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Zar und Zimmermann
Komische Oper in drei Akten
Text und Musik von Albert Lortzing

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus der Städtischen Bühnen Münster
am 25.12.2002

(rezensierte Aufführung: 27.12.2002)


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Städtische Bühnen Münster
(Homepage)

Biedere Menschen im Hotel

Von Stefan Schmöe / Fotos von Michael Hörnschemeyer



Lortzings Spielopern sind geradezu Inbegriff des musikalischen Biedermeier. Melodienselig und handwerklich gut gemacht erfüllen sie alle Erwartungen an eine funktionierende Komödie – solange sich diese im geordneten Weltbild bewegen, das sich das Bürgertum als Idealbild selbst vorgaukelte. Lortzing schrieb sich die Libretti – auch das zu Zar und Zimmermann - selbst, beherrschte als Theaterpraktiker sein Metier, enthält sich aber jeder Gesellschaftskritik. Dabei war Lortzing alles andere als unpolitisch. In der Revolution von 1848/49 ein bekennender Demokrat, brachte er in seiner „Proletarieroper“ Regina (1848) sogar streikende Arbeiter auf die Bühne, aber selbst dort schimmert im Text (und viel stärker noch in der Musik) die obrigkeitstreue Konvention durch. Auch in Zar und Zimmermann wird dem (lange verkannten, aber besonders sympathisch gezeichneten) Herrscher, dem als Zimmermann verkleideten Zaren, gehuldigt, und der Bürgermeister wird vor allem deshalb verspottet, weil er den wahren Monarchen viel zu spät erkennt. Man mag auf den ersten Blick in der Volkstümlichkeit des Zaren ein Idealbild der konstitutionellen Monarchie sehen, aber spätestens die anrührend schöne und dadurch auch einlullende Musik nimmt den Anflug gesellschaftskritischer Schärfe schnell wieder zurück: Übrig bleibt vollendete Harmlosigkeit.


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Geheimdiplomatie: Erst verhandelt der Bürgermeister mit dem britischen Gesandten ...

Das Münsteraner Regieteam (nach einem Hörsturz des Regisseurs Lorenzo Fioroni übernahm Benedikt Borrmann die szenische Einstudierung) stochert in diesem hübschen, aber biedermeierlich süßen Komödienbrei herum in der Hoffnung, vielleicht ein paar für die Gegenwart Erkenntnis bringende Brocken zu erhaschen. Die Zaren von heute sind die superreichen Geschäftsleute der Moskauer High Society, und so ist Peter Michailow alias Peter der Große ein smarter Geschäftsmann, der in einem herunter gekommenen Hotel im verblichenen Charme der 70er-Jahre mit Engländern und Japanern (der französische Gesandte wird kurzerhand gegen einen japaner ausgetauscht) krumme Geschäfte drehen will. So gut, so schlecht; das schäbige Ambiente mag zwar eine sinnige Übersetzung des Biedermeiers in unsere Zeit sein, aber das darin versammelte kleinbürgerliche Personal (etwa die vom zweiten, nach Komödiensitte mit dem Zaren verwechselten Russen umworbene Marie) wirkt derart uninteressant, dass einem die fast drei Stunden Spielzeit recht lang werden.


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... dann mit dem russischen Deserteur Peter Iwanow, bei dessen Identität ihm eine Fehleinschätzung unterläuft ...

Die Konzept, die Geschichte zeitgemäß zu erzählen, kracht an allen Ecken und Enden. Die Anhäufung von Zimmerleuten in traditioneller Kleidung, die auch noch hübsch tanzen müssen, wirkt abstrus und nicht erst auf die Dauer ermüdend. Der Japaner mit trippelnden Geishas im Gefolge ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten, aber es gelingt dennoch: Der Engländer wird, begleitet von Soldaten in Uniform, vom Hubschrauber eingeflogen (ein paar Tage nach dem Absturz eines Bundeswehrhubschraubers in Kabul in unbefangener Heiterkeit dargestellt!). Über den Bürgermeister im blau-gelben FDP-Look mag man noch schmunzeln, dass aber der Höhepunkt der Komik darin besteht, dass dem Peter Iwanow die Hose platzt, zeugt von einem eher schlichten Humorbegriff.


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... denn der Zar ist der andere Russe, der hier mit dem japanischen Gesandten plaudert.

Die Oper ist von ihrem Ende her inszeniert. In einer langen Filmsequenz, zum Holzschuhtanz (den Peter Iwanow und Marie in der einzig starken Szene der Aufführung allein und weltvergessen tanzen) gezeigt, sieht man den Zaren in seiner Luxuslimousine auf dem Weg zum Flughafen mit zwei Moskauer Schönheiten Champagner schlürfen. Zuvor hatte er sich im leeren Tanzsaal des Hotels an den Flügel gesetzt und ganz für sich „Sonst spielt' ich mit Zepter“, sein Bravourstück, gesungen. In diesen Szenen gelingt es zumindest ansatzweise, das Stück „aufzubrechen“ und die verschiedenen Ebenen sichtbar zu machen, ohne sie ausschließlich der Karikatur auszuliefern. Nur trägt dieser Ansatz eben nicht über diese Szenen hinaus.


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Aber wenn es mit der Politik nicht so klappt, dann bleibt ja noch die Kunst: Und deshalb dirigiert der Bürgermeister auch noch den örtlichen Kinderchor.

Gleichzeitig fehlt der Aufführung jede musikalische Profilierung. Martin Blasius gestaltet den Bürgereister Van Bett souverän in gewohnten komödiantischen bahnen und auch sängerisch akzeptabel, bleibt damit aber ziemlich allein. Radoslaw Wielgus kämpft als Zar Peter erfolglos mit erheblichen Höhenproblemen, Mark Bowman-Hester kommt als Peter Iwanow auch musikalisch nicht über eine fade Karikatur hinaus. Silke Evers (Marie) hat eine hübsche, aber kleine Stimme; das passt zur Rollenanlage – eine unscheinbare Hotelangestellte – macht die Marie aber zur Randfigur. Mineo Nagata als japanischer statt wie sonst französischer Gesandter rückt mit ganz ordentlicher Stimme, aber wenig stimmigen tenoralem Draufgängertum den Schlager „Lebe wohl, mein flandrisch Mädel“ in die Nähe der Parodie. Da darf man schon froh sein, wenn der alles in allem überzeugende Chor – in der Kantaten-Szene als Kinder verkleidet – singt. Schwungvoll und schmissig spielt das Orchester unter dem Dirigat von Christian Voß; die Geigen allerdings leisten sich bei den etwas diffizileren Passagen regelmäßig Aussetzer.



FAZIT

Das Biedermeier, das karikiert werden soll, holt die Aufführung ein um das andere Mal unfreiwillig ein. Musikalisch dürftig, szenisch wenig schlüssig und zwischen mäßig amüsant unentschieden peinlich schwankend bleibt das Theater Münster deutlich hinter seinen Möglichkeiten zurück.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Christian Voß

Regie nach einer Konzeption von
Lorenzo Fioroni

Szenische Einrichtung
Benedikt Borrmann

Bühne
Natascha von Steiger

Kostüme
Annette Riedel

Chorleitung
Peter Heinrich

Dramaturgie
André Meyer



Statisterie der Städtische
Bühnen Münster

Chor der Städtische
Bühnen Münster

Symphonieorchester der
Stadt Münster


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Peter Michailow (Zar Peter I.)
Radoslaw Wielgus

Peter Iwanow
Mark Bowman-Hester

Van Bett
*Martin Blasius /
André Eckert

Marie
Silke Evers

Admiral Lefort
Trond Gudevold

Englischer Gesandter
Auke Kempkes

Französischer (hier:
japanischer) Gesandter
Mineo Nagata

Witwe Browe
Suzanne McLeod






Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Städtischen Bühnen Münster
(Homepage)






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