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Il Trovatore

Oper in vier Teilen
Dichtung von Salvatore Cammarano und Leone Emanuele Bardare
nach "El Trovador" von Antonio Garciá y Gutiérrez
Musik von Guiseppe Verdi

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 40 min (eine Pause)

Premiere im Saarländischen Staatstheater
am 13. Juni 2004


Logo:  Theater Saarbrücken

Saarländisches Staatstheater
(Homepage)
"Schee wars...."


Von Claus Huth / Foto von Bettina Stöß


Verdis "Trovatore" ist kein einfaches Stück. Weder szenisch noch musikalisch. Verlangt es auf der einen Seite, dass man den sehr stark auf der Wirkung von Tableaux basierenden Plot umsetzt, so dass er glaubhaft wird, so müssen auf der anderen Seite vier höchst anspruchsvolle Vokalpartien erfolgreich besetzt werden. Die Umsetzung, die man in Saarbrücken zum Ende der Spielzeit 2003/2004 bot, geriet im musikalischen Teil ungleich besser als im szenischen.

Der britische Regisseur Patrick Young versucht, sich auf die Geschichte zu konzentrieren, will möglichst eins zu eins auf die Bühne stellen, was da passiert. Das ist grundsätzlich nichts schlechtes. Aber hier geht es so gründlich schief, dass man mehr als einmal geneigt ist, die Hände vors Gesicht zu schlagen, die Augen zu schließen und ein herzhaftes Lachen irgendwie zu unterdrücken, auf dass man die Sitznachbarn und den musikalischen Ablauf nicht störe. Umso ärgerlicher, da das erste Bild - die wahrhaft düstere Erzählung der Vorgeschichte durch Ferrando -, die Young beklemmend und intensiv auf eine fast leere Bühne stellt, noch Hoffnungen weckt. Da kann er sich aber auf den Darsteller Volker Philippi verlassen, der szenisch das an Dunkelheit zu vermitteln weiß, was seine Bassstimme (noch) nicht ganz hergibt.

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Aber dann! Dann geht es so richtig rund, reihen sich Hilflosigkeiten aneinander, dass es manchmal schwer auszuhalten ist: Rampensingen und Händeringen, eine bis zur Groteske gespielte Verwechslungsszene (die bei recht heller Bühne aus der Kulisse knapp an Manrico vorbei in die Arme Graf Lunas eilende und dabei beharrlich ins Publikum starrende Leonora kann doch nicht das sein, was man aus dieser Szene machen kann!)... Fast entsteht das Gefühl, Young könne es eventuell nicht so gemeint haben, sei vielleicht satirisch vorgegangen sein. Man hofft: Wenigstens das! Aber aus den acht Fragen, die Young im Programmheft beantwortet hat, muss man leider schließen, dass er es ernst meint.

Und so wird man den Eindruck nicht los, dass sich Young im wesentlichen darauf beschränkt hat, den Sängern ihren Platz auf der Bühne anzuweisen und ihnen die ein oder andere Bewegung vorzuschlagen, ohne dabei mit den Darstellern wirkliche Charaktere zu erarbeiten, ohne ihnen letztlich zu vermitteln, wie sie mit den großen Emotionen, die in Verdis Oper behandelt werden, umzugehen haben. Und die Sänger reagieren unterschiedlich darauf: Während Maria Pawlus die ihr zugestandenen Freiheiten nutzt, um selbst ein intensives Portrait der von Alpträumen und Visionen zerrissenen Zigeunerin Azucena zu zeichnen, zieht sich Barbara Gilbert als Leonora vorsichtshalber auf ein immer verwendbares Gestenrepertoire zurück, das sie allerdings geschmackvoll zu dosieren weiß. Darstellerisch dagegen absolut unglaubhaft bleiben Keith Ikaia-Purdy als Manrico und Guido Baehr als Graf von Luna: Der eine versucht, der Ziellosigkeit der Inszenierung durch beharrliches Nichtspiel zu entgehen, der andere tut zuviel des Guten und treibt die Gegenspielerfigur des Grafen Luna ins Lächerliche. Hier ein ermutigender, dort ein mäßigender Eingriff vom Regiepult aus hätten der Sache sicher gut getan.

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Viele Details verwundern: Etwa wenn Leonora für eine Arie vor den fallenden Zwischenvorhang eilen muss, damit im Hintergrund ein kleiner Umbau stattfinden kann (der in der Premiere nicht in time bewältigt wurde, was ja mal passieren kann). Oder dass der Graf von Luna, als er sich ins Kloster einschleicht, um Leonora vor ihrer Aufnahme in den Orden zu entführen, noch debiler ist als seine ohnehin offenbar ziemlich dämliche Anhängerschar (der Chor spielt, als sei man in einer extrem schlechten Operette) und sich erst mal aus der Pulle ordentlich Mut ansäuft. Oder dass die Kampf- und Eifersuchtsszene im ersten Akt so putzig aussieht. Ärgerlich auch, wie die berühmte Stretta des Manrico von den einfallenden Truppen Urgels lärmend so gestört wird, dass man die Musik kaum mehr wahrnehmen kann. Trotz des guten Bühnenbilds von Benoit Dugardyn, das flexible Räume aus verschiebbaren Wandpanelen schafft, ein szenisches Desaster, das durch einige gute Bilder (wie den Zigeunerchor) nicht zu retten ist.

Gott sei Dank wurde - wie es sich für die Oper gehört - musiziert an dem Abend, und das größtenteils auf einem für die Verhältnisse des Staatstheaters mehr als ansprechenden Niveau. Zuvorderst muss das Saarländische Staatsorchester mit seinem Dirigenten Michele Carulli gelobt werden. Carulli, der in dieser Spielzeit durchaus nicht immer ein glückliches Händchen für die von ihm geleiteten Stücke hatte (siehe unsere Kritiken zu Das schlaue Füchslein und Der fliegende Holländer) schafft es mit den sicher und weitgehend fehlerfrei spielenden Musikern des Orchesters, tief in Verdis nur scheinbar belanglose "Humm-Ta-Ta"-Musik hineinzuhören und gewaltige Funken aus der Partitur zu schlagen. Da wird die auf den ersten Blick vielleicht banal und schematisch wirkende Instrumentierung ernst genommen, und durch die Prägnanz der verschiedenen Klangfarben gewinnt das Komponierte Sinn und Sinnlichkeit. Gleichzeitig nimmt Carulli immer Rücksicht auf die Sänger, lässt ihnen in dieser doch deutlichen Sängeroper unauffällig den Vortritt. Das ist erfreulich, nicht zuletzt, weil so immerhin musikalisch klar wird, was auf der Bühne nicht sichtbar ist.

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Und auch die Besetzung, die nun wirklich nicht einfach zusammenzustellen ist, ist in Saarbrücken – mit einer Ausnahme – vortrefflich: Allen voran Barbara Gilbert, die mit ihrem am Haus inzwischen bewährten Sopran ein zunächst ganz verletzliches Bild der Leonora zeichnet, die am Ende sich als starke Frau entpuppt (freilich im Sinne einer romantischen Vorstellung) und ihr Leben für die dann doch nicht erreichte Freiheit des Geliebten opfert. Dann Keith Ikaia-Purdy, dessen metallischer Tenor hervorragend strahlt. Dem Sänger wäre allerdings unbedingt zu raten, an der Piano-Kultur zu arbeiten, denn meist bewegt sich seine Stimme im Dynamikbereich von mezzoforte aufwärts. Sein Manrico ist ein Stürmer und Dränger – und dass ihm der Schlusston in der Stretta missriet, ist vielleicht eher dem bereits erwähnten unmotivierten Chaos zu verdanken, das die Regie für dieses Stück vorgesehen hat.

Und – vom Publikum am heftigsten akklamiert – natürlich Maria Pawlus, deren Stimme zwar manche Alterserscheinung wie das ausgeprägte Vibrato nicht leugnen kann, die aber auf ihre langjährige Erfahrung auf der Bühne zurückgreift und sich voller Elan und Aufopferung in die Rolle der Azucena stürzt und sie mit ihrer großen Bühnenpersönlichkeit vereinnahmt – beklemmend bis zum Schluss. Eine große Leistung der schon lange am Staatstheater verpflichteten Künstlerin.

Auf diesem Niveau nicht mithalten konnte Guido Baehr, der sich mit öliger Stimme durch die Partie des Luna bemühte, die doch eine kernigere, virilere Stimme gebraucht hätte: Ein Verdi-Bariton ist Baehr in dieser Verfassung nicht recht, was er durch seine outrierte Darstellungsweise nicht kaschieren konnte (bisweilen bewegte sich besonders seine Gestik und Mimik an der Grenze zum Slapstick). Die kleineren Rollen, angeführt vom bereits erwähnten Volker Philippi als Ferrando, waren allesamt auf gutem Niveau. Höchst erfreulich, dass es einem Haus wie dem Saarbrücker Staatstheater gelingt, eine solche Oper fast ausschließlich aus dem Ensemble zu besetzen.

Die Ziellosigkeit der Regie blieb übrigens bei der Premiere weitgehend unbemerkt, das Regieteam wurde sogar mit Bravi bedacht – wohl Ausdruck der Freude mancher darüber, von der Regie nicht sehr gestört worden zu sein. Man harrte aus und genoss Verdis Musik, entspannt im Sessel zurückgelehnt. Die Abgründe, die Stachel, die auch im "Trovatore" stecken, blieben an diesem Abend vor der Tür des Theaters – man hatte sie ausgesperrt. Ein zwiespältiger Abschluss der Saarbrücker Spielzeit.


FAZIT

"Mir ware im Trovatore – schee wars!" hörte man einige Tage später in der Stadt Saarbrücken. War hier die musikalische Seite gemeint: Zustimmung. Über die Inszenierung allerdings muss man sich ärgern.




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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Michele Carulli

Inszenierung
Patrick Young

Bühne
Benoit Dugardyn

Kostüme
Angela C. Schuett

Chor
Andrew Ollivant

Dramaturgie
Matthias Kaiser



Opernchor und Statisterie
des Saarländischen Staatstheaters


Das Saarländische Staatsorchester



Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung


Il Conte di Luna
Guido Baehr* / Otto Daubner

Leonora
Barbara Gilbert* / Naira Glountchadze

Azucena
Keith Ikaia-Purdy

Ferrando
Volker Philippi* / Patrick Simper

Ruiz
Rupprecht Braun

Ines
Elizabeth Wiles

Ein Zigeuner
Alto Betz* / Markus Jaursch

Ein Bote
Do-Hyung Kim* / Vladimir Makarov






Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Saarländisches Staatstheater (Homepage)




Da capo al Fine

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