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La Cenerentola

Oper in zwei Akten
Musik von Gioacchino Rossini
Libretto von Jacopo Ferretti
nach dem französischen Libretto
für Isouards Cendrillon von Etienne

Revidierte kritische Edition von Alberto Zedda
und der Rossini-Gesellschaft Pesaro
in Zusammenarbeit mit BMG Ricordi, Mailand

In italienischer Sprache mit französischen und flämischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 15' (eine Pause)

Premiere im Théâtre Royal de Liège
am 30. Januar 2004



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Opéra Royal de Wallonie
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Glück auf der Zunge

Von Thomas Tillmann / Fotos von der Opéra Royal de Wallonie


Alberto Zedda, künstlerischer Direktor des Rossini-Festivals und der Rossini-Akademie von Pesaro und in Liège als musikalischer Leiter von Werken wie Guillaume Tell, Tancredi, La Sonnambula und La donna del lago in bester Erinnerung, nennt La Cenerentola ein dramma giocosa, eine Bezeichnung, die auch Mozarts Don Giovanni trägt, und tatsächlich finden sich neben den traditionell komischen Figuren wie Clorinda, Tisbe und Dandini und dem eine eher realistische Komik repräsentierenden Don Magnifico in Rossinis letzter opera giocosa vor seinem Aufbruch nach Paris Themen der Seria wie etwa die berührende Melancholie Angelinas, ihre aufrichtige Liebe zu dem echten Prinzen, der sie erwidert, oder auch die Ernsthaftigkeit und Großherzigkeit eines Alidoro, wobei anders als bei anderen Versionen des berühmten Stoffs in Ferrettis Libretto das magisch-märchenhafte Element eliminiert ist und eine in Form der Komödie gekleidete Kritik an der Bourgeoisie und dem dekadenten Adel zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Vordergrund steht.

Vergrößerung Don Magnifico (Bruno De Simone, Mitte) ist es unangenehm, dass der vermeintliche Prinz alias Kammerdiener Dandini (Franck Leguérinel, rechts) seine Stieftochter Angelina (Marie-Ange Todorovitch) zu Gesicht bekommt.

In Personalunion hatte Pier Luigi Pizzi als Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner und Lichtdesigner für die Opéra de Monte-Carlo eine mit viel Witz, Augenzwinkern und Tempo ausgesprochen kurzweilig, schlüssig und ohne allzuviel Klamotte erzählte Geschichte mit vielen intimen, berührenden Momenten, vielschichtig charakterisierten Figuren und einer angenehmen Reduktion auf das szenisch Notwendige auf die Bühne gebracht (Mario Pontiggia, künstlerischer Direktor des Opernfestivals von Las Palmas auf Gran Canaria, hatte die Aufgabe übernommen, das Werk im Théâtre Royal einzustudieren). In dem schwarzen, in zwei Hälften unterteilten Kasten, der Angelinas tristes Dasein als ungeliebte Stieftochter und Sklavin der albern-oberflächlichen, verwöhnt-überdrehten und kaltherzig-berechnenden, wahren Zickenterror entfachenden Töchter des Hauses symbolisiert, sorgen Schiebetüren für zügige Verwandlungen und geben den Blick frei auf eine ganz andere Welt, die zunächst für die Titelheldin nichts anderes als ein schöner Traum ist, dank ihrer Beharrlichkeit und dem Glauben daran, dass jeder Mensch die Möglichkeit hat, sein Leben in die Hand zu nehmen und sein Schicksal zu verändern, bald Wirklichkeit wird.

Vergrößerung

Don Magnifico (Bruno De Simone, links) will seine ungeliebte Stieftochter Angelina (Marie-Ange Todorovitch, Mitte links) in Anwesenheit des falschen (Franck Leguérinel, Mitte rechts) und des echten Prinzen (Florian Laconi, rechts) zum Schweigen bringen.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie Alberto Zedda ein Orchester mit einem Lächeln zu motivieren und kleinere Nervositäten aufzufangen versteht, wie bei aller Präzision nie die Frische und Raffinesse des Spiels verloren geht, wie sich die Freude an dieser hinreißenden Musik von den Ausführenden auf die Zuhörenden überträgt, wie er mit über zahllose Partiturseiten hinweg aufgebauten Crescendi, einem schier endlosen Reichtum an wundervollen Details und den rasanten Ensembles das Lütticher Publikum zum Toben bringt (der in Mailand geborene Altmeister des Belcanto war auch Zentrum des am Nachmittag der Presse im Petit Théâtre präsentierten Films L'amour perdu de La Dame du lac von Pierre Barré und Thierry Loreau, der die Probenarbeiten zu der im Februar 2003 gezeigten Neuproduktion von La donna del lago dokumentiert, interessante Details der nicht unproblematischen Regie von Claire Servais und der Ausstattung von Dominique Pichou und Jean-Pierre Capeyron hervorhebt und Interviews mit den Protagonisten Iano Tamar und Rockwell Blake und eben mit dem Maestro bietet, der die außergewöhnliche Qualität gerade dieser romantischen Rossini-Oper herausstellt, die wie so viele andere bis heute im Schatten der komischen Werke des umtriebigen Komponisten stehe, und deutlich macht, dass diese Musik eben nur von wirklichen Sängerpersönlichkeiten zum Leben erweckt werden könne, die über eine reine Beherrschung der technischen Schwierigkeiten hinaus über eine immense Palette von Farben und Ausdrucksnuancen verfügten).

Vergrößerung Der falsche Prinz (Franck Leguérinel, links) ist fasziniert von der unbekannten Schönheit (Marie-Ange Todorovitch im blauen Abendkleid). Ihre Stiefschwestern (Anne-Catherine Gillet, links, und Christine Solhosse, rechts) können ihre Irritation über den Auftritt solcher Konkurrenz nur schlecht verbergen; im Hintergrund wacht Don Ramiros Lehrer, der Philosoph Alidoro (Nicolas Cavallier), über das Geschehen.

Kompetente Solisten hatte man auch für dieses Rossini-Fest engagiert: Marie-Ange Todorovitch gab die Titelheldin (laut Zedda die wahrhaftigste und anrührendste Figur des Komponisten) mit vollem, dunklen, aber nie unangenehm "fetten" Ton, der in der Höhe mitunter auch eine metallische Färbung annehmen konnte. Natürlich könnte man sich in dieser Partie eine mädchenhaftere Stimme vorstellen, aber die Französin meistert die virtuosen Anforderungen tadellos, weiß sorgfältig zu phrasieren, die dynamische Palette geschickt auszureizen und den Text zu mancher expressiven Nuance zu nutzen, und eine differenzierte, sympathische Actrice ist sie auch. Mir gefiel auch der leicht ansprechende, vielleicht nicht über allzu viele Farben und Schattierungen verfügende, aber ausreichend bewegliche, leichte, aber für den Don Ramiro nicht zu leichte lyrische Tenor von Florian Laconi; die mitunter zu bemerkende Großzügigkeit in Intonationsfragen machte er durch manch elegischen Ton und tadellose Acuti weitgehend wett. Bruno De Simone fand als Don Magnifico zu einem überzeugenden Ausgleich zwischen virtuos-komischem Parlando und vokaler Seriosität, so dass sich der Italiener nicht allein auf seine darstellerischen Qualitäten verlassen musste, was leider für Franck Leguérinel gilt, dem Dandinis Koloraturen nicht gerade in die (besonders in der oberen Lage) etwas unflexible Stimme gelegt sind - die Zuschauerinnen und Zuschauer sahen es ihm nach. Anne-Catherine Gillet setzte dank der durchschlagkräftigen Höhe ihres flinken Soprans glanzvolle Akzente in den Ensembles, während Christine Solhosse vor allem durch ihr darstellerisches Temperament und ihr komisches Potential überzeugte. Nicolas Cavallier setzte als Alidoro, der in dieser Inszenierung als eine Art Guru daher kommt, der sich für die (Aus- und Herzens-) Bildung des Prinzen verantwortlich fühlt, ein bisschen zu sehr auf sein grundsätzlich imposantes Material und seine Bühnenpräsenz; die Stimme an sich ist nicht nur in den Extrembereichen nicht sehr biegsam, der Kampf mit den Koloraturen und schnellen Notenwerten kein einfacher. Nicht vergessen werden soll der mit Edouard Rasquin arbeitende Herrenchor, der trotz der leichten Unsicherheiten während der großen Tenorarie keinen schlechten Eindruck hinterließ, aber natürlich auch nicht über die Maßen gefordert war.

Vergrößerung

Die sieben Protagonisten auf dem Ball (von links nach rechts):
Don Ramiro (Florian Laconi), Alidoro (Frank Cavallier), Angelina (Marie-Ange Todorovitch), Dandini (Franck Leguérinel), Clorinda (Anne-Catherine Gillet), Don Magnifico (Bruno De Simone) und Tisbe (Christine Solhosse).



FAZIT

Ehrlich gesagt bin ich nicht gerade ein großer Fan der (mindestens vorrangig) komischen Opern Rossinis. In einer so hochkarätigen Ausführung wie dieser aber hinterlässt La Cenerentola tatsächlich jenen Geschmack des Glücks auf der Zunge, von dem Zedda in seinem Programmheftbeitrag für die Aufführungen der Jahre 1999 und 2000 in Pesaro gesprochen hat.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Alberto Zedda

Inszenierung, Bühnenbild,
Kostüme und Licht
Pier-Luigi Pizzi

Einstudierung
Mario Pontiggia

Choreinstudierung
Edouard Rasquin

Eine Produktion der
Opéra de Monte-Carlo



Chor und Orchester der
Opéra Royal de Wallonie


Solisten

Angelina
Marie-Ange Todorovitch

Clorinda
Anne-Catherine Gillet

Tisbe
Christine Solhosse

Don Ramiro
Florian Laconi

Don Magnifico
Bruno De Simone

Dandini
Franck Leguérinel

Alidoro
Nicolas Cavallier



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra Royal
de Wallonie

(Homepage)



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