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Die Meistersinger von Nürnberg

Oper in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner


In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5 h 20 ' (zwei Pausen)

Wiederaufnahme im Aalto-Theater Essen
am 28. März 2004

Premiere im Aalto-Theater Essen am 13. April 2003
(rezensierte Aufführung: 30.4.2003)


Logo:  Theater Essen

Theater Essen
(Homepage)
"Wann dann die Flur vom Frost befreit,
und wiederkehrt die Sommerszeit..."


Von Ralf Jochen Ehresmann


Pünktlich zum letzten Sonntage im März, als wir alle aufgerufen waren, unsere Uhren auf mitteleuropäische Sommerzeit - MESZ zurückzudrehen, hat auch die Oper im Essener Aalto-Theater ihre letztjährige Produktion von Wagners Meistersingern wiedererweckt und dafür beim Publikum tosende Beifallsstürme eingeheimst - zurecht!

Anselm Webers Meistersinger begeistern noch immer mit ihrer stringenten Durchdringung des Materials, die die jungbrunnenhaft sprudelnden guten Einfälle zu einem schlüssigen Gesamten zusammen zu fügen versteht

Sie bleiben meisterlich vorbildhaft für einen Inszenierungsstil, der unter wohltuendem Verzicht auf überflüssiges Brimborium einen weitgehend requisitenfreien Großraum durch Lichtregie und Choreographie perfekt abwechslungsreich und dabei zugleich je stimmig zu formen weiß. Gerade im steten Wechsel der zahlreichen Auf- und Abgänge unmittelbar vor Beckmessers Erscheinen im 2.Aufzug wird eifrig jedes Detail ausgedeutet, wo manch anderes Theater ohne Übertexte sich offenbar darauf verlässt, dass es eh keiner so genau versteht.

Dabei bezwingt seine Neigung zu wirklich ungewohnten Sichtweisen und Darstellungsformen nicht minder als sein Mut, formal-szenische Logik offensiv zu missachten und durch solcherart Rückgriff auf Mittel der älteren Oper mit ihrer fröhlichen Unlogik unerhört Neues zu wagen: Wo kein Winkelgassen-Nürnberg und keine Flieder- oder Lindenbäume als Kulissen für ein halbwegs glaubhaftes Versteckspiel der Fluchtgehinderten vorhanden sind, wo Sachsens Schusterstube aus einer mobilen Sitzbank vor einem Schuhkartongefüllten Gitterbox besteht und Jungfer Lenes Anhörung von Beckmessers Werbelied nur in Gestalt einer Schattenprojektion hinter einem Tuchvorhang stattfindet, dort können auch Eva und Stolzing als Schein-Versteckte aktiv präsent bleiben, Sachsens Merkerschläge laut mitzählen oder die von ihm huldvoll aufgestreuten Fliederknospen pingponggleich zurückkicken. Da nimmt es dann nicht wunder, dass angesichts der allgemeine Starre Sachs allein es ist, der Prügel nach verschiedenen Seiten hin austeilt, während der Chor nur staunend dasteht und dies gar noch immer tut, als der Nachtwächter wiederkehrt und die Einhaltung der Nachtruhe anmahnt, die in diesem Modell tatsächlich nur durch Gespenstererscheinungen irritiert gewesen zu sein scheint.

Dieser Mut zur Groteske feiert denn ja auch fröhliche Urständ auf der Festwiese, wo alle Dorffestaffirmation umgangen wird durch eine Wendung ins Groteske, zu der statt stattlichen Fanfarenbläsern eine staksig humpelnde Rentner-Combo in Cordhosen und Strickjacken in den Vordergrund trottet und die heit're Schanz mit den Mädchen aus Fürth nur barbyhafte biegsame Puppendamen offeriert.

Zur Wiederaufnahme präsentiert sich weitgehend die Premierenbesetzung vom letzten Jahr. Jeffrey Dowd tat, was er immer tut, und begeisterte wie ehedem durch tenoralen Glanz und aktives Theaterspiel, das bei ihm wie übrigens auch bei Rainer Maria Röhrs David einzig darunter - dies aber recht deutlich - litt, dass der allzu erkennbar suchende Blick zum Monitor des Dirigenten eine gewisse Orientierungsschwäche offenbarte. Röhrs Stärke sind eher die zarten Töne wie beispielsweise im Choralsprüchlein eingangs des 3. Aufzugs, wo seine differenzierte Textausdeutung nicht darunter leidet, dass ein Großorchesters übertönt werden muss. Hingegen ist es nicht nur eine Frage seiner Optik sondern auch zunehmend der Stimmfärbung, die ihm andere Rollen als ausgerechnet die eines Lehrbuben angeraten sein lassen.

Aga Mikolaij als Eva war neben Anja Kampe auch im letzten Jahr bereits in dieser Partie zu erleben. Sie gewann mit ihrer herrlich jugendhaften Stimme und ihrer klaren Aussprache. Und wie in Essen meistens üblich, erfreute auch sie mit ihrem lebendigen Schauspiel, dessen natürliche Spontaneität keinerlei Gestelztheiten erkennen ließ. Gritt Gnaucks Magdalene ist einer der wenigen Neuzugänge, der hier einen würdigen Ersatz für Ildiko Szönyi, deren unbestrittene Leistungen sicherlich eher anderen schwereren Partien zugute kommen als gerade der Lene. Gnauck vermittelte stattdessen jene zurückhaltende Wärme derer, die nicht primär im eigenen Interesse agiert und bei der die weicheren Töne auch stimmlich überwiegen.

Kothners Ansprache (Heiko Trinsinger) geriet für einen profunden Bass etwas vibratoreich, dabei aber sehr volumenstark und raumfüllend, was für Marcel Rosca als Pogner wie schon im letzten Jahr fast austauschbar gelten darf, dessen leicht knarzige Töne eine durchaus angemessenes und markantes Profil ergeben.

Tomas Möwes holt aus dem Beckmesser inzwischen noch mehr heraus als man von ihm längst kennt und legt mit seiner idealtypischen Verkörperung dieser unglücklichen Figur auch die Schwächen der Inszenierung an dieser so oft unrecht behandelten Gestalt bloß. Der Geistmensch unter Handwerkern tritt genauso klar hervor wie der verschroben gealterte Junggeselle, dem ein externes Korrektiv zur Glättung seiner Unarten so bitter fehlt. Ähnlich glückhaft besetzt und ohne Zweifel meisterhaft souverän gesungen wie gespielt: der Hans Sachs von Wolfgang Schöne. Klare Linienführung auch über gelegentlichem dirigentischen Wirrwarr, exzellente Textverständlichkeit und Sicherheit durch all die Riesenszenen dieser gewaltigen Partie, deren Bewältigung nur ganz kurz zu Beginn des 3.Aufzuges kleinere Ermüdungen erkennen ließ, hinterließen einen beeindruckendes Gesamtbild, das allein schon ausgereicht hätte, um den Besuch dieser Produktion all denen wärmstens anzuempfehlen, die es 2003 versäumt haben, wobei auch niemand eine abermalige Fahrt nach Essen bereuen wird, die oder der schon mal da gewesen ist!

Stefan Solzesz' dirigierte wiederum sehr flott und unterbot seine eigene "Vorjahres-Bestzeit" noch um weitere 10 Minuten, was gerade in den elegischen Passagen teilweise schmerzlich spürbar wurde. Denn eigentlich ist die Musik so wundervoll, dass ich sie lieber eine halbe Stunde länger gehört hätte.


FAZIT

Meistergesang gibt's auch an der Ruhr, nicht nur an der Pegnitz. Den sollte man sich nicht entgehen lassen!




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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stefan Soltesz

Inszenierung
Anselm Weber

Bühne
Raimund Bauer

Kostüme
Bettina J. Walter

Choreographie
Jeremy Leslie-Spinks

Chor
Alexander Eberle

Licht
Hartmut Litzinger

Dramaturgie
Bettina Bartz



Opernchor und Extrachor
des Aalto-Theaters

Die Essener Philharmoniker



Solisten


* Besetzung der rezensierten Aufführung

Hans Sachs
* Wolfgang Schöne /
Wolfgang Brendel

Veit Pogner
Marcel Rosca

Kunz Vogelgesang
Herbert Hechenberger

Konrad Nachtigall
Günter Kiefer

Sixtus Beckmesser
Tomas Möwes

Fritz Kothner
Heiko Trinsinger

Balthasar Zorn
René Aguilar

Ulrich Eisslinger
André Post

Augustin Moser
Martin Endrös

Hermann Oertel
Peter Holthausen

Hans Schwarz
Michael Haag

Hans Foltz
Richard Medenbach

Walther von Stolzing
Jeffrey Dowd

David
Rainer Maria Röhr

Eva
Aga Mikolaj
Anja Kampe

Magdalena
Gritt Gnauck

Nachtwächter
Almas Svilpa

Lehrbuben
Michaela Cenkier
Susanne Kohnke
Stefanie Rodriguez
Marion Steingötter
Ernesto Binondo
Stefan Flehn
Andre Fox
David Frazier
Thilo Himstedt
Markus Sessing
Michael Vaccaro






Weitere Informationen
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