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Orpheus ist auch ein TänzerVon Christoph Wurzel / Fotos von A.T. Schaefer
Die Welt zwischen Götterhimmel und Totenreich - das sind die Orte, an denen Orpheus in Monteverdis Oper um sein Glück kämpft und es verliert, um dann doch noch in höhere Sphären einzugehen. In diese drei Dimensionen öffnet das Bühnenbild von Kathrin Brack das enge Bretterhaus des Theaters, um dem Mythos gebührenden Raum zu geben. Mühsam steigt La Musica im Prolog das schräg von hinten nach vorn hängende Bühnendach herunter vom Parnass zu den Irdischen hinab. Mit großer Kraft und unter Einsatz von allerlei technischem Gerät öffnet Orpheus den Bühnenboden und aus dem Orkus steigen, mühsam belebt, erst die Gestalten der Unterwelt, dann die Könige des Schattenreichs Proserpina und Pluto empor. Am Schluss öffnet sich ein großes, kreisrundes Loch im Bühnendach und Apoll entwindet sich dem Himmel, in welchen Orpheus hinaufgezogen wird. Wie ein Leitmotiv durchzieht eine bestechende Choreographie die Aufführung. Joachim Schlömer hat, seine Herkunft vom Tanz nicht verleugnend, eine expressiv körperbetonte Bühnensprache gewählt, bis hin zur Erfindung einer (neben der Musik und der Hoffnung) dritten allegorischen Figur, die man als Seele des Orpheus verstehen könnte (berückend getanzt von Jasna Vinovrski). Aber auch der Chor agiert immer wieder choreographisch. In diesem Thrakien herrscht Lebensfreude, die sich in dionysischen Tänzen Ausdruck verschafft. Besonders aber ist der Disput zwischen den Göttern der Unterwelt um die Freigabe von Euridice als ein umschwärmendes Werben gestaltet, in dem vor allem erotische Reize zum Siege verhelfen. Leichtigkeit des Seins: Orfeos Fest. Da sind auch die Begleiter markante Figuren, wie Speranza als Heilsarmistin mit Marschgepäck und deftiger Verpflegung für die lange Wanderung zum Eingang der Unterwelt. Da ist Caronte, der ölverschmierte Maschinist, der die Türen zum Hades aufwuchten muss oder La Musica, die Orpheus statt der Leier ein Grammophon verehrt, das heute unentbehrliche Utensil der musikalischen Welterfahrung. Vor allem aber ist da das Volk der Griechen: Leute wie wir alle, die gerne feiern und fröhlich sind (der Grill ist gerade angeworfen), dann aber erschüttert vor dem unerbittlichen Schicksal des Sterbens kapitulieren müssen. Ganz ohne Pathos, aber in großer Eindringlichkeit werden die Ereignisse erzählt, sinnfällig hinein bis in jedes Detail und mit viel Einfühlung in das Verhalten von Menschen mit ihren Gesten und Ritualen, ihrer Bewegung und Erstarrung. Zudem korrespondieren die Bühnenaktionen genau mit der Agogik der Musik. Nicht expressiv vordergründig, sondern sanft schmeichelnd gestalten die Instrumentalisten ihren Part. Jean-Claude Malgoire ist einer der Altmeister der historischen Aufführungspraxis, ohne aber darauf fixiert zu sein. Er leitet die Musikerinnen und Musiker in ihrem behutsamen Spiel aufmerksam und deutlich. Schon die zu Beginn dreifach von den Rängen erklingende Eingangsfanfare schafft die eindringliche Stimmung des mystisch Bedeutungsvollen, das dieser Oper ihre Besonderheit verleiht. Ebenso wie das Orchester, das allerdings durch einige Spezialisten auf Originalinstrumenten verstärkt wurde, beherrscht der Stuttgarter Opernchor Monteverdis musikalischen Duktus, als habe er nichts Anderes zu singen. Gleiches gilt für die Solistinnen und Solisten, allesamt keine ausgewiesenen Spezialisten der Alten Musik, sondern auch im klassisch-romantischen Repertoire zu Hause. Vielleicht ist es gerade diese Vielseitigkeit, die solch ein souveränes Spiel erst möglich macht. Blendend sind die Hauptrollen besetzt, allen voran der strahlende Tenor des Kobie van Rensburg als Orfeo. Doch kein Anderer steht ihm an Bühnenpräsenz und Schöngesang wesentlich nach. Zu sehen und zu hören ist in Stuttgart wieder einmal eine reife Ensembleleistung, die in ihrer Geschlossenheit überzeugt. Bewährte Kräfte des Stuttgarter Hauses und neu engagierte Sängerinnen und Sänger fügen sich zu einer künstlerisch enorm produktiven Gemeinschaft - neben einer aufmerksam umsichtigen Dramaturgie sicherlich das Erfolgsgeheimnis der Stuttgarter Oper. FAZIT Eine Inszenierung in eigener Handschrift, makellos schön gesungen und gespielt. Was man in Stuttgart auch anfasst, es scheint sich in Gold zu verwandeln. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne, Kostüme
Licht
Chor
Dramaturgie
SolistenLa MusicaIrena Bespalovaite
Orfeo
Euridice
Messagiera
Sperenza
Caronte
Proserpina
Plutone
Apollo
Echo
Pastore I / Spirito I
Pastore II
Pastore II / Spirito II
Spirito III
Ninfa / Pastore
Pastore IV / Spirito V
Spirito IV
Driade (Tänzerin)
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