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Musiktheater
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Belcanto-Gala
Il crociato in Egitto

Melodramma eroico in due atti
von Giacomo Meyerbeer
Text von Gaetano Rossi
Aufführung basierend auf der Fassung
der Uraufführung sowie der Pariser
Fassung von 1825


In italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 3 h 10' (eine Pause)

Konzert am 19. Juni 2005
im Musiktheater im Revier Gelsenkirchen


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Musiktheater im Revier
(Homepage)
Die Wiederentdeckung des italienischen Meyerbeer

Von Thomas Tillmann



Natürlich weiß man am Musiktheater im Revier, dass mit Belcanto nicht nur die Opern von Rossini, Donizetti und Bellini gemeint sind, sondern vieles mehr, und so war eine weitere der beliebten und den Namen auch wirklich verdienenden Belcanto-Galas des Hauses einer konzertanten Aufführung zentraler Nummern des Crociato in Egitto gewidmet, also eines frühen Werkes aus der italienischen Phase des "Phantoms der Oper" Giacomo Meyerbeer, der später in Paris allen polemischen, antisemitischen Verunglimpfungen des undankbaren Richard Wagner zum Trotz als Schöpfer der französischen grand opéra in die Musikgeschichte eingegangen ist. Wie schön, dass sich eine Wiederentdeckung des bemerkenswerten Oeuvres des aus Berlin stammenden Komponisten mindestens abzeichnet - man kann nur hoffen, dass die finanzkräftigeren Häuser der Region nachziehen und nicht nur immer das altbekannte Mainstreamrepertoire in wenig spannenden Neuinszenierungen präsentieren.

"Jeder Singekomponist muß von Zeit zu Zeit nach Italien gehen nicht der Kompositionen, sondern der Sänger wegen. Nur von großen Sängern lernt man sangbar und vorteilhaft für die Menschenstimme zu schreiben", zitiert Reiner Zimmermann Meyerbeer in seiner bemerkenswerten Biografie des Künstlers, der sich Anfang 1816 zum ersten Mal auf den Weg ins Mutterland der Oper machte und etwa ein Jahr später seinen Vornamen Jacob in Giacomo umgeändert hatte, "dem gastlichen Land zuliebe", wie Zimmermann vermutet. In einem Brief hat der Komponist freilich darauf hingewiesen, dass er keineswegs Rossini habe imitieren oder unbedingt eine Oper im italienischen Stil habe schreiben wollen, obwohl Il crociato in Egitto natürlich den Einfluss der 1819 entstandenen Opern Ermione und Mosè nicht verleugnen kann. Zweifellos wollte Meyerbeer sich an dem höchsten kompositorischen Standard seiner Zeit messen. Es handelt sich um seine sechste, letzte und erfolgreichste italienische Oper, mit der er immerhin die Monopolstellung des zuvor Genannten auf den Bühnen Italiens brach und somit einen Wendepunkt in der italienischen Operngeschichte markierte, nämlich den Übergang von der von Rossini geprägten Opera seria zur mittleren Periode der "Romantik". Nicht zuletzt hatte Meyerbeer spätestens jetzt auch zu seiner eigenen Sprache gefunden, denn vieles in diesem Werk weist bereits auf die grand opéra hin.

Die sehr erfolgreiche Uraufführung fand am 7. März 1824 im Teatro La Fenice in Venedig statt, und bereits 18 Monate nach der Uraufführung existierten vier verschiedene Fassungen: Diejenige der Uraufführung ist nach der Premiere nie mehr zur Aufführung gekommen, und so trat beispielsweise sehr rasch auch ein zartes Finalduett für Armando und Palmide an die Stelle des originalen Rondos für Armando, das an die ähnliche Schlussnummer in der Cenerentola gemahnt und dem letzten wirklich bedeutenden Kastraten, Giovanni Battista Velluti, auf den Leib geschrieben war, der 1833 in Florenz diese Partie zum letzten Mal gesungen hat. In Gelsenkirchen präsentierte man an diesem Abend übrigens gleich beide Fassungen des Schlusses.

Klangbeispiel Klangbeispiel: Elena Brilova (Palmide) und Anke Sieloff (Armando).
(MP3-Datei)


Für Mezzosoprane liegt die Rolle des Armando in der ursprünglichen Version ziemlich unangenehm, und dieser Umstand erklärt auch, warum vieles, was Meyerbeer für die Titelpartie geschrieben hat, nach so kurzer Zeit verschwunden war. Am Pariser Théâtre Italien wurde bei den von Rossini dirigierten Aufführungen die Rolle des Armando sogar zum ersten Mal von einem Sopran gesungen, namentlich von Giuditta Pasta, Bellinis erster Norma und Donizettis erster Anna Bolena. In Gelsenkirchen trug man diesem Umstand Rechnung, indem man den Kreuzritter gleich zwei Sängerinnen anvertraute: Die Stärken von Anna Agathanos' an Rossini geschultem, wendigen, aber auch zu elegischen Tönen fähigen Mezzosopran liegen vor allem in der eindrucksvollen, etwas rauchigen Tiefe, von der auch ihr sehr lebendiger Vortrag der Kavatine der Felicia sehr profitierte (während die Intonationspräzision bei den Ausflügen in die hohe Lage das eine oder andere Mal verbesserungsfähig wäre), und so sang sie den Armando in den Nummern der Venezianer "Kastratenfassung", während Anke Sieloff, deren volltönender, interessant gefärbter Mezzosopran auch in Sopranlage kaum Grenzen kennt, in den Ausschnitten aus der Pariser Fassung zu erleben war und damit ein weiteres Mal unter Beweis stellte, wie sehr sie sich bei ihrem ungemein farbigen, kein Risiko kennenden, charaktervollen Singen auch auf Rolle und Text einzulassen und so eine weitere Belcantopartie wirklich zum Leben zu erwecken versteht (gern erinnert man sich an ihre furchtlose Leonora in Rosmonda d'Inghilterra).

Relativ schnell nach der Premiere des Crociato kam es übrigens auch zu Aufführungen in München, Leipzig, Dresden, Kassel, Hamburg, Berlin und Stuttgart (zum Teil auch in deutscher Übersetzung), aber auch auf Korfu, in Konstantinopel, Havanna, Mexiko und Rio - Zimmermann weiß von rund dreißig Inszenierungen des Werks innerhalb der nächsten zehn Jahre! -, aber 1860 war das Werk von den Spielplänen verschwunden. Erst im Januar 1972 gab es in London eine von Opera Rara organisierte konzertante Aufführung, von jener rührigen englischen Aufnahmefirma also, die 1990/1991 auch eine vier CDs und damit viele Alternativen umfassende Einspielung mit Yvonne Kenny (Palmide), Diana Montague (Armando), Della Jones (Felicia) und Bruce Ford (Adriano) unter der Leitung von David Parry vorlegte, im März 1979 in der Carnegie Hall mit Sängern wie Felicity Palmer, Yvonne Kenny, Justino Diaz und Rockwell Blake, der den Adriano auch 1990 in Montpellier sang (1991 soll es auch in Dresden ein Konzert gegeben haben, die weitere Aufführungsgeschichte habe ich nicht verfolgen können).

Bereits in der Orchestereinleitung, die direkt in einen anspruchsvollen Chor (die Aufmerksamkeit, die Meyerbeer dem Kollektiv widmete, war neu und zukunftsweisend für sein Schaffen), die Kavatine der Palmide und das Duett Palmide - Aladino übergeht, womit die traditionelle Nummernoper natürlich überwunden wird, spürt man den Anspruch, "der das ganze Werk durchzieht: durch Kontraste zu wirken, die Dramatik und damit die Lebendigkeit der musikalischen Formen durch die rasche Folge kontrastierender Elemente zu erhöhen" (Zimmermann), und bewundert die Meisterschaft Meyerbeers, der immense Anforderungen an die Virtuosität der Solisten stellt, in expressiver Melodik und farbiger Instrumentation. Generalintendant Peter Theiler und Musikdirektor Simon Bächli, die in bewährter unaufdringlich edukativer, durchaus unterhaltsamer Manier den Abend moderieren und wohl dosiert kluge Hinweise zu Werk und Komponist gaben (und gut daran taten, keine Inhaltsangabe der krausen Story zu versuchen!), sprechen geradezu von einem "deutschen" Beginn und spielen damit auch auf den Umstand an, dass man gerade zu Beginn eine gewisse Nähe zu Meyerbeers Studienfreund Carl Maria von Weber heraushört. Besonders reizvoll ist natürlich die vielleicht bekannteste Nummer des Werkes, das nur von einem Kammermusikensemble begleitete Terzett, aber auch der Kanon, der das "schmetternde Trompetenfinale" (Bächli) einläutet, direkt auf Mozarts Kanon am Ende des ersten Aktes von Così fan tutte anzuspielen scheint und auch an Beethovens Fidelio-Quartett denken lässt. Viele weitere Nummern müssten an dieser Stelle kommentiert werden, aber dafür reicht der Platz dann doch nicht ...

Anders als bei einigen anderen ambitionierten Projekten des MiR musste man diesmal wenig Abstriche bei den Solisten machen: Neben den bereits gewürdigten Mezzi hatte man für die erkrankte Claudia Braun die versierte Elena Brilova gewinnen können, deren fragiler Sopran die das einige Stratosphärentöne verlangende Koloraturfeuerwerk der Kavatinen und Ensembles mühelos und präzis, aber auch ein bisschen kühl und eine gewisse Langeweile verbreitend absolvierte. Mark Adler bewältigte seine anspruchsvolle Partie mit auch in der Höhe leicht ansprechendem, angenehm timbrierten, legatostarken lyrischen Mozarttenor, der für tiefere Töne nach wie vor hart arbeiten muss, und schlug sich auch mehr als beachtlich in dem extrem verzierten letzten Teil des Duetts mit Armando. Nicolai Karnolsky mühte sich mit seinem klangvollen, aber etwas behäbigen Bass mehr mit dieser Spezialisten erfordernden Musik als dass er sich um die verzierte Gesangslinie bemühte, William Saetre hatte nicht viel mehr als Stichworte zu singen, anders als der Herrenchor, der zu großer Form auflief. Cosima Sophia Osthoff schließlich tat ihr Bestes, um die arg geforderte Neue Philharmonie Westfalen zu Höchstleistungen anzuspornen, aber deren Spiel fehlte es doch an dem letzten bisschen Fluss, Eleganz, Brillanz und Esprit, um ganz überzeugen zu können.


FAZIT

Heinrich Heine schrieb nach einem Besuch der Oper: "Habe ich jemals menschliche Raserei gesehen, so war es bei einer Aufführung des Crociato in Egitto!" Ganz so euphorisch mögen die Reaktionen der Zuschauer in Gelsenkirchen vielleicht nicht gewesen sein, aber echte Begeisterung konnte man nach diesem Konzert, zu dem sich auch die Ururenkelin des Komponisten, Frau Elisabeth Beer, ins Ruhrgebiet begeben hatte, auf den meisten Gesichtern deutlich ablesen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Cosima Sophia Osthoff

Moderation
Samuel Bächli
Peter Theiler



Herrenchor des
Musiktheaters im Revier

Neue Philharmonie Westfalen


Solisten



Aladino,
Sultan von Damietta
Nicolai Karnolsky

Palmide,
seine Tochter,
Geliebte "Elmirenos"

Elena Brilova

Osmino,
Wesir
William Saetre

Adriano von Montfort,
Großmeister der
Ordensritter von Rhodos

Mark Adler

Armando von Orville,
unter dem Namen "Elmireno"
Neffe Adrianos,
Ordensritter von Rhodos

Anna Agathonos /
Anke Sieloff

Felicia,
Verlobte Armandos,
in Männerkleidung
Anna Agathonos



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