Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Schwanensee

Ballett von Xin Peng Wang nach Marius Petipa und Lew Iwanow
Musik von Peter I. Tschaikowsky

Premiere am 5. Februar 2005

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)


Homepage

Theater Dortmund
(Homepage)
Schaulaufen

Von Stefan Schmöe / Fotos von Thomas M. Jauk (Stage Picture Gmbh)

Zu Beginn wird eine Leinwand auf die Bühne herab gelassen. Darauf sieht man Wasser, Schwäne, ein Mädchengesicht, oft in Überblendung. Doch die eindrucksvolle Videoinstallation verschwindet schnell; wird zwar später noch eingeblendet, aber ohne eine tragende Rolle einzunehmen. Was so viel versprechend beginnt, entpuppt sich dann schnell als ziemlich konventionelle Deutung von Tschaikowskys Schwanensee: Dortmunds Ballettchef Xin Peng Wang hat die nun über 100 Jahre alte Originalkonzeption von Marius Petipa und Lew Iwanow zwar hier und da aufgepeppt, hält sich mit eigenen (Um-)Deutungen jedoch dezent zurück.

Vergrößerung in neuem Fenster

Träumerei vor Videoinstallation: Siegfried in banger Erwartung, was in den nächsten zweieinhalb Stunden wohl kommen wird.

Wenn sich der Vorhang öffnet, sieht man eine lässig gekleidete Geburtstagsgesellschaft irgendwann im 20. Jahrhundert, bei der auch Handy und Fotokamera nicht fehlen. Getanzt wird freilich auf Spitze, Gesellschaftstänze sind dezent angedeutet. Man schenkt Kunstgegenstände, und der mondäne Herr Rotbart hat dem eben volljährig gewordenen Siegfried eine Schwanenstatue mitgebracht. Der Handlungsfaden reißt jedoch in allen vier Akten schnell ab und macht einer losen Aneinanderreihung von Einzelnummern Platz, in denen das Dortmunder Ballettensemble seine Qualitäten vorführen kann, eifrig beklatscht und bisweilen auch bejubelt vom Publikum, dem diese Art des Schaulaufens sichtlich Freude bereitet.

Vergrößerung in neuem Fenster

Elegantes Paar auf der Geburtstagsparty: Siegfrieds Mutter mit ihrem Lover Rotbart

Der erste Akt („Geburtstag“) und der dritte Akt („Maskenball“) sind in ihrer Buntheit, die im karnevalesk angehauchten dritten Akt ins Grelle tendiert, in erster Linie als Kontrast zu den „weißen“ Akten zwei und vier angelegt, die in einer bläulich-weiß ausgeleuchteten Traumwelt einen Gegenpol zur schnöden Realität bilden. Hier gelingen Xin Peng Wang beeindruckende Bildwirkungen. Er versteht es, das schier riesige corps de ballett effektvoll zu arrangieren. Freilich ist die Choreographie ganz und gar klassisch, Ballett in Reinform also. Nicht sehr glücklich ist dagegen das Bühnenbild mit einem überdimensionierten, arg kitschig geratenen Schwan, dessen aufgerissener Bauch allzu offensichtlich eine Vagina assoziieren lässt. Wenn die kleinen Schwäne da hinaus oder hineintrippeln, fühlt man sich, pardon, unfreiwillig an Woody Allen als Spermie in „Was sie schon immer über Sex wissen wollten“ erinnert.

Vergrößerung in neuem Fenster

Barbie lässt grüßen: Siegfried träumt sich diesen blondierten Schwan namens Odette herbei.

Doch auch dieser Symbolik hängt Xin Peng Wang nicht sonderlich lange nach. Wichtiger ist ihm auch hier die ästhetische Verknüpfung, die „schönen Bilder“ und die Möglichkeit, die Qualitäten seines Ensembles vorzuführen. Der technische Standard des Dortmunder Balletts ist in der Tat gut und der Ausdruck bei aller Sportlichkeit immer elegant. Die tänzerischen Mittel aber verselbstständigen sich schnell, haben wenig Bezug zur Handlung (soweit man überhaupt von einer solchen, hier ja nur vage angedeuteten sprechen möchte). In den Hauptrollen beeindrucken die Tänzer mehr durch ihr allgemeines Können als durch einen persönlichen Ausdruck. Mark Radjapovs (Siegfried) eindrucksvolle Sprünge wirken austauschbar, nicht künstlerisch zwingend – es sei denn, man wollte ein Argument wie „Ballett war schon immer so“ gelten lassen. Bei Monica Fotescu-Uta (Odile / Odette) wird das noch dadurch verstärkt, dass sie mit wasserstoffblonder Perücke auch noch optisch übermäßig „typisiert“ wird und ihr jede individuelle Persönlichkeit genommen wird. Rotbart (Ivica Novakovic) ist durch einen langen schwarzen Mantel und „teuflische“ Haartracht äußerlich dämonisiert, setzt dies tänzerisch aber erst im vierten Akt entsprechend um. Maike Günther (Siegfrieds Mutter), als Gast engagiert, darf im lang geschlitzten Rock ihre unendlich langen Beine zeigen und ist ganz das mondäne Luxusweibchen – aber mehr als ein Klischeebild macht die Choreographie nicht aus der Figur.

Vergrößerung in neuem Fenster Beim Maskenball bringt diese junge Dame namens Odile unseren Siegfried so durcheinander, dass er seinem Traumbild untreu wird.

Hin und wieder wird so etwas wie ein Interpretationsansatz angedeutet (etwa homoerotische Neigungen bei Siegfried), aber nie wirklich verfolgt. So wird dieser Schwanensee zu einer Mischung aus Tanz-Revue und Leistungsschau. Da passt es, dass die hervorragenden Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Günter Wallner präzise und klangschön begleiten – aber eben nur begleiten und keine eigenen Akzente setzen. Dem applausfreudigen Premierenpublikum hat's gefallen – hat man doch in den „weißen“ Akten das Gefühl, zurück in der guten alten Zeit des Balletts zu sein. Ein wenig mehr persönliche Handschrift und Mut zur eigenen Interpretation dürfte Xin Peng Wang indes zukünftig ruhig wagen.

Vergrößerung in neuem Fenster

Aber was soll's: Bei so schönen Arrangements kommt es auf die Handlung ohnehin nicht an.

FAZIT

Trotz ein paar flotter Kostüme ein rückwärts gerichteter Ansatz: Schwanensee dient hier in erster Linie als Vorwand, die (beachtlichen) Qualitäten des Dortmunder Balletts zu zeigen.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam


Musikalische Leitung
Günter Wallner

Choreographie und Inszenierung
Xin Peng Wang

Bühne und Kostüme
Hans Martin Scholder


corps de ballet des Theater Dortmund

Philharmonisches Orchester Dortmund


Solisten

* Besetzung der Premiere

Odette / Odile
* Monica Fotescu-Uta /
Svetlana Tolstopiatova

Siegfried
* Mark Radjapov /
Adrian Robos

Rotbart
* Ivica Novakovic /
Philip Woodmann

Mutter
* Maike Günter a.G. /
Adriana Nadolni

Benno, Siegfrieds Freund
Yuhao Guo /
* Masanobu Negishi /
Frederic Schoetschel

Dino, Siegfrieds Freund
* Dino Baksa /
Masabonu Negishi



Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Theater Dortmund
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2005 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -