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Anatevka
(Fiddler on the roof)

basierend auf den Geschichten von Scholem Aleichem
mit ausdrücklicher Genehmigung von Perl Arnold
Buch von Joseph Stein
Musik von Jerry Bock
Gesangstexte von Sheldon Harnick
Deutsch von Rolf Merz und Gerhard Hagen
Fassung von Attila Láng


In deutscher Sprache

Premiere im Schauspielhaus Wuppertal am 21.12.2002


Homepage

Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Viel Herz in kleinen Häuschen

Temperamentvolle Umsetzung des beliebten Musicals

Von Meike Nordmeyer / Fotos von Michael Hörnschemeyer


Vergrößerung

Viel gibt es, worüber sich Tevje (Hartmut Bauer) Sorgen macht.

Fünf Töchter haben Tevje, der Milchmann und seine Frau Golde. Die ältesten drei werden erwachsen, verlieben sich und bestehen auf die eigenständige Wahl des Ehemanns. Das birgt Konfliktstoff, denn selbstbestimmtes Handeln ist Mädchen traditionell verwehrt, und in dem Dorf Anatevka wird die Tradition hochgehalten. Die jüdischen Bewohner von Anatevka sind Repressalien gewohnt, sie haben sich daher auf ihr einfaches Dorfleben gänzlich zurückgezogen und suchen Halt in den festen Regeln der Tradition. Ausgerechnet während Übergriffe durch russische Soldaten das Dorf bedrohen, muss sich Tevje nun mit seinen entschlossenen Töchtern hart auseinandersetzen. Ein enorm gehaltvoller, berührender Stoff, den das beliebte Musical bietet und der in der Wuppertaler Inszenierung packend vermittelt wird.

Vergrößerung Listig erzählt Tevje seiner Frau Golde (Ingeborg Wolff), was er geträumt habe.

Die Geschichte spielt 1905 in Russland und Regisseur Attila Láng lässt sie in sorgsamer Ausstattung in kleinen Dorfhütten und auf dem Dorfplatz spielen, die Personen treten in zeitgemäßer, einfacher bäuerlicher Kleidung auf. Doch Láng bietet mit seiner Inszenierung alles andere als nur eine reine Ausstattungsproduktion. Die kleinen Häuschen werden zu den entsprechenden Auftritten auf die leere Bühne geschoben und wieder weggerollt - ein Verfahren, das Bewegung bringt und auch humorvoll eingesetzt wird, wenn etwa zur Traumszene Golde und Tevje im Ehebett hereingerollt werden.

Wichtig ist aber vor allem, dass mit dieser beweglichen Bühnengestaltung bei aller realistischer Ausstattung ein gewisser Verfremdungseffekt geschaffen wird: die Häuschen stehen vereinzelt und unverbunden auf der leeren Bühne - im Hintergrund ist nur das Orchester hinter einem Gaze-Vorhang zu sehen. Die Hütten sind zudem reichlich kein und auffallend putzig gehalten. Láng gelingt es damit, einerseits erzählerisch realistisch das lebendige, meist sehr fröhliche und immer liebenswerte Leben im Dorf Anatevka und das Ausüben jüdischer Feierlichkeiten lebendig zu zeigen. Andererseits wird aber auch mühelos deutlich, wie sehr die Bewohner sich in ihrem Dorf durch Rückzug auf ein rückständiges Leben im kleinsten Kreis eine abgekapselte und vor allem unwirklich niedliche heile Welt geschaffen haben. Eine Wirklichkeitskonstruktion, die schließlich nicht mehr zu halten ist. Sie wird nicht nur von den jungen Menschen zunehmend hinterfragt und umgangen, sondern alsbald von der Außenwelt feindselig zerstört.

Vergrößerung

Noch geht es feierlich auf der Hochzeit von Motel (Raimund Fischer) und Zeitel (Sascha Iks) zu.

Besonders überzeugend ist auch die bewegte Personenregie. Singende Schauspieler, tanzende Opernsänger und sprechende Tänzer fügen sich problemlos zu einem außerordentlich homogenen und durchweg temperamentvollen Spiel zusammen - der Regie konnte eine ausgewogene Zusammenführung und Nutzung der verschiedenen Sparten trefflich gelingen. Dem Ensemble macht die Umsetzung riesig viel Spaß und es kann das Publikum sogleich damit anstecken. Mitreißend gelingen auch die vielfältigen Tanzeinlagen: Die Kreistänze der Dorfbewohner zur Klezmermusik, mit denen sie sich schließlich den kraftvollen Tänzen der russischen Soldaten gegenüberstehen sehen. Da tanzt man gegeneinander und schließlich kurzzeitig unversehens auch miteinander.

Opernsänger Hartmut Bauer, der sich mit der Rolle des Tevje nach vielen Jahren von den Wuppertaler Bühnen verabschiedet, prägt mit seiner höchst präsenten Darstellung der Hauptfigur die Aufführung entscheidend. Man ist von ihm stets charaktervolle Bühnendarstellung gewohnt. Er übertrifft sich nun noch einmal selbst und zeichnet innig und humorvoll den Tevje als liebenswert schlitzohrig, bockig, aber auch versonnen und weise, als einen Vater, der sich um seine Familie und vor allem die aufbegehrenden Töchter liebend und leidend sorgt. Kräftig herb, doch mit Herz erscheint passend dazu die Golde in der ausdrucksstarken Darstellung von Ingeborg Wolff. Bauer weiß als erfahrener Opernsänger auch mit dem Musical-Fach treffsicher umzugehen und gestaltet seine Partie stimmlich klangvoll und variabel. Schauspielerin Wolff findet als Golde ebenfalls genau den richtigen, gehaltvollen Tonfall. Rührend stimmen sie zusammen im Duett, in dem das alte Ehepaar zögerlich ihre Liebe wiederentdeckt. Überzeugend gelingt auch die Darstellung der Töchter in Spiel und Gesang. Herausragend erklingt Elena Fink als Hodel. Die Sopranistin gestaltet zart und innig den Abschied vom Vater, bevor sie dem Verlobten nach Sibirien nachreist. Raimund Fischer erweist als Schneider Motel ebenfalls geschmeidige Stimmgebung.

Das Orchester musste aus Platzgründen hinten auf der Bühne angeordnet werden, was sich aber gut in die Inszenierung einfügte und auch im Zusammenklang mit den Sängern keine Probleme ergab. In kleiner Besetzung ist das Orchester um Instrumente wie Gitarre und Akkordeon ergänzt. In farbreicher Musiksprache bietet die Komposition reichlich Jazzelemente und Klezmerklänge. Unter der Leitung von Simon Rekers spielte das Orchester differenziert, mit dem nötigen Drive und legte hierin im zweiten Teil noch gehörig zu. Geboten wurden gute Einsätze und geschmeidige Übergänge, auch für handlungsbezogene Rubati sorgte das aufmerksame Dirigat von Rekers. Mit schönem Touch konnte die reichhaltige Partitur des Musicals entwickelt werden und stimmungsvoll bewegen.


FAZIT

Eine in jeder Hinsicht gelungene Produktion in intelligenter, sorgsamer Inszenierung und mit einer temperamentvollen Ensembleleistung, die unmittelbar mitreißt. Nicht verpassen und rechtzeitig um Karten kümmern, denn die Aufführungen sind gefragt!



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Simon Rekers

Inszenierung
Attila Láng

Bühnenbild
Attila Láng
Matthias Kilger

Kostüme
Marette Oppenberg

Licht
Gregor Fritz

Dramaturgie
Christian Baier

Chor
Gabriele Pott



Chor der Wuppertaler
Bühnen
Sinfonieorchester Wuppertal
Statisterie der Wuppertaler
Bühnen


Solisten

Tevje, der Milchmann
Hartmut Bauer

Golde
Ingeborg Wolff

Zeitel
Sascha Icks

Hodel
Elena Fink

Chava
Esther Rölz

Sprinzte
Annika Hinrichsen

Bielke
Janna Olson

Motel, der Schneider
Raimund Fischer

Lazar Wolf, der Fleischer
Andreas Heichlinger

Perchik, ein Student
Ralf Stech

Jente, die Heiratsvermittlerin
Andrea Witt

Der Dorfgendarm
Hans Richter

Der Rabbi
Osvaldo del Rio

Mendel, sein Sohn
Marco Agostini

Fedja, ein junger Russe
Marco Agostini

Oma Zeitel
Ellen Uta Merkert

Shandel, Mottels Mutter
Ellen Uta Merkert

Frohma Sara
Arthur Friesen

Mordechai, der Gastwirt
Arthur Friesen

Awram, der Hutmacher
Bernhardt Schmidt

Nachum, der Bettler
Jochen Bauer

Pope
Karl-Heinz Blondrath

Der Fiedler
Livio Neagu-Gruber

Tänzer
Jakob Creutzburg
Daniel Höft
Dogukan Tercan
Markus Bomski
Michael Laforme
Manuel Schugt




Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Wuppertaler Bühnen
(Homepage)



Da capo al Fine

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