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Die große Zaza kehrt zurück auf die Bühne!
Von Thomas Tillmann
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Fotos von Thomas M. Jauk (Stage Picture Gmbh)
Wenn alles grau ist, trüb und trist, dann trägt Albin (Hannes Brock) ein bisschen mehr Mascara auf.
Klangbeispiel:
Albin (Hannes Brock) singt den Mascara-Song (Auszug).
Natürlich hat der Rezensent nicht alle gesehen, die die Rolle der Zaza respektive des Albin gespielt haben, aber doch einige, und so wage ich nach dem Eindruck der umjubelten und minutenlange standing ovations auslösenden Premiere der Dortmunder Neuproduktion des unverwüstlichen Käfig voller Narren gegen sonstige Gewohnheit das Urteil, dass es wohl keinen Interpreten gibt, der vokal so aus dem Vollen schöpfen kann, der so für allererste Diktion steht, der so unaufdringlich seine Erfahrung mit Mozart und Schubert in die Gestaltung der bekannten Songs einzubringen versteht und immer wieder neue kleine überraschende Details selbst in solchen Hits wie "Ich bin, was ich bin" zu Tage fördert, die sonst im Plakativen, nur Lauten unterzugehen drohen, der mit so subtilem Witz, mit so immensem Gespür für Timing, Nuancen und intelligente Pointen die Dialoge präsentiert, das Publikum in den keine Sekunde zu langen, scharfzüngigen Conférencen um den Finger wickelt (unter anderem mit einer abenteuerlichen Geschichte über die Beteiligung der auferstandenen österreichischen Kaiserin bei dem Unfall von Roy mit einem seiner Tiger und vertraulichen Details über ein Telefonat mit "Christinchen" Mielitz, das zu dem Dortmunder Engagement führte), wirklichen Glamour versprüht und eben nicht wie ein Bauarbeiter im Fummel über die Bühne stolpert, sondern Schleppe wie Jackie O.-Kostüm mit derselben Selbstverständlichkeit und Grandeur trägt und bei aller eingebrachten Persönlichkeit schließlich nie die professionelle Distanz zwischen Rolle und Interpret verwischt wie Hannes Brock, der mit dieser Ausnahmeleistung nicht nur sein silbernes Bühnenjubiläum feiert, sondern auch gleichzeitig sein Regiedebüt gibt. Voilà - die große Zaza (Hannes Brock) kehrt zurück auf die Bühne.
Zwölf Jahre nach seiner bereits legendären Dortmunder Erstaufführung (und vierzehn Jahre nach der Premiere der Essener Originalinszenierung) kehrt das im (dürftigen) Programmheft als "amüsantes, unterhaltsames und buchstäblich spektakuläres theatralisches Plädoyer für Toleranz gegenüber Minderheiten jedweder Art" gepriesene Stück nun in einer Neuinszenierung in die Ruhrgebietsstadt zurück, die zwar einerseits eine Verbeugung vor dem großen, viel zu früh gestorbenen Regisseur und Choreografen der Produktion von damals, Janez Samec, ist (Martin Hirner, der bereits in Dortmund dabei war und zur Zeit auch in Lübeck und Wiesbaden in diesem Musical auf der Bühne steht, fiel die etwas undankbare Aufgabe zu, einige der "großartigen und geradezu klassisch gewordenen Revue- und Showchoreographien im Andenken" an den Kollegen nachzukreieren), neben Zitaten (Jacob etwa trägt bei seinem Auftritt eine Kopie des berühmten Marlene-Dietrich-Pelzes, der damals seine Gebieterin umschmeichelte, und auch die berühmte gelbe Marie-Antoinette-Robe wird über die Bühne getragen) aber auch einige neue Einfälle aufweist, die Spaß machen: die optische Reminiszenz an die große britische Travestiediva Danny LaRue, Phädras Auftritt, der in anderen Produktionen immer ein Schwachpunkt ist, während man hier eine Blondine mit Riesenbrüsten à la Dolly Buster belächelt, die anders als das Vorbild auch noch mit einer bemerkenswerten Erektion unter dem rosafarbenen Kleid aufwarten kann, ein durchaus originelles Solo für Leder-Domina Hanna, die bei jedem Öffnen ein tuntiges "Hallo" hauchende Bar in den gestylten Privaträumen des Paares, der Auftritt eines Statisten in Lagerfeld-Optik, der das Diner bei Jacqueline würzt. Mit ein bisschen gutem Willen bekommen Albin (Hannes Brock) und Georges (Peter Zeug) die Beine noch erstaunlich hoch.
Der eigentliche Showstopper ist dabei natürlich der Auftritt Zazas im Sissi-Kostüm, in dessen Kopfputz sich auch noch Rudolf Moshammers verwaiste Daisy integrieren lässt - ein Riesenkompliment gebührt Rolf Langenfass, der seit vielen Jahren die Dekorationen für die Seefestspiele in Mörbisch und für diverse Wiener Theater entwirft und nicht zuletzt auch mit großem Erfolg das neue Sisi-Museum in der Wiener Hofburg gestaltete, für dieses atemberaubende, teure Outfit wie für all die anderen wirklich hinreißenden, mit viel Liebe zum Detail und größtem Aufwand kreierten, sehr schicken und originellen Kostüme (was hat man da schon für gemeine Fetzen gesehen, während hier die freie Übersetzung des berühmten "Honi soit qui mal y pense" aus dem Programmheft mit "Ein Narr, der selbst nicht gern mal einen Fummel trüge" nachvollziehbar wurde!), aber auch für sein gleichermaßen praktisches, leicht verschiebbares und immer sehenswertes Bühnenbild (wobei die Meinungen auseinander gingen, ob Albins Art-Déco-Salon oder der Showbühne mit ihren diversen Beleuchtungsvorrichtungen die Palme gebührt). Klangbeispiel: Zaza (Hannes Brock) singt den Titelsong: "La cage aux folles".Er führt das Publikum durch die atemberaubende Revue im La cage aux folles: Clubbesitzer Georges (Peter Zeug).
Peter Zeug stand bereits über hundertmal als Georges neben Hannes Brock auf der Bühne, und für mich ist er mit seinem schlaksigen Äußeren und immer noch jungenhaften Charme einfach der ideale Georges, auch wenn die nie berühmte Stimme nicht netter geworden ist und mancher hohe Ton am Premierenabend arg gefährdet klang. Frank Odjidjas gleichermaßen erotischen wie überdreht-witzigen Jacob konnte man ebenfalls bereits in Essen, Dortmund und St. Gallen bewundern, während ich mich für Julian Schmidt nur sehr begrenzt begeistern konnte, der für den Jean-Michel zwar eine attraktive Physis mitbrachte und auch nicht schlecht tanzte, an seiner quäkigen Stimme aber auch nach dem Ende seiner "professionellen Ausbildung zum Musicaldarsteller" weiterarbeiten sollte. Auch Tina Podstawa sah als Anne zwar nett aus, schaffte es aber wie so viele vor ihr nicht, der Figur ein darüber hinausgehendes Profil zu verleihen. Mit schier übermenschlicher Haltung erträgt Albin (Hannes Brock, sitzend) die Vermännlichungsversuche, die Georges (Peter Zeug) ihm verordnet.
Ilse Winkler, die eigentlich inzwischen als Heilpraktikerin und Hypnosetherapeutin arbeitet, hatte die Madame Dindon bereits in St. Gallen gegeben und kehrte nun für das Dortmunder Gastspiel noch einmal auf die Bühne zurück, ohne dabei besonders großen Eindruck zu machen und ohne auf die nicht übermäßigen musikalischen Anforderungen angemessen vorbereitet zu sein ("Zählen, zählen!" forderte mein Klavierlehrer in solchen Fällen zurecht beharrlich), während Horst Krüger den moralisierenden Abgeordneten wunderbar trocken und ohne nervende Übertreibung zu portraitieren verstand. Johanna Schoppa war eine präsente, aber auch nicht alle Möglichkeiten der Rollen nutzende Jacqueline, und aus der großen Anzahl der Cagelles sei Ivica Novakovic hervorgehoben, der Gesangsunterricht als Countertenor hatte und so eine gute Wahl für die Chantal war, auch wenn er bei den Koloraturen mogeln musste und seine Falsetttöne grundsätzlich nicht die liebenswürdigsten waren, was hier aber natürlich in Ordnung ist (das Medley aus den großen Arien der Norma, Donna Anna, Turandot, Traviata und Aida hätte allerdings etwas weniger "eckig" und schwungvoller arrangiert sein können, was nicht sein Fehler ist). Die Liebe siegt: Albin (Hannes Brock, links) und Georges (Peter Zeug, rechts) im Finale.
Für den wirklich flotten, nostalgischen Orchesterton sorgte am Pult der Dortmunder Philharmoniker schließlich Ralf Lange, der auch keine Mühe damit hatte, den einen oder anderen Schmiss auf der Bühne aufzufangen. FAZITPerfektes Entertainment mit jeder Menge Glanz und Flitter, aber auch mit viel Herz, einem sensationellen Hauptdarsteller und nach wie vor nicht überholter Botschaft - auf diese Gleichung lässt sich dieser hinreißende, wenn auch insgesamt einen Tick zu lange Musicalabend zusammenfassen, für den man sich unbedingt rechtzeitig Karten sichern sollte! Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Choreografie
Choreinstudierung
SolistenGeorgesPeter Zeug
Les Cagelles:
Hanna
Mercedes
Phaedra
Lo Singh
Odette
Dermah
Bidet
Clo-Clo
Betelle
Monique
Nicole
Antoinette
Angelique
Kiki
Marguerite
Francis
Jacob
Albin / Zaza
Jean-Michel
Anne
Jacqueline
Madame Renaud
Monsieur Renaud
Madame Dindon
Edouard Dindon
Babette
Ein Akkordeonspieler
Zwei Akrobaten
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