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Gelungener Saisonauftakt mit Giordanos "Andrea Chénier"
Von Sebastian Hanusa / Foto von Bettina Stöß Umberto Giordanos André Chénier gehört zu den zu Unrecht ins Nebenrepertoire verbannten Stücken der Musikgeschichte. Das Stück um eine Dreiecksbeziehung, die vor dem historischen Hiintergrund der französischen Revolution ein tragisches Ende findet, wartet mit wirkungsvollen Tableuxs, aber insbesondere mit einer schlüssigen Dramaturgie und meisterhaften musikalischen Charakterzeichnung auf. Die Revolution ist insofern mehr als nur Kulisse, indem sie schicksalsentscheidend für das Leben der Protagonisten ist: Der Diener Gérard ist am Vorabend der Revolution in die Tochter seiner adeligen Herren, Maddalena di Coigny, verliebt. Im ersten Akt erscheint der Dichter Chénier auf einem Gartenfest der Coignys; statt mit Schäferlyrik die adelige Gesellschaft zu unterhalten, klagt er das Elend der Unterdrückten an. Außer Maddalena zeigt sich niemand wirklich beeindruckt. Am Ende des Bildes stürmen unter der Führung Gérards hungrige Bauern das Fest und lösen die Revolution aus. Der Adel vergnügt sich – bei Tanz und Schäferspielen.
Die drei anderen Akte stehen im Zeichen einer Mechanik des Terrors, die sich längst verselbständigt hat. Der gemäßigte Revolutionär Chénier ist 1794 selber auf einer Todesliste gelandet, Maddalena mußte untertauchen. Gérard ist zum Vertrauten Robespierres geworden. Zunächst bedient er sich des Spitzelapparats, um die begehrte Maddalena ausfindig zu machen, die mittlerweile bei Chénier Unterstützung gefunden hat. Letztlich muß er jedoch einsehen, dass er nicht nur Maddalena, sondern auch Chénier und sich selber der Guillotine ausgeliefert hat, während er zusehen muß, wie Maddalena und Chénier die Verklärung im Liebestod erfahren. Gérard: Die Revolution machte ihn zum Herren über Leben und Tod.
So wichtig auch die dramaturgische Rolle des historischen Rahmens ist, im Fokus von Giordanos Oper steht die Darstellung der Einzelschicksale – und die Psychologie der Protagonisten ist zugleich Ansatzpunkt für Christian Pöppelreiters brillante Inszenierung. In einem moderat historisierenden Bühnenbild konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf die äußerst differenzierte Zeichnung von Figurenkonstellationen, Haltungen und Befindlichkeiten. Pöppelreiter kann dabei auf ein wunderbar schlüssig agierendes Ensemble zurückgreifen: Eine bezaubernde Barbara Gilbert als Maddalena, den mit ungeheurer Ausstrahlung agierenden Bariton Alan Cemore als Gérard und den für einen Tenor seiner Güte erfreulich spielfreudigen Stefan Vinke. Doch die Liebe Maddalenas gehört letztlich Chénier.
Musikalisch läßt die Produktion nichts zu wünschen übrig. Angefangen von den ohne Fehl und Tadel agierenden Protagonisten, über bestens besetzte Nebenrollen – hier fiel insbesondere der wunderbare schmierige "Incroable" Rupprecht Brauns auf – bis hin zu einem begeistert aufspielenden Staatsorchester unter der Stabführung von GMD Leonid Grin war es eine runde Sache. Die szenische Realisation bestach neben der wundervoll ausgearbeiteten Personenführung insbesondere mit einer trefflichen Lichtregie. Das Bühnenbild Jörg Koßdorffs ist ein weißer Rundbau, der je nach Szenario in ein Säulenrund oder - mit geschlossenen Außenwänden- in eine wuchtige Baumasse verwandelt werden kann. Hinzu kommt eine Ausleuchtung, die mit großer Suggestionskraft die Atmosphäre der jeweiligen Szene unterstützt und der es zudem gelingt, nur mit Licht- und Schattenspiel die Psychologie der Protagonisten auf einer zusätzlichen Ebene darzustellen.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Choreographische Mitarbeit
Chor
Dramaturgie
Solisten* AlternativbesetzungAndrea Chénier Stefan Vinke
Carlo Gérard
Maddalena di Coigny
Bersi
Manou Walesch
Roucher
Der Abbate / "Incroyable"
Algirdas Drevinskas
Contessa di Coigny / Madelon
Fléville / Fouquier-Tinville
Haushofmeister / Dumas
Madelon
Mathieu "Populus"
Schmidt
Alto Betz
Fiorinelli
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