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Musiktheater
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Die Sache Makropoulos

Oper von Leos Janacek
nach einer Komödie von Karel Capek
Deutsche Übersetzung von Sona Cervena und Christof Bitter


In deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 15' (keine Pause)

Premiere im Großen Haus
des Oldenburgischen Staatstheaters
am 11. April 2003

Besuchte Vorstellung: 15. April 2003

Logo: Oldenburgisches Staatstheater

Oldenburgisches Staatstheater
(Homepage)

Mitleid für eine dreihundertjährige Schönheit

Von Thomas Tillmann / Fotos von Jörg Landsberg


Die emotionale Kälte, die von der Figur der Elina Makropoulos ausgeht, die ihr Leben - ihre vielen Leben! -, ihre Liebschaften und künstlerischen Triumphe genossen hat, die aber auch immer wieder Abschied nehmen musste, damit ihre Mitmenschen ihr nicht auf die Schliche kommen, und die in der Unendlichkeit des Lebens nur noch ermüdende Wiederholung erkennt, war es, die Leos Janacek interessierte, als er sich zu einer Vertonung der Komödie Capeks entschloss. Das Glück und die Liebe hat sie nie finden können, und so verachtet sie all die anderen, die der Liebe nachjagen, weil sie zu wissen glaubt, dass auch sie sie nicht finden. Sie hat in den Jahrhunderten gelernt, dass die Liebesschwüre der Männer nichts als leere Worte sind, aber auch, dass man nur gegen körperliche Gegenleistung von ihnen das erhält, was man begehrt.

Vergrößerung Anwalt Kolenaty (Henry Kiichli) und Albert Gregor (Peter Vincent) fragen sich, warum sich die gefeierte Opernsängerin Emilia Marty (Marcia Parks) so für den uralten Erbschaftsprozess interessiert.

In der Oldenburger Produktion ist die Marty allerdings nicht ausschließlich der emotionale Eisblock, als der sie häufig gezeichnet wird: Auch wenn sie librettogemäß mit Kälte, Härte und Schroffheit reagiert, um die Dinge abzuschneiden, an die sie nicht mehr glaubt, und um sich vor immer neuen Verletzungen zu schützen, spürt man bereits bei ihrem ersten Auftritt, wie es ihr nur mit größter Disziplin gelingt, das Bild der strahlenden, umschwärmten Primadonna aufrecht zu erhalten und ihre tiefe Einsamkeit länger zu ertragen. Mark Zurmühle weckt in seiner unaufdringlich-sensiblen, viele überzeugende Details bietenden, sich aber nicht in diesen verfangenden und ohne psychologische Überfrachtung auskommenden Inszenierung in erster Linie Mitleid für die "arme dreihundertjährige Schönheit" (Janacek) und Verständnis für die von ihr ausgehenden Kränkungen (so verkneift sie sich etwa beim ersten Zusammentreffen mit Albert Gregor im letzten Moment die mütterliche Geste, nach der ihr offensichtlich der Sinn steht), und auch die übrigen Figuren weiß er liebevoll und mit vielen Feinheiten zu charakterisieren, ohne der Gefahr zu erliegen, deren Skurrilität zu überzeichnen.

Vergrößerung

Die Marty (Marcia Parks), umringt von ihren Verehrern: Der Kanzleiangestellte Vitek (Tadeusz Galczuk, ganz links) bittet um ein Autogramm der Primadonna für seine selber singende Tochter Christa (Magdalena Schäfer), während Albert Gregor (Peter Vincent) die plötzliche Ablehnung der angebeteten Frau nicht versteht.

Eleonore Bircher hat einen sehr suggestiven Raum konzipiert, der von einem erhöhten Gang überblickt werden und den man durch diverse Türen und Vorhänge betreten respektive verlassen kann; ins Auge fällt dabei besonders die tiefrote Tapete mit schwarzen Pflanzen, deren Muster auch in einigen Möbeln auftaucht, die in der Schlussszene durch die geschickte Ausleuchtung auszubleichen scheint und so das Schicksal der Marty spiegelt, aus der das Leben mehr und mehr weicht. Unter den vergleichsweise wenigen Requisiten kommt der Absperrvorrichtung besonderes Gewicht zu, die man etwa von Theaterkassen kennt, nicht nur im zweiten Akt, wenn sie die Marty vor ihren Bewunderern schützt beziehungsweise diese auf Distanz hält. Dass Annette Pachs elegante, im Falle der Marty mitunter aber doch etwas braven Kostüme verschiedene Moden der fünfziger bis siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts aufgreifen, ist zwar wirkungsvoll, fügt der Werksicht aber letztlich keinen neuen Aspekt hinzu und wirkt daher ebenso willkürlich wie der Wechsel der Haarfarben bei der Protagonistin.

Vergrößerung Emilia Marty (Marcia Parks) reizt den jungen Gregor (Peter Vincent) so, dass er sie zu erschießen droht (oben: Magdalena Schäfer als Christa).

Marcia Parks, in Oldenburg für ihre Interpretationen so unterschiedlicher Partien wie Alcina, Santuzza, Fata Morgana, Jenufa, Desdemona und Aida bekannt, besitzt den richtigen (jugendlich-)dramatischen Sopran, die angemessene vokale wie darstellerische Reife und die angesichts des Regiekonzepts richtige Marschallin-Ausstrahlung für die Emilia Marty (und ein paar Flamenco-Elemente hat sie für die Szenen mit Hauk-Schendorf auch einstudiert). Peter Vincent war ein angemessen ungestümer, leidenschaftlicher Albert Gregor im Vorstadt-Casanova-Outfit und mit offensichtlichem Alkoholproblem, sollte sich aber vor zu großem Krafteinsatz besonders in der nicht immer leicht erreichten, durchschlagskräftigen Höhe hüten. Bernard Lyon sang den Jaroslav Prus mit seinem reifen, aber intakten Bariton zwar untadelig, entwickelte aber wenig Ausstrahlung: Wirkliches Interesse an einer aufregenden Liebesnacht mit der allen Männern den Kopf verdrehenden Diva traute man diesem in die Jahre gekommenen Adeligen kaum zu.

Vergrößerung

Nach der Liebesnacht mit dem Baron plant die amüsierte Diva (Marcia Parks) ihre Abreise mit dem verwirrten Ex-Geliebten Hauk-Schendorf (Joachim Siemann) nach Spanien.

Martin Koch wusste mit seinem präsenten lyrischen Tenor als Janek zu berühren und enthielt sich erfreulicherweise jeder Übertreibung, Magdalena Schäfer gefiel mit frischem Sopran als engagierte Christa. Henry Kiichli war ein rollengerecht geschäftig-unterkühlter, kleinkarierter, erstaunlich eloquenter Kolenaty, Tadeusz Galczuk gelang mit seinem präsenten Charaktertenor und vorbildlicher Diktion eine jede Outrage meidende Studie des im Bürokratismus einer Anwaltskanzlei geradezu aufgehenden, seit Jahr und Tag offenbar voll heimlicher Wonne Aktenwagen durch die Gegend schiebenden Vitek, Joachim Siemann war ein eher anrührender als Gelächter auslösender Hauk-Schendorf, und auch Annekathrin Kupke (Garderobiere), Sharon Starkmann (Kosmetikerin) und Leonard Katarzynski (Bühnenarbeiter) entwickelten einiges Profil in ihren kleinen Partien.

Vergrößerung Das Spiel ist aus - Elina Makropoulos (Marcia Parks) will nicht mehr leben. Die einzige, die ihr Mitleid entgegenbringt, ist Christa (Magdalena Schäfer), die die Formel für das Lebenselixir verbrennen wird.

GMD Alexander Rumpf erwies sich als engagierter Anwalt der große Teile des Publikums offenbar immer noch verstörenden Musik Janaceks und versuchte die melodischen Momente gegenüber den schroffen zu betonen und deren Schönheit auszuspielen, ohne dabei den Charakter des 1926 in Brünn uraufgeführten Werkes zu verraten, das hörbar auch die Blechbläser des Oldenburgischen Staatsorchesters vor einige Probleme stellte, und ohne den Sängern, zu denen er sehr aufmerksam Kontakt hielt, durch einen allzu kompakten Klang das Leben unnötig schwer zu machen.



FAZIT

Mit dieser eher unspektakulären, aber die meiste Zeit sehr dichten Produktion der faszinierenden Janacek-Oper ist dem Oldenburgischen Staatstheater ein berührender Theaterabend gelungen, dem man mehr Zuschauer wünscht. In dieser Saison steht übrigens noch eine Neuinszenierung von Offenbachs Hoffmanns Erzählungen an (die Premiere findet am 12. Juni 2003 statt), und auch für die nächste Spielzeit hat sich Generalintendant Rainer Mennicken an seinem Dreispartenhaus mit Puccinis Trittico, Millöckers Bettelstudent, Smetanas Die verkaufte Braut, Mozarts Idomeneo, Verdis La forza del destino sowie einigen kleineren Produktionen und Wiederaufnahmen viel vorgenommen (hinzu kommen diverse ambitionierte Schauspiel- und Tanztheaterprojekte!).

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Alexander Rumpf

Inszenierung
Mark Zurmühle

Bühne
Eleonore Bircher

Kostüme
Annette Pach

Chor
Thomas Bönisch

Dramaturgie
Anke Hoffmann



Herren des Chores des
Oldenburgischen
Staatstheaters

Das Oldenburgische
Staatsorchester

Statisterie


Solisten

* Alternativbesetzung

Emilia Marty
Ks. Marcia Parks

Albert Gregor
Peter Vincent

Jaroslav Prus
Ks. Bernard Lyon

Janek,
sein Sohn,
in Christa verliebt

Martin Koch/
* Iago Ramos

Kolenaty, Anwalt
Albert Gregors

Henry Kiichli

Vitek,
Kanzleiangestellter
Tadeusz Galczuk

Christa,
seine Tochter
Magdalena Schäfer

Graf Hauk-Schendorf,
ein alter Diplomat
Joachim Siemann

Bühnenarbeiter
Leonard Katarzynski

Garderobiere
Annekathrin Kupke

Kosmetikerin
Sharon Starkmann


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Oldenburgischen Staatstheater
(Homepage)




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