei Zanella, vom Tonband!) Über die ungeheure Musikalität von des Meisters Choreographien ist schon viel geschrieben worden, und es zeichnet auch dieses Werk wieder aus, dass selbst die kleinste Sechzehntelnote oder die kurze Fermate noch tänzerisch höchst sensitiv verarbeitet wird. Das knapp halbstündige Stück zeigt uns gutgekleidete schöne Menschen in einer feinen Party-Gesellschaft – hintergründig wird Banalität desavouierend vorgetanzt. Van Manen schlägt einen großen Bogen, von den Gesten der Vorbereitungstoiletterie bis zum hohlphrasig nichtssagenden, dafür aber real lautstarken Champagner-Parlando.

Doch der Alkohol zeitigt unerwartet schnelle Wirkung. Der Geist des Weines gebärt Gefühle, Sentimentalität macht sich breit, und so endet die Party in weinseliger Gefühlsduselei zu Massenets Thais-Meditation. Glanz und Elend im Finale wunderbar vereint, wo die Schicki-Micki-Gemeinde tränenreich zu bedauernswert „armen Würstchen“ degeneriert und beim Publikum herzhaftes Mitleid und Lachtränen provoziert.

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Black Cake

Was die Krefelder Compagnie da an hinreißender hypochonderartiger Aktivität tränenreich gebiert ist unglaublich. Eine weinerliche Heulsynkope des Champagner-Suffs von geradezu begnadeter Musikalität in der erschreckend realistischen Depressivität eines Beerdigungsszenarios - als wenn der beste Freund gestorben wäre......dabei ist nur der Champagner ausgegangen ! Das ist so überzeugend mitleiderregend umgesetzt, daß man sich fast gerufen fühlt auf die Bühne zu stürmen und die jungen Menschen in den Arm zu nehmen oder aufmunternd zuzurufen: „Na aber! nehmt die Sache doch nicht so tragisch....es gibt Schlimmeres im Leben!"

Diese grandiose Finale läßt fast die vorherigen, auch urkomischen, „Pumps-pas-de-deux“ fast vergessen, mit denen van Manen den modernen Tanz an sich, mit allen seinen Facetten, hingebungsvoll originell plakatiert und hinterfragt hat. So mischt er auf kongenialer Art und Weise neoklassisches Bewegungsmaterial mit charakteristischen Elementen aus dem Tango und typischen stilisierten Bewegungsabläufen des Standart- und Turniertanzes.
Die Krefelder Compagnie folgt van Manens Credo nicht nur tänzerisch perfekt, sondern jeder ist, so scheint es, auch voll mit Herz und Seele dabei - eine überragende phänomenale Leistung. Bravo dacapo ! Jubel und Frohlocken; die Krefelder Ballettfreunde reißen bald ihr Theater ab. Die Begeisterung kennt keine Grenzen.


FAZIT

Das Publikum feiert Tänzer und Choreographen mit einem Enthusiasmus, wie ich es wirklich selten erlebt habe, und ausnahmsweise ist der dröge Kritiker mal dabei. Bravo, Bravi, Bravissimo ! Was für ein toller Ballettabend.


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Produktionsteam

Alles Walzer

Choreographie
Renato Zanella

Bühne und Kostüme
Jordi Roig

Licht
Renato Zanella
Jordi Roig

Einstudierung
Renato Zanella
Vanessa Tamburi



Tänzer

Manarni Hannya
Aliaksandr Rulkevich
Silvia Behnke
Razvan Craciunescu
Elena Kozyakova
Ziga Jereb
Karine Andrei-Sutter
Vasily Trubnikov / Lidija Curcic
Denis Veginy
Alicia Fossati
Antal Dobsa / Eleonora Nezguretska
Gökce Sönmemis / Julia Hartmann
Craig Pereira-Gillis



Black Cake

Choreographie
Hans van Manen

Bühne und Kostüme
Keso Dekker

Licht
Joop Caboort

Einstudierung
Mea Venema



Tänzer

Silvia Behnke
Denis Veginy
Karine Andrei
Sutter
Aliaksandr Rulkevich
Elena Kozyakova
Razvan Craciunescu
Lidija Curcic
Ziga Jereb
Alicia Fossati
Antal Dobsa /Eleonora Nezguretska
Craig Pereira-Gillis / Vasily Trubnikov



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