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A Midsummer Night's Dream
(Ein Sommernachtstraum)

Oper in drei Akten nach der gleichnamigen Komödie von William Shakespeare
Libretto von Benjamin Britten und Peter Pears
Musik von Benjamin Britten


In englischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Aufführungsdauer: ca. 3 h (eine Pause)

Premiere im Aalto-Theater Essen am 22. Januar 2005
(rezensierte Aufführung: 4. Februar 2005)


Logo:  Theater Essen

Theater Essen
(Homepage)
Hohe Kunst der leisen Töne

Von Stefan Schmöe / Fotos von Matthias Jung


Nichts ist, wie es scheint. Mit einem leitmotivisch eingesetzten Glissando der Violinen umreißt Benjamin Britten vom ersten Takt an eine Stimmung des Nicht-Fassbaren, Verschwimmenden, wo auch musikalisch jederzeit alles kippen, sich umkehren könnte. Eine Musik, die gleichsam unter der Oberfläche vibriert, wo es keine Oberfläche gibt – mehr ein Schleier, unter dem sich der kammermusikalisch gewebte Satz fortspinnt. Pietro Rizzo, dem Ersten Kapellmeister am Aalto-Theater, gelingt es fabelhaft, diese fragile Atmosphäre zu erzeugen und gleichzeitig einen tragfähigen Spannungsbogen aufzubauen. Rizzo wagt viel, fordert auch von den Blechbläsern fast durchweg Piano und Pianissimo. Die Essener Philharmoniker spielen äußerst diszipliniert und zeichnen zuverlässig die kleinsten Verästelungen der Musik nach, wo jede Verschiebung zum Ereignis wird. Eine Musik, die zum genauen zuhören zwingt – und eine, bei der man sich fragt, warum sie nicht (auch an kleinen Theatern) häufiger gespielt wird.

Szenenfoto Im Schlaf liegt vergessen: Oberon und Puck entzaubern Tytania, die nun glauben wird, nur im Traum in einen Esel verliebt gewesen zu sein.

Als optisches Gegenstück hat Bühnenbildner Dirk Becker einen barocken Saal, halb Ahnengalerie, halb Bibliothek gebaut, der wie in Scheiben zerschnitten und mehrfach durchbrochen ist. In den Gräben gleiten lautlos Wagen hin und her, auf denen die Elfen vorüberhuschen, und Scheeflocken im hinteren oder fallendes Herbstlaub im vorderen Bereich bei Bedarf die irreale Atmosphäre verstärken. Es ist kein Wald, die Natur kommt bestenfalls als Zitat vor; es sind die menschlichen Verwirrungen, die hier gezeigt werden, und außerdem wird die barocke Theatermaschinerie bemüht: Der Blick geht von Britten unter Umgehung der Romantik zu Shakespeare, so scheint es.

Szenenfoto

Vereint nach einer Sommernacht voller Verwirrungen: (von links) Demetrius und Helena, Lysander und Hermia, allesamt im bürgerlichen Nachtgewand

Wenn auch hier der Schein mitunter trügt, dann liegt das allerdings auch daran, dass Regisseur Michael Schulz Schwierigkeiten hat, Maß zu halten und sich auf einen Ansatz zu konzentrieren. Wirkt der Verweis auf das Barocktheater lange wie eine Art Klammer, so fehlt gerade am Schluss etwas, das diese schließen und die auseinander laufenden Episoden zusammenhalten könnte. An vielen Stellen zeigt Schulz Gespür für die großen Bilder und für atmosphärische Elemente und hat auch schöne Ideen, was die Personenregie betrifft – so etwa beim Erwachen der Liebespaare Lysander – Hermia – Demetrius – Helena: Da wird ein gegenseitiges Umarmen in allen Kombinationen geradezu choreographisch aufgebaut als ein unwissentliches Resümee an die vergangene (und vergessene) Nacht. Aber gerade solche starken Momente müssten zwingender in den Gesamtzusammenhang eingebaut werden.

Szenenfoto Dreifache Hochzeit: Theseus und Hippolita (Mitte), sekundiert von Demetrius und Helena (rechts) sowie Lysander und Hermia, inzwischen korrekt gekleidet.

Schulz verzettelt sich mit zu vielen überflüssigen Elementen. Eine Stoffgiraffe, die dann und wann durchs Bild gleitet, wirkt ebenso belanglos wie das alberne Ich-bin-ein-Pferd-Gehopse des Herzogs oder das plumpe Damen-Catchen zwischen Hermia und Helena. Im dritten Akt kommt es zu einen Bruch: Den Paaren Lysander / Hermia und Demetrius / Helena, inzwischen im schneidigen Diplomaten-Outfit, sind die Verwicklungen der vorangegangenen Sommernacht (wo sie sich in Pyjama und Nachthemd gegenseitig verfehlten) nicht einmal ein bisschen anzumerken; dafür sind die Handwerker, die zuvor very british agierten, urplötzlich alberne Komödianten, noch dazu bei mit allerlei überflüssigen Assessoires ausgestattet.

Szenenfoto

Herrscher des Verfahrens: Oberon und sein alter ego Puck

Überzogen sind auch die Kostüme, die sich bei den Elfen in comichafter Manier zwischen Barock und Fantasy bewegen – und insgesamt zu schrill, zu aufdringlich geraten sind. Dagegen sind die Charaktere teilweise recht wenig entwickelt. Brillant und die bühnenbeherrschende Figur ist zweifelsohne der von (dem kleinwüchsigen) Rüdiger Frank gespielt wird (eine reine Sprechrolle): Ein giftiger, gefährlicher Kobold und das alter ego von Oberon. Diesen allerdings verliert die Regie bald aus den Augen, wie überhaupt der Handlungsstrang um Oberon (mit schönem, wenn auch sehr zartem Countertenor: Thomas Diestler) und Tytania (mit belanglos zartem Sopran: Christina Clark) kaum Gewicht bekommt. Dass die betont unattraktiv und matronenhaft aufgetakelte Hermia (solide: Gritt Gnauck) zunächst zwei, die attraktive und verführerische Helena (Mary Anne Kruger braucht in fast jeder Phrase ein paar Töne, bis ihre Stimme zu leuchten beginnt) zunächst keinen Verehrer hat, ist kaum glaubwürdig. Stimmlich sind sowohl Lysander (Andreas Hermann) als auch Demetrius (Peter Bording) gut besetzt.

Szenenfoto Theater auf dem Theater: Die Handwerker spielen "Die tief tragische Komödie und der tief traurige Tod von Pyramus und Thisbe"

Unter den detaillierter gezeichneten Handwerkern, die ein exzellent aufeinander abgestimmtes Ensemble bilden, ragt Diogenes Randes als sehr präsenter Bottom (der als Esel unerwartetes Liebesglück erfährt) heraus. Theseus (souverän: Almas Svilpa) und Hippolyta (wabernd: Ildiko Szönyi) sind ein Herzogpaar im Rentenalter, mit dem die Regie so recht nichts anzufangen weiß. Musikalisch blendend sind die Elfen, mit Helga Wachter, Stefanie Rodriguez, Sabine Brunke-Proll und Michaela Cenkier in den solistischen Rollen und dem sehr agilen und homogenen Frauen- und Kinderchor des Aalto-Theaters. Überhaupt ist es die geschlossene, klanglich sorgfältig ausgelotete Ensembleleistung, die Brittens Musik leuchten lässt.


FAZIT

Eine hörenswerte und mit einigen Einschränkungen sehenswerte Produktion mit manchen beeindruckenden Bildern, die szenisch aber keinen Zielpunkt findet.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Pietro Rizzo

Inszenierung
Michael Schulz

Bühnenbild
Dirk Becker

Kostüme
Renée Listerdal

Choreinstudierung
Alexander Eberle

Dramaturgie
Kerstin Schüssler

Licht
Hartmut Litzinger



Damen des Opernchores
des Aalto-Theaters

Mitglieder des Kinderchores
des Aalto-Theaters

Die Essener Philharmoniker




Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Oberon, der König der Elfen
Thomas Diestler

Tytania, Königin der Elfen
* Christina Clark
Olatz Saitua-Iribar

Puck
Rüdiger Frank

Theseus, Herzog von Athen
Almas Svilpa

Hippolyta, Königin der Amazonen
Ildiko Szönyi

Lysander
* Andreas Hermann
Marwan Shamiyeh

Demetrius
* Peter Bording
Heiko Trinsinger

Hermia
Gritt Gnauck

Helena
Astrid Kropp
* Mary Anne Kruger

Bottom, der Weber
Diogenes Randes

Quince, der Zimmermann
Marcel Rosca

Flute, der Bälgenflicker
Albrecht Kludszuweit

Snug, der Schreiner
Michael Haag

Snout, der Kesselflicker
Rainer Maria Röhr

Starveling, der Schneider
Günter Kiefer

Cobweb
Kyung-Nan Kong /
* Helga Wachter

Peaseblossom
Stefanie Rodriguez

Mustardseed
Sabine Brunke-Proll

Moth
* Michaela Cenkier /
Anne Kathrin Rosenstock






Weitere Informationen
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