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Il Barbiere di Siviglia
(Der Barbier von Sevilla)


Text von Cesare Sterbini
nach dem Schauspiel von P. A. de Beaumarchais
Musik von Giacchino Rossini


in italienischer Sprache

Koproduktion mit dem Staatstheater am Gärtnerplatz München
Premiere im Theater Basel am 25. Februar 2005
(rezensierte Aufführung: 3. März 2005)


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Theater Basel
(Homepage)
Von Schmetterlingen und Hummeln

Von Ina Schabbon / Fotos von Sebastian Hoppe


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Insektenständchen (José Manuel Zapata und Herrenchor)

Ob es nun die Lektüre von Beaumarchais’ Barbier war, in dem Figaro Menschen als Insekten bezeichnet, oder die Erkenntnis, dass letztendlich alles menschliche Handeln vom Paarungstrieb ausgelöst wird – was auch immer Regisseur Claus Guth veranlasst haben mag, seinen Basler Barbiere in der Insektenwelt anzusiedeln, beschert eine neue, unverbrauchte und ungemein stimmige Sichtweise auf diese immer noch zündende Opera buffa. In diesem wunderbar bunten Kosmos (Bühne und Kostüme: Christian Schmidt) ist Graf Almaviva eine liebestolle Hummel, seine angebetete Rosina ein eben erst entpuppter Schmetterling, der von Bartolo in Gestalt einer großen schwarzen Spinne gefangen gehalten wird, und Figaro eine stets überall herumschwirrende Fliege. Ort der Handlung ist eine riesige Trompetenblume, die sich mal in die eine, mal in die andere Richtung dreht und deren weiße Blüte sich je nach emotionalem Gehalt der Musik mal rot, mal lila, mal gelb färbt. Die Figuren, die ja an und für sich schon im Stil der commedia dell’arte extrem typenhaft angelegt sind, wirken in dieser Umgebung ganz schlüssig.

Vergrößerung Schmetterling Rosina (Maya Boog) hat gerade ihren Kokon abgestreift]

Zu Beginn des zweiten Aktes ist die Insektenwelt scheinbar mit der Menschenwelt vertauscht. Vor einer geometrisch unterteilten weißen Wand mit Drehtür und vier Klappsitzen spielen sich die Szenen in Bartolos Haus ab. Die Figuren scheinen uns in ihrer Menschengestalt nun näher gekommen zu sein, agieren aber, wie zuvor.

Nach dem Gewitter blicken wir schließlich auf die Trümmer aus beiden Welten: die Blütenblätter der Trompetenblume am Boden, dazwischen die Drehtür und darüber, schief in der Luft hängend, die Wand. Zwischen den Blättern grüßt ein an die naiven Bilder Henri Rousseaus erinnernder Löwe.

Entscheidend für das Gelingen der Inszenierung ist sicher, dass Guth mit viel Gespür für die Musik arbeitet, die sich in ihrer Wuseligkeit und Quirligkeit, teilweise aber auch automatenhaftigkeit, für seine Interpretation geradezu anbietet. Die tickhaft anmutenden immergleichen Bewegungen der Figuren sind den Insekten abgeschaut und hervorragend mit der Musik synchronisiert. Indem Guth sich auf alle Facetten von Rossinis Musik einlässt, ermöglicht er erst das hervorragende Timing und den Spielwitz der Aufführung.

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Intrigen bei Dr. Bartolo. Wie soll man bloß Basilio loswerden? (V.r.n.l.: Maya Boog, Marian Pop, Askar Abdrazakov, Andrew Murphy, José Manuel Zapata

Ein durchweg hochmotiviertes Ensemble scheint sich mit Lust auf diese eigenwillige Interpretation eingelassen zu haben. Geradezu atemberaubend sportlich: Marian Pops Figaro, der als Schmeißfliege unermüdlich über die Bühne wirbelt und trotzdem stets genug Puste hat, seinen virtuosen, nur ganz leicht abgedunkelten Bariton hören zu lassen. Der als indisponiert angekündigte José Manuel Zapata saust als liebestolle Hummel Almaviva trotz Grippe mit großer Spielfreude durch das Stück und geht stimmlich höchst virtuos mit seiner Indisposition um. Wieder einmal großartig: Maya Boog als koloraturensicherer Schmetterling Rosina mit ungemein betörender Mittellage und brillanter Höhe. Andrew Murphys sehr massiger Bass lässt die alte Spinne Bartolo besonders unbeweglich erscheinen, meistert aber die fulminanten Parlando-Stellen seiner Arie virtuos. Rita Ahonen macht aus ihrer Rolle als Bartolos schwerfällige Dienerin Schnecke Berta ein gymnastisch-komisches Kabinettstück und überzeugt mit gut geführtem Alt, und Askar Abdrazakov als wandelndes Blatt Basilio gibt mit angenehm dunklem Bass einen herrlich blasierten Verleumder.

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Finale des ersten Aktes: Den Insekten wird von oben der Garaus gemacht

Exzellent einstudiert die Herren des Chores, die als Fliegen und Ameisen bei aller Wuselei stets auf dem Punkt sind. Auch das Sinfonieorchester Basel ist glänzend aufgelegt. Leider darf es nicht immer, wie es könnte, denn Friedemann Layer bremst oft ab, wo ein Quentchen mehr erst die rossinische Zündung gebracht hätte. Der Beginn der Ouvertüre und die Finali geraten so ein wenig zu mechanisch. Der Wirkung des Abends tut dies indessen keinen Abbruch. Knappe drei Stunden vergehen wie im Fluge und der jubelnde Beifall ist lebhafter Ausdruck rundum verdienter Zustimmung.


FAZIT

Ein nicht nur Insektenkundlern wärmstens zu empfehlendes Theatererlebnis!



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Produktionsteam

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Musikalische Leitung
*Friedemann Layer /
Baldo Podic

Regie
Claus Guth

Bühne und Kostüme
Christian Schmidt

Licht
Hermann Münzer

Chorleitung
Henryk Polus

Dramaturgie
Bettina Auer



Herrenchor des Theater Basel
Sinfonieorchester Basel


Solisten

Graf Almaviva
José Manuel Zapata

Bartolo, Doktor der Medizin
Andrew Murphy

Rosina, dessen reiches Mündel
Maya Boogf

Figaro, Barbier
Marian Pop

Basilio, Rosinas Musiklehrer
*Askar Abdrazakov /
Victor Garcia

Berta (Marzelline), Bartolos Haushälterin
Rita Ahonen

Offizier
Hendrik J. Köhler

Fiorillo, Almavivas Diener
Markus Volpert



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Basel
(Homepage)



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