Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
|
Tanz auf dem Vulkan
Von Silvia Adler / Fotos von Thilo Beu "Für mich ist eine Operette soviel Arbeit wie zwei Verdis", bekennt Dietrich Hilsdorf nach den Proben zu Lehars Lustiger Witwe. Tatsächlich hätte man dem Querdenker und Provokateur des Theaterbetriebs fast alles zugetraut - nur nicht, dass er sich an das heitere Genre der Operette wagt. Doch wie nicht anders zu erwarten, zeigt die leichte Muse in seiner Essener Inszenierung Zähne. Stürmische Zeiten im Hotel "L´attaché".
Klangbeispiel: "Dann geh' ich ins Maxim..."
Im Grammophonsound kommt das Orchester-Vorspiel vom Band. Die Handlung spielt im Jahr 1939. Im Pariser Nobelhotel "L´attaché" feiern der pontevedrinische Bankier Goran Glawari und sein junge Braut Hanna ein glanzvolles Hochzeitsfest. Tete à tete mit der schwarzen Witwe.
Hilsdorf, der Lehars Operette auf 1 3/4 Stunden gekürzt hat, macht aus der Lustigen Witwe einen Krimi im Spielfilmformat. In rasanter Bilderfolge werden die in rotes Leinwandlicht getauchten Szenen aneinander geschnitten. Vom ersten Takt an drückt der Regisseur auf´s Tempo. Ehe der Handlungsmotor richtig warm geworden ist, läuft er bereits auf Hochtouren. Keine Dialogseite darf länger als anderthalb Minuten dauern. "Ja, das Studium der Weiber ist schwer...".
Klangbeispiel: "Ja, das Studium der Weiber ist schwer...".
Paris befindet sich 1939 am Vorabend des Krieges. Während im Maxim der Champagner fließt, sind die Straßen der französischen Metropole fast ohne Beleuchtung. In das Stimmengewirr der Hotellounge mischt sich Nazigebell. Ein Herr mit Hakenkreuzbinde kommandiert die Gattin im Marlene-Dietrich Verschnitt. Unter den Grisetten geht die Angst vor einem deutschen Angriff um. Während des überzuckerten Vilja-Liedes liegt ein junger, blutverschmierter Soldat der Glawri zu Füßen. Das turbulente Spiel gleicht einem Tanz auf dem Vulkan. Die glitzernde Welt der Operette steht kurz vor dem Abgrund; ihre gefälligen Melodien erscheinen in einem aufreizend makaberen Licht. Die Grisetten bitten zum Tanz. Dass die leichte Muse - bevor die Trümmer des zweiten Weltkrieges über ihr zusammenstürzen - noch einmal ihr schönstes Gesicht zeigt, liegt vor allem an der hervorragenden Leistung des Orchesters. GMD Stefan Soltesz hat die Lustige Witwe zur Chefsache erklärt: unter der Leitung des bekennenden Operettenfans verströmte das Orchester Champagnerlaune und heitere Grandezza. Aus dem Graben funkelte die ganze Palette seiner Klangfarben. Während dem niederländischen Bariton Peter Bording die Rolle des Danilo wie auf den Leib geschrieben schien, blieben bei der szenisch für sich einnehmenden Marcela de Loa als Glawari, was die Trägfähigkeit ihrer Stimme betrifft, einige Wünsche offen. Ideal besetzt war hingegen Astrid Kropp als liebeshungrige Valencienne. Mit sicherer Höhe und strahlendem hohen C überzeugte auch Marwan Shamiyeh als Camille de Rosillon, der in der Mittellage allerdings wenig fokussiert klang. Als Glücksfall für die Inszenierung erwies sich die originelle Choreographie von Bernd Schindowski. Bei seinen aus gestandenen Szenekünstlern zusammengewürfelten Grisetten wurde frech aus der Reihe getanzt. So unkonventionell würde man Operette gern öfter erleben.
|
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Choreographie
Choreinstudierung
Licht
Dramaturgie
Solisten* Alternativbesetzung
Hanna Glawari
Goran, ihr Mann
Graf Danilo Danilowitsch
Mirko Z., genannt "Der Baron"
Valencienne, seine Frau
Camille de Rosillon (Paris),
Vico Cascada (Rom)
Raúl San Brioja (Madrid)
Bruce Bogdan (London)
Sylvia, seine Frau
Boris Kromow (Moskau)
Olga, seine Frau
Hans-Joachim Pritsch,
Annegret, seine Frau,
Njegus
Mimi Jarretelles (Lolo)
Kiki Jarretelles (Dodo)
Marco Petrovic (Joujou)
Adolphe Leboeuf (Froufrou)
Mirna Ilickovic (Cloclo)
Rachel Ginsberg (Cloclo)
|
© 2003 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de