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Musiktheater
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Dominique Horwitz: The Best of Dreigroschenoper
Kommando Rothenberger: rössel.wolfgang.see

Aufführungsdauer "The Best of Dreigroschenoper": ca. 2h 20' (eine Pause)

Aufführungsdauer "rössel.wolfgang.see": ca. 1 h 35' (eine Pause)

Aufführung im ISIS Zelt, Burgplatz
am 26. September 2003
("The Best of Dreigroschenoper")
und am 29. September 2003
("rössel.wolfgang.see")



Homepage

Düsseldorfer Altstadtherbst
(Homepage)
Frischzellen-Kur für Brecht und die Operette

Von Thomas Tillmann / Fotos vom Düsseldorfer Altstadtherbst



Ein "Kultur-Menü mit Rezepten von der klassischen bis hin zur exotischen Kunstküche" versprechen Christiane Oxenfort und Andreas Dahmen im Programmheft zum diesjährigen "altstadtherbst kulturfestival düsseldorf" (so der korrekte Titel), und tatsächlich gab es in der Zeit vom 18. September bis zum 5. Oktober ein geradezu erschlagendes Angebot von gut besuchten Veranstaltungen der unterschiedlichsten Stilrichtungen, so dass die vom Rezensenten vorgenommene Auswahl an besuchten Vorstellungen eine sehr persönliche und keinesfalls repräsentative darstellt.

Vergrößerung Dominique Horwitz präsentiert "The Best of Dreigroschenoper".

Dominique Horwitz' umwerfende Version der Dreigroschenoper von Brecht und Weill hatte ich bereits vor einigen Jahren in Berlin gesehen, und ich muss gestehen, dass ich damals so begeistert war, dass ich am nächsten Abend noch einmal hingegangen bin, weil ich nicht genug bekommen konnte von der ungemein erfrischenden Art, mit der der 1957 in Paris geborene Schauspieler den altbekannten Songs selbstbewusst, aber erfreulich uneitel neues Bühnenleben einhauchte. Die ungeheure Präsenz des Künstlers ist es, die den Opernkritiker das Entsetzen über die rockigen Gitarrensounds, die funkigen Rhythmen und die computergestützten Effekte ertragen lassen, die Sensibilität und die unspektakuläre Wandlungsfähigkeit, mit der er in die verschiedenen Rollen der im August 1928 im Berliner Theater am Schiffbauerdamm uraufgeführten Vorlage schlüpft, auch in die weiblichen, ohne dass etwa im Barbara-Song oder der Seeräuberjenny auch nur ein Hauch von Peinlichkeit mitschwingen würde. Man bewundert diese ganz eigene katzenartige Körpersprache und -spannung, diese ungeheure Kraft des Ausdrucks, die zornige Aggressivität, die sich abwechselt mit butterweicher Schmusigkeit, die bald subtil angedeutete, bald das gesamte ISIS Zelt erfüllende Erotik, den fast animalisch aufgerissenen Mund im Kanonensong, die wenigen bizarr-hektischen Tanzschritte, die akrobatischen Einlagen auf den am Rand aufgestellten Holzpodesten, die spürbare Bewunderung für und die Nähe zu Jacques Brel (dessen Chansons Horwitz in einem anderen gefeierten Programm präsentiert), den Charme der witzig-intelligenten Conférencen und der subtil eingebauten Verfremdungseffekte. Bei der direkt zu Beginn bloß gesummten Moritat von Mackie Messer etwa bleibt es bei drei Versuchen, deren letzter - Horwitz animiert das Publikum, den berühmten Titel zu singen - durch die geradezu gewalttätig anmutenden Klänge der "loskachelnden" Band ein frühes Ende findet. Ansonsten werden zwar alle Songs interpretiert - wobei hervorgehoben werden muss, mit welcher Musikalität und Sicherheit der Schauspieler die komplexen rhythmischen Kniffligkeiten und die überraschenden Tempo- und Tonartwechseln bewältigt! -, nicht jedoch die Geschichte erzählt: "Best of" eben.

Vergrößerung Noch einmal Dominique Horwitz in seinem begeisternden Brecht-Weill-Programm.

Bereits 1993 hatte Horwitz übrigens in den Hamburger Kammerspielen die erste Fassung seiner Brecht-Weill-Hommage vorgestellt, 1998 das Programm noch in den ursprünglichen, meine Schmerzgrenze das eine oder andere Mal mehr als streifende Arrangements von Uli J. Messerschmidt für die CD mitschneiden lassen, für die er zwischendurch auch charmant Werbung macht; auch nach zehn Jahren aber hat man das Gefühl, dass der Interpret und seine musikalischen Begleiter immer noch genauso viel Spaß an dem Programm haben wie das Publikum, das sich folgerichtig einige Zugaben erklatscht (wie etwa das im Stil lateinamerikanischer Folkloregruppen wiederholte Eifersuchtsduett oder das a cappella gegebene "Formidable" von Charles Aznavour, das er sich erst dann zu singen traut, wenn seine Musiker das Zelt verlassen haben).

"Rettet die Operette!" heißt die Parole, die einem das "Kommando Rothenberger" in regelmäßigen Abständen entgegenruft und die man ja grundsätzlich auch einstimmen möchte, gerade in Zeiten, in denen das Regietheater auch dieses Genre für mitunter bizarre Selbstdarstellungen entdeckt hat. In der schmucken, herrlich plüschig mit Prismenkronleuchtern, Lurex- und Samtstoffbahnen, Palmen und einigen Antiquitäten ausstaffierten TheaterBar des ISIS Zeltes am Burgplatz erheben die fünf mit unterschiedlichen Erfahrungen und vor allem sehr unterschiedlich ausgeprägten Begabungen im Opern-, Musical- und Popgesang aufwartenden Künstler den Anspruch, vermeintlich angestaubte Operetten einer Generalüberholung zu unterziehen und für ein neues Jahrtausend zu reaktivieren. In Wirklichkeit dient das 1930 in Berlin uraufgeführte Weiße Rössl nur als Steinbruch für ein Comedy-Programm, das sich im Wesentlichen mit den erotischen Vorlieben und Problemen der Mitwirkenden befasst, besonders aber mit dem Ticken der biologischen Uhr der "Operettendiva", die in der stattlichen Nicola Müllers eine Interpretin mit großem Mut zu Hässlichkeit und Selbstironie fand. Ihre Stamina als dramatischer Sopran (ihre Lieblingsrollen sind Turandot, die Küsterin in Jenufa und die Knusperhexe in Hänsel und Gretel, und im Juni 2002 debütierte die Künstlerin als Puccinis Tosca!) und ihren sexuellen Notstand durfte die Kurt-Moll-Schülerin mit Sonjas "Einer wird kommen" vermitteln, bevor sie zu den Klängen der "Waldeslust" die Herren im Publikum gar um Samenspenden bittet, gleich auch die nötigen Reagenzgläser verteilt und sich bei "Es muss was Wunderbares sein" im wirklich gewagten Mini und mit gerissenen Netzstrümpfen in die Domina Josepha verwandelt - ob der stimmlich wirklich überforderte Thomas Wißmann (den manche vielleicht noch als Jupp Schmitz aus der Walter-Bockmayer-Produktion der Carmen aus dem Kölner Kaiserhof kennen und der für seine Kölsche Version des "Salzkammergut" und den mit der wahrlich unpassenden Pointe "Wollt ihr den totalen Sigismund?" endenden, in schlechter Zarah-Leander-Parodie begonnenen und zackig zugespitzten Song über den schönen jungen Sülzheimer erstaunlich viel Applaus vom Düsseldorfer Publikum bekam) das Outfit der Kollegin meinte, als er "Zuschau'n kann ich nicht" anstimmte? Gegen Ende jedenfalls wird die Sängerin, die auch eine ambitionierte Akkordeonspielerin ist, in einen Handstand gehievt, der ihre Fruchtbarkeit um 80 Prozent erhöhen soll ...

Vergrößerung Das zweifelhafte Rettungskommando im Einsatz für die Operette

Besonders geistsprühend ist das alles nicht, die ganze Veranstaltung hat eher dieses reizend amateurhafte Flair, das diejenigen kennen, die regelmäßig Schultheateraufführungen und Musikschulvorspielnachmittage besuchen (Probleme mit dem Ton inklusive), und so verhehle ich nicht, dass ich mich beim Anschauen des Rössl-Revivals mit Tony und Ursli Pfister, Fräulein Schneider, Max Raabe, Otto Sander und all den anderen, das in der Berliner Bar jeder Vernunft zu erleben war und auch im Fernsehen ausgestrahlt wurde, besser und professioneller unterhalten fühlte als bei dieser als "Wanderung zwischen Alpenromantik und rheinischem Humor" angekündigten, gerade einmal anderthalb Stunden langen Veranstaltung mit ihren zum Teil doch recht steifen, brav auswendig gelernten und wahrlich nicht durchgängig witzigen Dialogen, den auch nicht rasend relevanten Informationen zum heutigen Romantikhotel und zur Aufführungsgeschichte des ausgeschlachteten Werkes, den wenig erhellenden Assoziationen zum Thema Österreich an sich - da darf ein Portrait von Kaiserin Sissi und ihrem Franz nicht fehlen, das der mit reizendem britischen Akzent und der schönsten Stimme des Abends aufwartenden Martin Lindsay tränenreich zerreißt, als er erfährt, dass die von ihm so heiß geliebte Rolle des Kaisers gestrichen ist. Die permanente Anmache von Guido Preuß, der als musikalischer Leiter, Pianist und strenger Conférencier dieser "politischen Kundgebung" fungiert, kann ihn da nachvollziehbar wenig trösten. Unerträglich klamottig, aber natürlich tapfer vom Publikum beklatscht wurde schließlich die Szene, in der die Damen ihre Köpfe in die Wassereimer stecken und hinterher von den Herren trocken gefönt werden - nur die von mir schon bang vorausgesehenen in Gesichter fliegenden Torten wurden ausgelassen, nicht jedoch eine mitreißende Publikumsanimation, bei der alle Erschienenen das "Guten Morgen" im Titelsong der Operette mitsingen und mit ausladender Begrüßungsgeste unterstreichen durften. Mehr hätte ich gern von Alice van Dytsch gesehen, die mir eine witzige Komödiantin zu sein scheint, während Giudittas "Meine Lippen, sie küssen so heiß" bewies, dass das Singen nicht zu ihren ersten Talenten zählt. Das war bei Anneliese Rothenberger anders, deren Namen die Truppe benutzt, auch wenn die bis heute so bekannten Operettengesamtaufnahmen (häufig mit Nicolai Gedda als Partner entstanden) ein bisschen spät für die Sopranistin kamen. Eine Hommage auf die Künstlerin, die man in letzter Zeit wieder häufiger auf dem Bildschirm sah, war das Programm jedenfalls nicht, auch wenn man vorgab, sie selber habe in einer Ehrenloge hinter dem Paravent auf der rechten Seite der winzigen Bühne Platz genommen, um sich intravenös die Ehre zu geben, und man später die Operettenikone auf den Knien rutschend anbetet, bevor man sie mit zwei Bügeleisen in einer Reanimationsaktion vom Kammerflimmern erlöst.


FAZIT

Auch wenn ich mir während des kurzen Operettenabends einige Male das Lachen nicht verkneifen konnte und wollte und mich streckenweise gar nicht schlecht amüsiert habe, machte das Gesehene nicht wirklich Appetit auf das zweite Programm der Truppe, für das man sich Lehárs Land des Lächelns vorgenommen hat (das berühmte "Immer nur Lächeln" daraus war eine der Zugaben), während ich eines Tages sicherlich die Gelegenheit wahrnehmen werde, Dominique Horwitz' allerallerallerneueste Fassung des "Best of Dreigroschenoper" mitzuerleben.


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Produktionsteam

Konzept/Realisation
("The Best of Dreigroschenoper")
Dominique Horwitz
Christoph Hauptmann

Arrangements
("The Best of Dreigroschenoper")
Jan-Christof Scheibe




Solisten


"The Best of Dreigroschenoper":

Dominique Horwitz, Gesang
Jan-Christof Scheibe, Klavier
Mirko Michalzik, Gitarre
Uli J. Messerschmidt, Bass
Martin Langer, Schlagzeug


"rössel.wolfgang.see":

Alice van Dytsch
Martin Lindsay
Nicola Müllers
Guido Preuß
Thomas Wißmann





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Düsseldorfer Altstadtherbst
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