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Im Märchentraum dem Alltag entfliehen
Von Stefan Schmöe / Fotos von Eduard Straub Ein Kindermärchen ist Jules Massenets französische Aschenputtel-Variante Cendrillon nicht. Das liegt weniger an der Handlung die gute Fee als Zutat zum bekannten Spiel werden auch deutsche Kinder hinnehmen als vielmehr an der ausladenden Musik, die dem idealisierten Liebespaar Aschenputtel / Prinz üppige und ausladende Liebesduette schreibt, was in diesem Umfang ein vorpubertäres Publikum doch nur mäßig interessiert. Mit genau diesem Problem hat die von Robert Lichter, dem Gründer des Opernstudios der Deutschen Oper am Rhein, für Kinder eingerichtete Fassung zu kämpfen. Einerseits soll die Aufführung junges Publikum ansprechen, andererseits den Mitgliedern des Opernstudios die Möglichkeit geben, praktische Bühnenerfahrung zu sammeln. Lichter hat den spätromantischen Orchestersatz des 1899 entstandenen Werks auf kammermusikalische Maße zusammengestutzt. Dabei geht leider vieles verloren, denn insbesondere die Streicher sind arg dünn besetzt und liefern nicht das klangliche Fundament, das die Linienführung der Singstimmen einfordert. Und die rechte Verschmelzung der instrumentalen und vokalen Klangfarben will Lichter, der die Aufführung auch dirigiert, nicht recht gelingen. Neuschwanstein an der Wand als Ziel aller Sehnsüchte: Cendrillon träumt.
Ob das an übermäßiger Rücksicht auf die Sänger lag? Francisca Devos in der Titelrolle könnte sich wohl gegen ganz andere Klanggewalten durchsetzen. Ihr leuchtender Sopran, der mühelos den Raum ausfüllt, ist für diese Fassung schon zu dramatisch angelegt und weist leichte Schärfen in der Höhe auf. Da wäre ein voller Orchestersound als Gegenwicht durchaus angemessen. Tina Scherer als Prinz (von Massenet mit einem Mezzo-Sopran besetzt, was dem Paar etwas Entrücktes verleiht) ist weicher und lyrischer, dabei ebenfalls sehr sicher in der Stimmführung. Den Duetten der beiden ist nicht anzuhören, dass es sich nur um eine Produktion des Opernstudios handelt da wachsen der Deutschen Oper am Rhein zwei viel versprechende Nachwuchskräfte heran. Guter Vater, böse Stiefmutter
Robert Tóth als Vater Aschenputtels verfügt zwar über eine angenehm lyrische, aber wenig charakteristische Baritonstimme, der es noch an Ausdrucksmöglichkeiten fehlt; ähnliches gilt für den Bass von Cesare Kim (König). Ekaterini Papadopoulou als böse Stiefmutter hat nicht nur eine (mitunter unangenehm) scharfe Stimme, sondern auch einige Intonationsprobleme ganz so zickig hätte sie ihre Rolle dann doch nicht interpretieren müssen. Anja-Nina Bahrmann und Dominique Engler (beide als Gäste des Opernstudios ausgewiesen) sind dagegen als böse Stiefschwestern zu brav, da fehlt es noch an dem nötigen vokalen Gewicht. Cornelia Berger aus dem richtigen Ensemble der Deutschen Oper am Rhein hat als Fee eine Sprechrolle, die man sicher noch poetischer gestalten könnte; Marco Vassalli ist als Erzähler vor allem komödiantisch gefragt, was er souverän bewältigt. Märchenprinzen mag man sich anders vorstellen, aber die bösen Stiefschwestern bekunden dennoch Interesse.
Szenisch hat man in Duisburg und Düsseldorf aus der verunglückten Kinderfassung des Barbier von Sevilla aus dem Vorjahr (unsere Rezension) gelernt und mit viel Liebe zum Detail eine Inszenierung geschaffen, die Kinder wie Erwachsene gleichermaßen anspricht. Regisseur Marcus Lobbes steckt mit Küchenherd und Waschmaschine, beide nicht auf dem aktuellen Stand der Technik, den Rahmen für das Märchen klar ab: trister Alltag, irgendwann in den letzten 40 Jahren; und dies bleibt beständig im Raum stehen, ohne dass dies in irgendeiner Form aufdringlich wäre. An der Wand hängt ein Poster von Schloss Neuschwanstein, was ironisch auf das Bedürfnis nach märchenhafter Veränderung anspielt (man kann auch einen Seitenhieb auf die Anklänge an Wagner in der chromatisch geschwängerten Musik darin sehen). Auch im Hintergrund wird Neuschwanstein im Großformat eingeblendet, aber nur hinter den altrosa Vorhängen, die den Raum streng-spießig eingrenzen (Bühne: Jörn Fröhlich). Das Märchenhafte bleibt Illusion, mit einem gewissen Maß an Kitsch (und viel Ironie), und sich dieser Illusion ganz hinzugeben, das lässt Lobbes nicht zu aber immerhin so weit, dass das Märchenspiel funktioniert. Und zwar ausgesprochen humorvoll. Das hohe Paar, im Glück vereint: Cendrillon und der Prinz.
Dieser pfiffige Regieansatz wäre einer, mit dem man die Originalversion der weitgehend vergessenen Oper auf ihre Bühnentauglichkeit untersuchen könnte, denn sie geht geschickt mit dem Sentiment der Partitur um. Die Aufführung macht durchaus Lust auf mehr ein bisschen wie die Demo-Version eines Computerprogramms, die immer an den interessanten Stellen abblockt. Auch im Hinblick auf Kinderfreundlichkeit wäre es schön, die (wenn auch gekürzt) vollständige Musik mit sattem Klang zu spielen. Dann wären vielleicht auch die Liebesduette in ihrer (hier nur angedeuteten) Klangpracht vermittelbar.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Dramaturgie
Solisten
Der König
Prinz
Phandolphe
Cendrillon
Madame de la Haltière
Noémie
Dorothée
Die Fee
Erzähler / Herold
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