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Eine "big first night" mit kleinen Schönheitsfehlern
Von Thomas Tillmann / Fotos von Bettina Stöss Nach My Fair Lady (mit einem überschätzten Charles Brauer als Professor Higgins) und Anatevka (trotz der bewegenden Cornelia Froboess als Golde und der wunderbaren Mechthild Grossmann als Jente ein einschläfernder Abend) brachte das Aalto-Musiktheater nun einen weiteren Musical-Klassiker heraus, Kiss me, Kate, die "Show der Shows, die literarisch und doch nicht intellektuell ist, sophisticated, aber kein kluges Geschwätz, kampferprobt, aber nicht angeschmuddelt, lustig, aber nicht vulgär", wie es die Uraufführungskritik im New York Journal American ziemlich treffend beschrieb. Sie machen gute Miene zum bösen Spiel:
Klangbeispiel:
Peter Bording (Fred/Petruchio) und Astrid Kropp (Lilli/Katharina):
"Wunderbar..."
Den Auslöser zur Entstehung eines der ersten Stücke aus der "Gruppe der Tausend" (also von Shows, die es auf mehr als 1000 Vorstellungen am Broadway brachten) war bekanntlich ein Erlebnis des Produzenten und Regisseurs Arnold Saint-Subber, der während einer Aufführung von Shakespeares The Taming of the Shrew mitbekam, wie sich das als Katharina und Petruchio besetzte Ehepaar auf der Bühne genauso stritt wie hinter den Kulissen. Jahre später gewann er für die Realisierung eines Musicals mit eben diesem Sujet Bella und Samuel Spewack, die wiederum Cole Porter als Komponisten vorschlugen. Dieser hatte zwar zunächst Bedenken, Songtexte für ein auf Shakespeare basierendes Stück zu schreiben, aber mit dem berühmten Gangsterduett "Brush Up Your Shakespeare" entschuldigte er sich auf augenzwinkernde Weise bei dem großen Dichter, und auch sonst gelangen ihm einige der besten Songs seiner Karriere (nicht zuletzt deswegen mag die quirlige Backstage-Story 1949 als erstes Musical mit mehreren Tony Awards ausgezeichnet worden sein). Die deutsche Erstaufführung fand 1955 in Frankfurt am Main statt, der bedeutende Christoph von Dohnányi war damals der musikalische Leiter. Die Essener Neuproduktion basiert auf der sogenannten Broadway-Fassung von 1999, die sich durch eine reduzierte Besetzung im Graben und eine "jazzigere" Orchestration von Don Sebesky auszeichnet und auch die Nummer "From This Moment On" (aus dem Porter-Musical Out Of This World) enthält, die zwar schon in der Filmversion auftauchte, die man meines Erachtens aber auch gut hätte streichen können, da sie dramaturgisch wenig austrägt und den Charakter des Harrison Howell auch nicht wesentlich interessanter macht ("etwas nüchtern und langweilig in seiner Art" urteilen Ina Wragge und Johanna Proll nicht zu Unrecht im informativen Programmheft, und dies setzte Günter Kiefer dann auch 1:1 um). Jung, schön und verliebt: Lois (Christina Clark) und Bill (Andreas Wolfram).
Wolfgang Gruber, seit 2001/2002 Regieassistent und Abendspielleiter am Aalto-Musiktheater, verlegt die Handlung ins Uraufführungsjahr und ins Ford's Theatre in Baltimore, was nicht stört, aber auch keine rechte Begründung erfährt. Das vielseitig verwandelbare Bühnenbild ermöglicht dem Zuschauer einen Blick vor und hinter die Kulissen, wodurch im Verbund mit den veränderten, gut sitzenden, aber nicht rasend originellen Kostümen auch die verschiedenen Handlungsebenen deutlich werden; dafür dass die Szenenwechsel wie am Schnürchen funktionieren, sorgen Manfred Gruber und sein Team (er ist seit 1992/93 Ausstattungsdirektor der Theater und Philharmonie Essen und weiß natürlich um die Möglichkeiten des Hauses). Und so geht die amüsante Story temporeich und ohne erwähnenswerte Pannen oder Mätzchen hochprofessionell über die Bühne. Allerdings hätte man sich gewünscht, dass der Regisseur die Figuren weniger eindimensional und klischeehaft gezeichnet hätte, und ein bisschen mehr Originalität und ein etwas aktuellerer, vielleicht auch feministischer Blick auf die Vorlage hätten dem sehr "glatten" Abend auch nicht geschadet, gerade in Kates "I Hate Men" oder am Schluss: Dass Gruber dem happy end misstraut, wird diskret angedeutet, wenn in der letzten Begegnung zwischen Lilli und Fred alle Kulissen hochgezogen werden, die beiden ihre Shakespeare-Kostüme tragen und der Mann ziemlich ergeben und offenkundig verliebt vor der Dame seines Herzens kniet, bevor sich das Ganze dann im ausgelassenen Finale doch in eitles Wohlgefallen auflöst, bei dem Silberkonfetti natürlich nicht fehlen darf. Die Gangster Jack Diamond (Guildo Horn, links) und Harry Clark (Peter Maria Anselstetter, rechts) machen der übel gelaunten Lilli (Astrid Kropp, Mitte) deutlich, dass sie die Vorstellung zu Ende spielen wird.
Falsch fand ich die Entscheidung, insgesamt nur drei musikalische Nummern im englischen Original zu bringen und sich ansonsten auf die nur leicht veränderte, inzwischen reichlich angestaubte und mitunter ziemlich weit von der Vorlage entfernte "Übersetzung" von Günter Neumann zu stützen - es gibt doch eine Übertitelanlage am Haus, und jedes Detail des gesungenen Textes verstehen muss man ja auch nicht, um dem großen Ganzen folgen zu können (das tut man ja bei der schlechten Diktion vieler Sängerinnen und Sänger heutzutage bei Opern und Operetten auch nicht!). Wirklich nervig waren vor allem aber die vom Publikum keinesfalls erklatschten Reprisen von "Brush up Your Shakespeare" - die dritte, mit Kuhglocken gespielte hätte völlig gereicht, zumal "Special guest" Guildo Horn so witzig oder sensationell nun auch nicht war als Jack Diamond. Der ebenfalls als Gast engagierte Schauspieler Peter Maria Anselstetter als sein Partner Harry Clark jedenfalls machte keinen schlechteren Eindruck, aber wenn man ehrlich ist, sind die Gangsterrollen an sich so erfolgssicher, dass man sie auch zwei weiteren Ensemblemitglieder oder Chorherren hätte übertragen können. Gewünscht hätte man sich viel mehr eine Wiederholung des sensationell präsentierten "Too Darn Hot", das, angeführt von Alexander Thompson, der den Garderobier Paul Fuller mimte und seit 2002 auch Inspizient des Hauses ist, ein echter Showstopper war. Überhaupt war man begeistert von der wirklich umwerfenden, einfallsreichen, witzigen und auch gut ausführbaren Choreografie von Paul Kribbe und James de Groot, die die Solistinnen und Solisten, das gut aufgelegte aalto ballett theater essen und selbst den (um Mitglieder der BREAK. A. LEG-Company von Paul Kribbe verstärkten) Opernchor, der mit viel Spaß bei der Sache war und anfängliche Koordinationsprobleme mit dem Graben schnell überwand, höchst erfolgreich in mitreißende Bewegung versetzt hatten. Sie schlagen dem berühmten Hit entsprechend bei Shakespeare nach: Jack Diamond (Guildo Horn, links) und Harry Clark (Peter Maria Anselstetter, rechts).
Die beiden Musicalspezialisten haben seit einigen Jahren unter anderem am Capitol-Theater in Düsseldorf erfolgreiche Produktionen erarbeitet und dort auch Heribert Feckler kennen gelernt, jenen musikalischen Tausendsassa, der nicht nur große Erfahrung als Ensemble-Sänger des Collegium Vocale Köln und der Cöllner Kanzonisten und als Opern- und Konzertsolist hat, sondern natürlich vor allem als Musicalinterpret, - produzent und -komponist (zu nennen wäre hier Das Mädchen Rosemarie, das vor kurzem in dem erwähnten Musicaltheater der Landeshauptstadt uraufgeführt wurde). Feckler war zweifellos der eigentliche Motor der Aufführung und rastloser Garant für einen ungemein schmissigen, inspirierenden Sound - die Bergischen Symphoniker klangen unter seiner Leitung, als hätten sie nie etwas anderes gespielt! -, und eine animierende Unterstützung der viel gelöster als sonst an diesem Haus erlebt agierenden Darsteller war er auch. Schlussbild mit gezähmter Dame (Astrid Kropp als Katharina in den Armen von Peter Bording als Petruchio in der Mitte zusammen mit dem Ensemble des Aalto Musiktheaters)
Eine Ausnahme stellt hier nur die ausstrahlungsarme, kühle und sehr auf äußere Wirkung bedachte Astrid Kropp dar, die zwar als Lilli Vanessi und Katharina eigentlich wenig falsch machte, die aber einfach weder eine in den Bann ziehende Diva noch eine wirklich gute Schauspielerin ist und ausgesprochen unauffällig und langweilig blieb; der berühmteren Kolleginnen abgelauschte Musicalton wirkte auch ziemlich aufgesetzt. Meiner Meinung nach hätte man den offenbar nicht kleinen Gästeetat darauf verwenden sollen, eine sprühendere, charismatischere Interpretin für die Titelrolle zu engagieren anstatt Fernsehprominenz im Karrieretief zu beschäftigen. Laut Programmheft soll Fred C. Graham "nicht minder divenhaft veranlagt und eitel" sein wie seine Partnerin, und dies setzte Peter Bording, der vor seinem Debüt als Opernsänger reichlich Musical-Erfahrung gesammelt hat (in Produktionen von Cats, Phantom of the Opera, West Side Story, Candide, A Little Night Music, Show Boat u. a.), mustergültig und mit ausgefeilter Gestik um. Mit seinem leicht ansprechenden lyrischen Bariton wusste er aber auch die eher ernsten, sentimentalen Songs großartig zu präsentieren, und gut tanzen und Dialoge sprechen kann er auch (mit manchmal doch durchschlagendem niedlichen holländischen Akzent). Die Stars der Aufführung waren allerdings Christina Clark, die als Lois nicht nur optisch ein Ereignis war, sondern Publikum wie Bühnenpartner wirkungsvoll zu becircen verstand, und Andreas Wolfram, der als Bill hinreißend tanzte und aussah und weder für seine Bianca noch für die Zuschauer schlanker werden muss, sondern allenfalls noch ein bisschen an seiner einige Grenzen aufweisenden typischen Musicalstimme arbeiten sollte - ein tolles, wunderbar harmonierendes Paar waren die beiden! Marie-Helen Joel machte zu Beginn aus "Another Op'nin, Another Show" mehr als aus manchen ihrer Opernpartien, Holger Penno schließlich war ein herrlich schrulliger Baptista.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Ausstattung
Choreografie
Choreografische Assistenz
Licht
Choreinstudierung
Dramaturgie
Solisten* AlternativbesetzungLilli Vanessi/Katharina Astrid Kropp
Fred C. Graham/Petruchio
Lois Lane/Bianca
Bill Calhoun/Lucentio
* Petter Bjällö
Paul Fuller, Garderobier
Hattie Hill, Garderobiere
Harry Clark, Gangster
Jack Diamond, Gangster
Harrison Howell
* Michael Haag
Harry Trevor/Baptista
Noel Gordon/Gremio
Charles Wood/Hortensio
Ensemble:
Daniela Günther Heather Shockley Karin van Sijda Carlos Sampaio Steven Timmerman (Mitglieder der BREAK. A. LEG-Company, Leitung: Paul Kribbe)
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