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Kleider machen Leute

Musikalische Komödie in einem Vorspiel und zwei Akten
Text von Leo Feld nach der Novelle von Gottfried Keller
Musik von Alexander Zemlinsky
(revidierte Fassung von 1922)


In deutscher Sprache
Aufführungsdauer: ca. 2h 15' (keine Pause)


Premiere im Theater Hagen am 28. Mai 2005
(rezensierte Aufführung: 8.6.2005)

Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Auf die richtige Marke kommt es an

Von Stefan Schmöe / Fotos von Stefan Kühle

Komische Opern, noch dazu deutsche, haben es schwer. Obwohl es ja so etwas wie eine Zemlisky-Renaissance gibt, ist die effektvolle musikalische Komödie Kleider machen Leute nach der gleichnamigen Novelle von Gottfried Keller weitgehend unbeachtet geblieben. Ein Versäumnis, wie die Hagener Neuinszenierung zeigt, denn die farbige und sehr unterhaltsame Partitur hätte einen Platz im Repertoire verdient. Ein Schneider, der versehentlich für einen reichen Grafen gehalten und dementsprechend hofiert wird (und bei der Gelegenheit gleich noch sein Liebesglück findet), bietet dazu noch die passende Vorlage für komödiantisch talentierte Regisseure – gute Gründe, diese Oper häufiger zu spielen.

Vergrößerung in neuem Fenster Wohlstandsidyll (2. Akt): Nettchen (Dagmar Hesse), der Amtsrat (Horst Fiehl), Melchior Böhni (Frank Dolphin Wong), der ältere Sohn des Hauses Häberlein & Cie. (Dominik Wortig), die Wirtin (Edeltraud Kwiatkowski), der falsche Graf Wenzel Strapinski (Kor-Jan Dusseljee), Polykarpus Federspiel (Richard van Gemert), Frau Litumlei (Marilyn Bennett), Adam Litumlei (Andrey Valiguras), Frau Häberlein (Tanja Schun) und der jüngste Sohn des Hauses Pütschli-Nievergelt (Peter Schöne) in trügerischer Eintracht

Komödiantisches Talent zeigt Roman Hovenbitzer, der in Hagen für die Inszenierung verantwortlich ist, durchaus. Vor allem im Detail (auch wenn die Personenregie insgesamt noch konzentrierter sein könnte) gelingen ihm eine Reihe witziger Momente wie etwa ein subtil durchchoreographiertes Kaffeetrinken der bornierten Goldacher Bürger. Über die mitunter auch elegischen Zwischentöne Zemlinskys hört er dabei geflissentlich hinweg und sucht weniger die feinsinnige Komödie als den Schwank und die Nähe der unsentimentalen Zeitoper Hindemiths, Weills oder Kreneks (worauf auch Telefon und Auto verweisen), und auch Revue-Elemente (mit dem Kutscher, der die Geschichte ins Rollen bringt, als mephistophelischem Conferencier) fehlen nicht. Nicht einmal das liebestrunkene Happy-End darf aus diesem satirisch-unromantischen Schema ausbrechen: Nettchen, die sich in den vermeintlichen Grafen verliebt hat und sich unversehens mit einem Schneidergesellen verlobt sieht, stellt gar nicht erst Fragen nach ihrem zukünftigen sozialen Stand, sondern interessiert sich vielmehr für die körperliche Liebe, ganz gleich ob mit Graf oder Schneider.

Vergrößerung in neuem Fenster

Freude über die Bekanntschaft mit einem vermeintlichen Grafen: Der ältere Sohn des Hauses Häberlein & Cie. (Dominik Wortig), Polykarpus Federspiel (Richard van Gemert), der jüngste Sohn des Hauses Pütschli-Nievergelt (Peter Schöne) und Adam Litumlei (Andrey Valiguras)

Schon die Premiere hatte mit einer halben Stunde Verspätung beginnen müssen, weil die Technik streikte, und behoben war die Panne auch in der hier besprochenen dritten Vorstellung noch nicht. Dass einem durch die damit verbundenen Einschränkungen Wesentliches entgeht, ist nicht zu befürchten, denn die Ausstattung von Hank Irwin Kittel setzt auf vordergründigen Humor, der (zu) schnell durchschaubar ist. Das schweizerische Dorf Goldach, Ort der Handlung, wird zum Symbol für zeitgenössischen Markenwahn: Eine vergoldete Ruhmeshalle mit den eingegossenen Börsenkursen wichtiger Lifestyle-Unternehmen bildet den Hintergrund für das skurrile Treiben. Zwischentöne sind auch bei der Zeichnung der Charaktere nicht vorgesehen, Schneider Strapinsi ist ein naiver Dummkopf, die anderen blasierte Snobs, Nettchen ein flippiges (und in solcher Gesellschaft ziemlich gelangweiltes) Mädchen, ihr verschmähter Liebhaber Verehrer Böhni ein biedere Spießer mit Hang zur Intrige. Man kann sicher mehr aus dem Stoff machen als Hovenbitzer dies tut; zum Saisonabschluss verstärkt auf den Unterhaltungsaspekt zu setzen ist freilich auch ein nachvollziehbarer Zugang.

Vergrößerung in neuem Fenster Verlobung geplatzt, weil der Graf (Kor-Jan Dusseljee) doch nur ein Schneider ist - Nettchen (Dagmar Hesse) braucht einen Moment der Besinnung, bis sie über alle sozialen Grenzen hinweg das erotische Abenteuer suchen wird.

Sehr differenziert aber gelingt die musikalische Seite. Das Philharmonische Orchester Hagen spielt klangprächtig und nuanciert wie lange nicht mehr. Dirigent Antony Hermus findet den passenden Tonfall, der spätromantische Klangpracht mit kammermusikalischer Genauigkeit vereinbart, und auch die Mischung zwischen Musikkomödie und „seriöser“ symphonischer Großform stimmt. Kor-Jan Dusseljee ist mit markantem, durchsetzungsfähigem Tenor ein überzeugender Schneider Strapinski, den Dusseljee konsequent als naiven Hinterwäldler anlegt. Dagmar Hesses leuchtender, auch in den dramatischen Passagen sehr kontrollierter Sopran ist ideal für die Partie des Nettchens, zumal die Sängerin als verführerisch langbeinige Amtsratstochter eine blendende Figur abgibt. Frank Dolphin Wong singt einen sehr akkuraten Prokuristen Böhne – dass seiner Stimme noch eine charakteristische Färbung fehlt, passt hier gut zur Rolle des verschmähten und darüber beleidigten Liebhabers, der mit gehobenem Ordnungssinn das falsche Spiel durchschaut und in die vermeintlich richtigen Bahnen zurück lenkt.

Sehr engagiert und präsent (wenn auch mitunter etwas zu „knallig“) singt der Chor, und überhaupt wird fast das gesamte ausgesprochen spielfreudige Hagener Ensemble aufgeboten. Dem kleinen Haus gelingt eine mehr als akzeptable Wiederbelebung dieser fast vergessenen Oper. Bleibt zu hoffen, dass der Charme von Kleider machen Leute sich an anderen Bühnen herumspricht – das Hagener Plädoyer für dieses Werk liefert starke Argumente für mehr Zemlinsky.


FAZIT

Auch wenn die unterhaltsame Inszenierung harmlos an der Oberfläche bleibt, eine sehr hörenswerte Wiederentdeckung – nicht nur für ausgewiesene Zemlinsky-Fans empfehlenswert.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Antony Hermus

Regie
Roman Hovenbitzer

Ausstattung
Hank Irwin Kittel

Choreographie
Angel Blasco

Dramaturgie
Christian Wildhagen

Choreinstudierung
Uwe Münch

Opernchor des Theater Hagen

Philharmonisches Orchester Hagen


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Wenzel Strapinski
Kor-Jan Dusseljee

Sein Meister
Anastasios Psaltis

Erster Schneidergeselle
Boris Leisenheimer

Zweiter Schneidergeselle
Wolfgang Niggel

Der Amtsrat
Horst Fiehl

Nettchen, seine Tochter
Dagmar Hesse

Melchior Böhni
Frank Dolphin Wong

Adam Litumlei
Andrey Valiguras

Frau Litumlei
Marilyn Bennett

Polykarpus Federspiel
Richard van Gemert

Der ältere Sohn des
Hauses Häberlein & Cie
Dominik Wortig

Frau Häberlein
Tanja Schun

Der jüngere Sohn des
Hauses Pütschli-Nievergelt
Peter Schöne

Der Wirt
Rainer Stevens

Die Wirtin
Edeltraud Kwiatkowski

Die Köchin
Anja Frank-Engelhaupt
* Vivian Guerra

Der Kellner
Johan de Bruin
* Libor Maly

Der Kellnerjunge
Markus Breuer
* Robert Lankester

Ein Kutscher
Ein Prologus
Bernhard Modes


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen (Homepage)




Da capo al Fine

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