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The Rake's Progress

Oper in drei Akten
Text von Wystan Hugh Auden und Chester Kallman
Deutsche Übersetzung von Fritz Schröder
Musik von Igor Strawinsky

In deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen
am 12. März 2005

(rezensierte Aufführung: 16.3.2005)


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Psychogramm einer nicht nachahmenswerten Karriere

Von Stefan Schmöe / Fotos von Stefan Kühle

Zwei Seelen wohnen in seiner Brust: Die eine will ein ordentliches Leben führen, die andere zieht ihn zum Laster und Unmoral. Faust und Mephisto, oder freudianisch „Ich“ und„Es“ – in Rainer Friedemanns Neuinszenierung von The Rake's Progress geht es etwas pauschal um den Dualismus von Gut und Böse. Zwischen den Szenen sieht man auf dem Vorhang immer wieder das Portrait von Tom Rakewell, der sich vom braven Spießbürger im Handumdrehen (na ja, zweieinhalb Stunden dauert es schon) zum Wüstling wandelt, und wenn sich der Vorhang erhebt, schauen wir sozusagen ins Innerste der Psyche dieses dubiosen Herrn. Da tun sich dann allerlei Abgründe auf.

Vergrößerung in neuem Fenster Auf ins pralle Leben: Tom Rakewell (Dominik Wortig, links) lässt sich von der düsteren Seite seiner Seele in der Gestalt von Nick Shadow (Frank Dolphin Wong) zu verbotenem Tun verleiten.

Igor Strawinsky ließ sich durch eine Serie von Kupferstichen von William Hogarth (1697 – 1764) zu The Rake's Progress anregen, die in Form einer Bildergeschichte die zweifelhafte „Karriere“ eines durch Erbschaft wohlhabend gewordenen jungen Mannes erzählen. Im Libretto von Wystan Hugh Auden und Chester Kallmann ist die Handlung mit absurden Elementen zugespitzt (etwa die Heirat Toms mit der vollbärtigen „Türkenbaba“, einer Jahrmarktssensation). Strawinskys dem Neoklassizismus huldigende Musik orientiert sich an Formen der „klassischen“ Oper des 18. Jahrhunderts, und was all' die Reformer von Gluck bis Wagner an Typisierungen aus der Opernwelt wegreformiert haben, greift Strawinsky lustvoll wieder auf: Statt großer Gefühlsergüsse und psychologischer Spitzfindigkeit werden die Figuren in konventionell anmutenden Arien hart umrissen und leben gerade von dieser Typisierung. Der ironische Blick auf scheinbar hoffnungslos veraltete Kompositionstechniken schafft eine Distanz, in der die Musik dann, einmal angeworfen, mechanisch schnurrt wie von einer aufgezogenen Spieluhr.

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Im prallen Leben wartet dann die Türkenbaba (Nadine Weissmann), die sich bald als ziemlich anstrengende Ehefrau für Tom erweist.

Emotionaler Bezug zum Bühnengeschehen war 1951, als das Werk entstand, nicht erwünscht, und deshalb lässt die exzellent gearbeitete Partitur trotz ihrer Rafinessen auch ziemlich kalt. Dafür hat The Rake's Progress in seinem schier unendlichen Beziehungsreichtum erhebliche Unterhaltungsqualitäten. Die allerdings hätte Rainer Friedemann ruhig pointierter zeigen können. Seine vor allem in der Personenführung grundsolide Inszenierung hat zwar ein paar hübsche Ideen, aber keinen wirklich zwingenden „Roten Faden“. Die eingangs erwähnte psychologische Sicht hat sich schnell verbraucht. Die Verwendung venezianischer Masken für die Choristen soll wohl auf die Uraufführung der Oper am La Fenice in Venedig anspielen, wird aber nicht konsequent durchgezogen. Irgendwann scheint das Regieteam auf die (durchaus hübsche) Idee gekommen zu sein, gezeichnete Elemente als Referenz an Hogarths Kupferstiche zu verwenden – und so erscheinen Kutsche samt Pferd als Karikatur, vom Schwarzlicht ausgeleuchtet, und weil das so schön klappt, wird von nun an fast alles in der gleichen Weise als „schwarzes Theater“ dargestellt, bis man der Sache überdrüssig wird (und leider auch darüber hinaus).

Vergrößerung in neuem Fenster Absolut irre - also landet Tom in der Psychatrie, wo ihm nicht einmal die unendlich treue Ann Truelove (Dagmar Hesse) helfen kann.

Tückisch ist die Angelegenheit für das Hagener Orchester, das sich mit der diffizilen Partitur wacker schlägt, aber man hört im kammermusikalischen und äußerst transparent gehaltenen Satz jede noch so kleine Unsicherheit. Um den Witz der Partitur hörbar zu machen, müsste das Orchester noch souveräner mit dieser Musik umgehen. Dirigent Anthony Hermus hält alles ordentlich zusammen; Strawinskys Doppelbödigkeit aber bleiben die Musiker schuldig. Dankbarer ist es für die Sänger, die angesichts des kleinen Orchesters keinerlei Mühe haben, sich zu behaupten. Dominik Wortig als Antiheld Tom Rakewell ist ein nettes, etwas tollpatschiges Riesenbaby. Sein Tenor ist wärmer und „runder“ geworden und besitzt ausreichend Reserven in der Höhe. Der junge Niederländer Frank Dolphin Wong singt und spielt sehr agil dessen alter ego Nick Shadow mit markantem, recht hellen Bariton. Dagmar Hesse, als Senta im Fliegenden Holländer, Katja Kabanova oder Rosenkavalier-Marschallin in stimmlich „größeren“ Partien aktiv, gestaltet Toms Verlobte Ann Truelove (der Name sagt eigentlich alles) unprätentios und soubrettenhaft, wie junge Mädchen, die mit Teddybär im Arm unverdrossen an die große Liebe glauben, eben singen. Da mit Andrey Valiguras (Anns Vater) und Nadine Weissmann (Türkenbaba) sowie Edeltraut Kwiatkowsi, Richard van Gemert und Klaus Nowaczyk auch die anderen Rollen gut und passend besetzt sind und auch der Chor präsent und aufmerksam singt, profiliert sich die Aufführung vor allem im musikalischen Bereich.


FAZIT

Amüsanter Opernabend, der freilich noch etwas mehr Witz hätte vertragen können. So wird es ein Sieg nach Punkten für die guten Sänger.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Antony Hermus

Regie
Rainer Friedemann

Choreographie
Bedrich Hanys

Ausstattung
Olaf Zombeck

Dramaturgie
Christian Wildhagen

Choreinstudierung
Uwe Münch

Schwarzes Theater
Lisa von der Brück
Lea Bullerjahn
Stefanie Engelke
Ulla Karisch
Pia Kramps
Saskia Sattler
Katharina Sell
Natalie Smykalla

Opernchor des Theater Hagen

Philharmonisches Orchester Hagen


Solisten


Truelove
Andrey Valiguras

Ann
Dagmar Hesse

Tom Rakewell
Dominik Wortig

Nick Shadow
Frank Dolphin Wong

Mutter Goose
Edeltraud Kwiatkowski

Baba
Nadine Weissmann

Sellem
Richard van Gemert

Wärter
Klaus Nowacyk


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen (Homepage)




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