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Don Giovanni
Dramma giocoso in zwei Akten
von Wolfgang Amadeus Mozart
Text von Lorenzo da Ponte


In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 15' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Düsseldorf
am 23. September 2004


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Deutsche Oper am Rhein
(Homepage)
Offenbarungseid
Von Thomas Tillmann / Fotos von Eduard Straub

Fast konnten sie einem leid tun, Tobias Richter und John Fiore: Als sie nach der Premiere des Don Giovanni zum Verbeugen auf die Bühne traten, ebbte der ohnehin nur freundliche Applaus der ermatteten Publikums noch weiter ab. Und selten hat man erlebt, dass das Lokalfeuilleton einen Regisseur und Intendanten sowie seinen Chefdirigenten so deutlich demontiert hat - zurecht, denn auch wenn es an dieser Stelle schon häufiger konstatiert wurde, muss es einmal mehr gesagt werden: Die traditionsreiche Deutsche Oper am Rhein hat sich in den Jahren der Intendanz Tobias Richters immer mehr in Richtung Drittklassigkeit und Bedeutungslosigkeit entwickelt (daran ändern ein paar gelungene Produktionen wenig), und es ist an der Zeit, dass die Düsseldorfer und Duisburger Kulturpolitiker ihr Interesse endlich auch wieder auf die Oper lenken und nicht aus lauter Bequemlichkeit Verträge verlängern.

Vergrößerung

Don Giovanni (Anastassis Christoyannis) umgarnt das Bauernmädchen Zerlina (Ramona Noack).

Dass diese Inszenierung der Prager Fassung schon einige Jährchen auf dem Buckel hat, hat die Dramaturgie beim Zusammenstellen des Besetzungszettels im dürftigen, die altbekannten Artikel und keinen einzigen eigenen Beitrag aufweisenden Programmheft frech verschwiegen: Bereits 1994 war sie als Eigenproduktion des Festival de Musique in Strasbourg gezeigt worden, im Juni diesen Jahres war sie in der französischen Stadt noch einmal mit Sängern der Rheinoper wieder aufgenommen worden (das spart Proben und ist grundsätzlich natürlich keine schlechte Idee) - mit mäßigem Erfolg, wie man etwa in der Rheinischen Post lesen konnte. Befremdlich ist dabei, dass Richter erst 1996 seine Rheinopern-Intendanz mit Don Giovanni hatte beginnen lassen. Sicher, die Inszenierung des inzwischen verstorbenen Adolf Dresen war auch kein großer Wurf, aber mit gerade einmal 34 Vorstellungen kann sie keinesfalls abgespielt gewesen sein, und schon aus Pietätsgründen hätte man gut daran getan, sie ab und an in attraktiver Besetzung auf den Plan zu setzen. Stattdessen kauft der Hausherr, über den selbst die zu einiger Rücksichtnahme verpflichteten Lokalzeitungen inzwischen schreiben, dass es mit seinen Qualitäten als Regisseur nicht weit her ist (mit Entsetzen erinnert man sich etwa an seinen Orphée aux enfers und manch andere Peinlichkeit), den Straßburgern nun seine eigene Inszenierung ab, die keinen Deut besser ist, und kassiert wohl möglich auch noch eine gesonderte Gage für die Neueinstudierung. Dazu kommt, dass man doch die letzte Spielzeit gerade erst mit Mozart beschlossen hatte, freilich mit einer echten Neuproduktion eines interessanten Spielleiters, der in wenigen Wochen seine Sicht der Contes d'Hoffmann vorstellt (und dabei auf die eigentlich für alle drei Sopranpartien vorgesehene Alexandra von der Weth verzichten muss, die der Grund dafür war, dass dieses ja auch nicht selten gegebene und in einer gar nicht schlechten Horres-Inszenierung auch noch vorhandene Werk überhaupt ins Auge gefasst wurde) und dem sicher mehr und Besseres zum genialen dramma giocoso eingefallen wäre. Und dass man das bei der Zauberflöte mit einigem Erfolg begonnene Konzept der Annäherung an die historische Aufführungspraxis nun wieder aufgibt und stattdessen einen stilistisch vollkommen inakzeptablen, polternd lauten Breitbandsound ohne Fluss, Transparenz oder gar Esprit à la John Fiore anbietet, verstehe auch wer will.

Vergrößerung Donna Anna (Ekaterina Morozova, links) und Don Ottavio (Corby Welch) lernen Donna Elvira (Catrin Wyn-Davies, rechts) kennen - und mit ihr die Wahrheit über Don Giovanni.

Tobias Richter hat nicht viel mehr getan, als auf der als Schachbrett gestalteten schrägen Spielfläche (eine dieser typischen Gian-Maurizio-Fercioni-Ausstattungen, die natürlich schick sind wie die ebenfalls von ihm entworfenen historisierenden Kostüme, aber in ihrer wiederkehrenden kühlen Optik eben auch immer etwas nichtssagend ausfallen), Auf- und Abgänge vorzugeben, den Darstellern zu helfen, beim läppischen Lustwandeln nicht zu stolpern, und sie zu ermuntern, ihre Arien mit festem Blick auf Dirigent und Publikum in angenehmer Rampenposition zu intonieren - alles Dinge, die sich kein Regieassistent oder Spielleiter einer Laientruppe trauen würde, und so wünscht man sich beinahe, dass der permanent bemühte schwarze Vorhang sich einfach nicht mehr öffnet und man erlöst ist von dem lähmenden, oberflächlichen, belanglosen Bühnengeschehen, das zudem allerlei handwerkliche Fehler und grenzenloses Ungeschick erkennen lässt (man erinnert die haarsträubenden Verwechslungsszenen und die lächerlichen Kampfhandlungen), abgestandene Gags (man wartet ängstlich darauf, dass Don Giovanni auch noch Mozartkugeln gegen den schalen Geschmack im trockenen Mund verteilen muss) und ein unerträgliches Anbiedern an geduldige, aber doch nicht blöde Zuschauer (in diesen Kontext gehören auch die Mätzchen, die Dirk Wedmann am Cembalo erlaubt wurden). Und wenn sich etwas überholt hat und nur noch auf die Nerven geht, dann sind es Auftritte aus dem Zuschauerraum und Requisiten, die der Dirigent auf die Bühne reicht.

Vergrößerung

Einmal mehr verzeiht Donna Elvira (Catrin Wyn-Davies) dem Verführer (Anastassis Christoyannis).

Man sollte denken, dass ein Haus mit einem so großen festen Ensemble wenigstens eine Mozartoper adäquat besetzen kann, aber auch da wurde man weitgehend enttäuscht: Ekatarina Morozovas schlanker Sopran entfaltete zwar einige Wirkung in der Höhe, stieß aber in den dramatischen Momenten der beiden Donna-Anna-Arien sehr an Grenzen; die Koloraturen der letzten lassen sich mezza voce offenbar leichter bewältigen. Catrin Wyn-Davies als überzeichnete, hysterische Elvira (das ist doch keine Vogelscheuche, sondern eine tieftraurige, betrogene Frau voll Würde!) irritierte mit unsauberer Stimmführung, ebensolchen Koloraturen und merkwürdigem Hang zum Schreien, so dass man gern auf die große Arie des zweiten Aktes verzichtete, die Mozart für Wien nachkomponiert hatte. Christophoros Stamboglis war mit eindimensionalem und wenig geschmeidigen Bass ein Leporello, der wenig aus dem Text machte und so viele Möglichkeiten verschenkte, trotz permanenter Nähe zum Publikum wenig kommunikativ war und weder Tiefgang noch hintergründige Komik ins zähe Spiel zu bringen vermochte. Arttu Kataja, der erst für spätere Vorstellungen der Serie vorgesehen war, hatte keine Probleme, sich als hochgewachsener, szenisch wie stimmlich ausgesprochen diskreter Masetto in die Inszenierung einzufügen, Thorsten Grümbel bot als Komtur mehr ausladendes Vibrato als vokale Autorität, während Ramona Noack mit bewährtem Soubrettencharme immerhin eine flotte Zerlina war, auch wenn ich die kleine Stimme glanzvoller in Erinnerung hatte.

Vergrößerung Für den lehrreichen Schluss findet sich das Ensemble im Bilderrahmen zusammen (von links nach rechts: Romana Noack, Arttu Kataja, Catrin Wyn-Davies, Christophoros Stamboglis, Ekatarina Morozova und Corby Welch).

Der einzige wirkliche vokale Lichtblick des Abends war Corby Welch, der als involvierter Don Ottavio mit seinem nicht zu hellen lyrischen Tenor auch Piano singen konnte, elegant phrasierte und viel vom messa di voce verstand - kein Wunder, dass sein "Il mio tesoro" eine der wenigen beklatschten Arien des langen Abends war. Eine absolute Nullnummer war dagegen Anastassis Christoyannis in der Titelpartie: Der Grieche mag ein schöner Mann sein - ein charismatischer Darsteller, der die Aura des großen Verführers zu evozieren weiß, ist er nicht, ein interessanter Sänger schon gar nicht, denn dazu fehlt es seinem blassen Bariton an Gewicht, an Farben, an Ausstrahlung; dass man mit so luftiger Stimme eine ordentliche Serenade singen kann, darf man wohl erwarten, aber ansonsten fehlte es der Aufführung an dem nötigen Mittelpunkt.


FAZIT

Tobias Richter hat endlich auch den letzten Teil seiner überflüssigen Strasbourger Mozart-da Ponte-Trilogie am eigenen Haus untergebracht und im Verbund mit seinem überforderten Chefdirigenten einmal mehr seinen künstlerischen Offenbarungseid geleistet.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
John Fiore

Inszenierung
Tobias Richter

Bühne und Kostüme
Gian Maurizio Fercioni

Licht
Klaus Gärditz

Choreinstudierung
Gerhard Michalski

Choreografie
Wolfgang Enck



Chor und Statisterie
der Deutschen Oper am Rhein
Die Düsseldorfer Symphoniker


Solisten

Don Giovanni
Anastassis Christoyannis

Der Komtur
Thorsten Grümbel

Donna Anna
Ekatarina Morozova

Don Ottavio
Corby Welch

Donna Elvira
Catrin Wyn-Davies

Leporello
Christophoros Stamboglis

Masetto
Arttu Kataja

Zerlina
Romana Noack








Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Deutsche Oper am Rhein
(Homepage)



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