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Der Rosenkavalier

Komödie für Musik in drei Aufzügen, op. 59
Libretto von Hugo von Hofmannsthal
Musik von Richard Strauss

In deutscher Sprache mit niederländischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4h 15' (zwei Pausen)

Premiere in Het Muziektheater Amsterdam
am 31. Januar 2004


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De Nederlandse Opera
(Homepage)
Und in dem "Wie" da liegt der ganze Unterschied!

Von Thomas Tillmann / Fotos von Marco Borggreve



Das waren wahrlich keine gute Vorzeichen für die Rosenkavalier-Neuproduktion der Niederländischen Oper: Die ursprünglich als Marschallin vorgesehene britische Sopranistin Susan Chilcott, die in Amsterdam große Erfolge als Janaceks Katja und als Blanche in den Dialogues des Carmélites gefeiert hatte, war im vergangenen Jahr gestorben, und Willy Decker hatte die Regie aus gesundheitlichen Gründen an Brigitte Fassbaender abtreten müssen (man wünscht ihm schnelle Genesung, dem im Laufe der Saison soll er für die DNO auch noch einen neuen Don Carlo auf die Bühne bringen). Und doch ist es in meinen Augen eine Inszenierung, die eindeutig die Handschrift Deckers trägt, kommt sie doch ohne reißerische Aktualisierungen aus, ohne provokante Bilder und das Stück verunglimpfende Gags.

Vergrößerung

Octavian (Michelle Breedt, Mitte hinten) ist die Ehre wiederfahren, der Jungfrau Braut (Katherina Müller, links vorn) in Anwesenheit der Faninalschen Dienerschaft (Ensemble) die silberne Rose zu überreichen (rechts vorn: Ellen van Haaren als Leitmetzerin).

Der Abend wirkt andererseits kein bisschen verstaubt, sondern auf eine unaufdringliche Weise zeitgemäß, wozu zweifellos die hervorragende Personenführung beiträgt, die Vielschichtigkeit und Sensibilität, mit der nicht nur die zentralen Figuren gezeichnet werden, die Natürlichkeit, mit der die Darsteller agieren, wirklich miteinander spielen und sich zuhören, der Charme der Erzählweise, die unverkrampft-gekonnte Turbulenz mancher Szenen, der niemals klamottige Witz, durch den selbst die ansonsten mitunter unerträglichen Beisl-Szenen kurzweilig erscheinen und hinter dem dennoch stets die tiefe Melancholie des Werkes aufscheint, das bittersüße Reflektieren der Vergänglichkeit, nicht zuletzt umgesetzt durch mehrere Standbilder (etwa während der Arie des italienischen Sängers oder beim Auftritt des Rosenkavaliers bei Faninal) - man möchte die Zeit aufhalten und schafft es doch nicht.

Den Verfall und die Vergänglichkeit hat Wolfgang Gussmann auch szenisch schlüssig umgesetzt: Die auffällig kahlen, apricotfarbenen Wände des nach oben hin offenen Palastes, der den ganzen Abend lang benutzt wird, neigen sich bereits zu Beginn bedrohlich zur Seite, werden von Aufzug zu Aufzug immer niedriger und geben den Blick immer mehr frei auf das dahinter liegende Bühnendunkel, nur die wirklich edlen, wunderschönen, gut sitzenden historisierenden Kostüme (ebenfalls entworfen von Wolfgang Gussmann sowie von Susana Mendoza) und ein paar wenige Möbel künden noch von gewesenem Prunk, wie etwa der imposante, aber eben auch nicht mehr ganz neue Wandspiegel, den die Marschallin am Ende des ersten Akts vergeblich mit dem Laken abzudecken versucht, das noch den Duft vergangener Liebesnächte mit Quinquin atmet, mit dem sie die eigene Jugend festhalten will und der mit seinen siebzehn Jahren mindestens auf den ersten Blick so ganz anders ist als die anderen Männer in ihrem Leben. Am Ende wird selbst das Bett weggetragen, in das Octavian und Sophie nach dem Abschied der Fürstin munter gesprungen waren.

Vergrößerung Sie versteht sehr wohl, wann eine Sach' ein End' hat: die Feldmarschallin Fürstin Werdenberg in großer Toilette (Martina Serafin).

Klangbeispiel Klangbeispiel: Martina Serafin
(MP3-Datei)


Die Marschallin selber hatte zuvor noch tapfer das Laken vom erwähnten Spiegel gezogen und so bewiesen, dass sie anders als der Vetter Ochs versteht, wann eine Sach' ein End' hat. Bis zu diesem Moment hat man durchaus das Gefühl, dass diese Frau nur nach außen hin die perfekte Gattin ist, die in die Kirche geht und wohltätig ist, die aber ansonsten durchaus eine Geübte in diesen Sachen ist (die Lakaien etwa lachen, als sie Ochs erklärt, sie habe am Morgen die Migräne gehabt, und auch der Mohammed ist ein ausgewachsenes Mannsbild, das man natürlich am Ende nicht schicken an, um nach Sophies Taschentuch Ausschau zu halten!), aber nun merkt man doch, dass hier mehr als eine Liaison mit einem jüngeren Liebhaber zuende gegangen ist. Auch die Zeiten haben sich geändert: Wegen der schönen Tradition wird zwar noch eine silberne Rose überreicht (übrigens in Anwesenheit des gesamten Faninalschen Personals!), aber es ist eben auch ein beeindruckender Strauß weißer Rosen dabei.

Vergrößerung Marie Theres (Martina Serafin) nach einer stürmischen Nacht mit ihrem Quinquin

Martina Serafin ist eine optisch ideale, attraktive Fürstin, der man freilich die lebenslustig-sinnliche Frau eher abnimmt als die melancholische, so dass das Ende des ersten Aufzugs mich nicht in dem Maße berührte wie in anderen Vorstellungen dieser Oper. Mir war die Österreicherin insgesamt ein wenig zu "bürgerlich" und zu wenig grande dame, für meinen Geschmack machte sie einfach auch zu viel auf der Bühne und vor allem mit den Händen (vielleicht ein Überbleibsel aus ihrer Zeit als Operettendiva der Seefestspiele Mörbisch). Die eher kühl timbrierte Stimme, die nur im Forte einige metallische Schärfe und leicht klirrende Nebengeräusche aufweist und in Mittellage und Tiefe mehr Volumen hat als noch vor einigen Jahren (nur selten verfiel sie in unschönen Sprechgesang bei unbequem liegenden Passagen), passte indes glänzend zur Rolle, und mit der Aussprache und Phrasierung gab sich die Österreicherin, die die Partie schon in Stuttgart und Leipzig gesungen hatte, auch viel Mühe.

Vergrößerung

Entgegen anderslautender Bekundungen beim Eintreffen im Beisl hält sich Mariandel-Octavian (Michelle Breedt, links) beim Weintrinken mit ihrem Kavalier Ochs (Günter von Kannen, rechts) herzlich wenig zurück.

Ein Gewinn war auch Michelle Breedt, die bereits in Braunschweig mit ihrer Lehrerin Brigitte Fassbaender zusammen einen Rosenkavalier erarbeitet hatte und nicht nur eine ungemein lebendige, involvierte Darstellerin des ungestümen Buben und als Mariandel wirklich umwerfend komisch war, sondern auch den rechten Überschwang und Jubel in der klug und kultiviert geführten, pianostarken Stimme hatte, die freilich kleiner nicht sein sollte für diese lange Partie. Wie ein anmutig-zierliches Rokokopüppchen wirkte Katherina Müller, die zu Beginn der Saison an der Staatsoper Berlin ihre erste Sophie gesungen hatte und deren feiner, aber erstaunlich gut tragender, frischer, klarer Sopran keinerlei Probleme mit den gefürchteten Stratosphärentönen hatte. Auch durch eine exzellente Textverständlichkeit und ihr komisches Talent nahm die Deutsche uneingeschränkt für sich ein - unvergesslich bleibt mir ihr Gesichtseindruck beim ersten Zusammentreffen mit dem Baron.

Vergrößerung Da liegt er, der ungeschlachte, kaum verletzte, aber heftig lamentierende Herr Baron (Günter von Kannen), umringt von den übrigen Lerchenauern und dem Personal seines Schwiegervaters in spe.

Dieser Lerchenauer kommt als ein wahrlich in die Jahre gekommenes Überbleibsel einer vergangenen Zeit daher (der freilich auch sehr junge Leopold wirkt wie sein Enkel). Leider versteht man nicht viel von seinem Text (dankenswerter hatte man sich für den üblichen Strich im ersten Aufzug entschieden, wenn er der Marschallin sein Liebesleben offen legt), und man muss auch über einige Verschleißerscheinungen der etwas schütteren Stimme Günter von Kannens hinweghören, die zwar in der Tiefe noch ganz ordentlich anspricht, in der Höhe und im Piano stellenweise aber doch reichlich brüchig klang. Probleme hatte ich auch mit dem in der Rolle des Faninal debütierenden Olaf Bär, der permanenten Sprechgesang als große Parlandokunst verkaufen wollte.

Ellen van Haaren gab mit reifem, etwa steifen, aber intakten jugendlich-dramatischen Sopran eine herrlich aufgeplusterte Leitmetzerin, Irene Pieters war als etwas überzeichnete, in Stimme wie Erscheinung herrlich pralle Annina deutlich präsenter als Eberhard Francesco Lorenz, der den Valzacchi gab. Arnold Bezuyen stemmte sich durch die Arie des italienischen Sängers und blieb bei den Spitzentönen dennoch unter der vorgesehenen Höhe, Tom Haenen war ein Notar, von dessen Text man eine Menge verstehen konnte, Valentin Jar ein tadelloser Wirt, und auch bei den kleineren Rollen und beim Chor gab es keine nennenswerten Ausfälle.

Abschied nehmen hieß es auch für Edo de Waart, der seine Karriere als Oboist beim Concertgebouworkest begonnen hatte, seit 1989 Chef des Radio Filharmonisch Orkest Holland und seit der Spielzeit 1999-2000 auch Chefdirigent der DNO war und dessen große Erfahrung mit dem Werk (davon zeugt nicht zuletzt die vielleicht nicht sehr wienerische, ansonsten jedoch unterschätzte Aufnahme, die im Juli 1976 mit den Protagonisten Evelyn Lear, Frederica von Stade, Jules Bastin und Ruth Welting in Rotterdam für die Firma Philips entstand) anders als bei seinem Dirigat der Troyens in diesem Jahr sich nicht an lähmender Routine zeigte, sondern an der großen Umsicht in der Begleitung der Solisten, an der Ausgewogenheit der Tempi und am Schwung und der Brillanz, mit denen das besonders tonschön, saftig, aber nie unkontrolliert spielende Orchester die süffigen Walzer ausführte.


FAZIT

Ein Rosenkavalier comme il faut!


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Edo de Waart

Inszenierung
Brigitte Fassbaender/
Willy Decker

Bühne
Wolfgang Gussmann

Kostüme
Wolfgang Gussmann
Susana Mendoza

Licht
Hans Toelstede

Choreinstudierung
Winfried Maczewski

Dramaturgie
Klaus Bertisch



Koor van
De Nederlandse Opera

Radio Filharmonisch
Orkest Holland


Solisten

Die Feldmarschallin
Fürstin Werdenberg
Martina Serafin

Der Baron Ochs
auf Lerchenau
Günter von Kannen

Octavian
Michelle Breedt

Herr von Faninal
Olaf Bär

Sophie
Katherina Müller

Jungfer Marianne
Leitmetzerin
Ellen van Haaren

Valzacchi
Eberhard Francesco
Lorenz

Annina
Irene Pieters

Ein Polizeikommissar
Cornelius Hauptmann

Haushofmeister der
Feldmarschallin
René Claassen

Haushofmeister bei
Faninal
Brian Galliford

Ein Notar
Tom Haenen

Ein Wirt
Valentin Jar

Ein Sänger
Arnold Bezuyen

Ein Gelehrter
Willem Korteling

Ein Flötist
Christian Krumm Aliaga

Ein Friseur
Jan Ruedisueli

Dessen Gehilfe
Wimper Diepering

Eine adelige Witwe
Barbara Kennedy

Drei adelige Waisen
Janine Scheepers
Noris Hrabar
Inez Hafkamp

Eine Modistin
Ineke Berends

Ein Tierhändler
Ruud Fiselier

Vier Lakaien der
Marschallin
Robert Kops
Harry Teeuwen
Henk de Vries
Wojtek Okraska

Vier Kellner
Cato Fordham
Jan Majoor
Sander Heutinck
Ian Spencer

Ein Hausknecht
Jan Polak

Die alte Kammerfrau
Krystina Peda

Leopold
Sebastian Welker

Mohammed
Guillermo Blinker



Weitere
Informationen

erhalten Sie von
De Nederlandse Opera
(Homepage)



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E-Mail: oper@omm.de

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