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Cabaret
Musical von John Kander
Buch von Joe Masteroff
nach dem Stück Ich bin eine Kamera
von John van Druten
und Erzählungen von Christopher Isherwood
Gesangstexte von Fred Ebb
Deutsch von Robert Gilbert
In einer reduzierten Orchesterfassung von Chris Walker


Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere im Theater Krefeld
am 29. September 2002

Besuchte Vorstellung: 3. Oktober 2002


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Theater Krefeld-Mönchengladbach
(Homepage)
Solider Saisonstart

Von Thomas Tillmann / Fotos von Matthias Stutte



Kaum ein Musical erlebt an den Stadttheatern Nordrhein-Westfalens zur Zeit derart viele Neuinszenierungen wie John Kanders im November 1966 in New York uraufgeführtes Cabaret. Anders als das Theater Dortmund, das am selben Tag mit dem Stück Premiere hatte, hatte man am Niederrhein die ja vor allem darstellerisch fordernden Rollen mit Schauspielern des eigenen Ensembles besetzt, die dennoch in den (die Handlung scheinbar unterbrechenden, eigentlich aber intelligent kommentierenden, abwechselnd in deutscher wie in englischer Sprache präsentierten) Songs keinen schlechten Eindruck hinterließen, die die auf der Bühne sitzenden Musiker um Jochen Kilian schwungvoll, ohne Fehl und durchaus kreativ begleiteten (freilich wünscht man dem Krefelder Theater einen Sponsor für eine bessere Mikrofonanlage und hochwertigere Boxen).

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Ein Foto, das an die Ästhetik von Dix-Gemälden erinnert: Der Conférencier (Christoph Michael Schüchner) inmitten seiner Kit-Kat-Girls (von links nach rechts: Cornelia Scheidter, Sabine Schwietz, Danielle Sasso und Maria Michala).

Das Produktionsteam ließ sich offenbar nicht nur beim schlichten, leicht veränderbaren Bühnenbild (vier Cabaret-Gäste verschieben wenig störend die Dekorationsteile, auf deren Rückseite sich die detailverliebt eingerichteten Zimmer der Schneiderschen Pension befinden) von zeitgenössischen Gemälden wie Otto Dix' "Die Großstadt" und Fotos inspirieren, sondern auch in der Personenführung und der über weite Strecken witzigen, nur gegen Ende allzu ambitioniert wirkenden Choreografie. Dabei gelingt es Matthias Kniesbeck im Verbund mit den hochengagierten, wirklich miteinander spielenden und aufeinander hörenden Darstellern, eine gleichermaßen unterhaltende wie unter die Haut gehende, vor allem aber plausible Geschichte mit Figuren aus Fleisch und Blut zu erzählen, die einem nach wenigen Minuten wie alte Bekannte vorkommen. Da sieht man gern darüber hinweg, dass die insgesamt bemerkenswerte "leise" Inszenierung mitunter ein wenig hausbacken und brav gerät.

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Fräulein Sally Bowles (Esther Keil) ...

Esther Keil setzt als jungen- und katzenhafte, durchaus berechnende und gefährliche Sally Bowles eher auf unterkühltes Understatement als auf schrilles Möchtegern-Star-Gezicke - eine überzeugende Entscheidung; gern hätte man von ihr auch das leider gestrichene "Don't Tell Mama" gehört. Der hochgewachsene, über diskreten jungenhaften Charme verfügende Adrian Linke machte mehr aus der Rolle des Clifford Bradshaw als mancher andere und durfte ganz zurecht den von Kander und Ebb nach den Previews in New York des Jahres 1966 verworfenen, für das Broadway-Revival im Jahre 1987 eigentlich für "Emcee" Joel Grey wieder eingefügten Song "I Don't Care Much" singen, nachdem er im Kit-Kat-Club von Ernsts Ludwigs Schergen zusammengeschlagen wurde. Der eloquente, bewegliche, wandlungsfähige, die Grenzen des guten Geschmacks niemals überschreitende Christoph Michael Schürer machte als Conférencier nicht nur gute Figur, sondern erfasste auch beeindruckend die Doppelbödigkeit dieses faszinierenden Charakters.

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... landet nicht nur im Zimmer des gerade in Berlin angekommenen Clifford (Adrian Linke), sondern auch ziemlich schnell in seinem Bett.

Hervorragend besetzt war auch das andere Paar: Suly Röthlisberger protraitiert das in die Jahre gekommene Fräulein Schneider so liebenswert und rührend, dass man in Gefahr gerät, Verständnis zu entwickeln für ihre opportunistisch-ängstliche Haltung angesichts des aufkommenden Nationalsozialismus und ihre Entscheidung gegen den Juden Schultz, den Matthias Oelrich an ihrer Seite gleichermaßen bewegend wie humorvoll zeichnete - schade nur, dass er während der Verlobungsfeier statt des wirkungsvolleren, dramaturgisch plausibleren Miesnick-Songs das traditionelle jiddische Lied "Die grine Kusine" zum Besten gab, das die Emigration russischer Juden nach Amerika gegen Ende des 19. Jahrhunderts und deren Frustration über die Arbeitsbedingungen im Land der vermeintlich unbegrenzten Möglichkeiten thematisiert.

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Es kommt zum Eklat auf der Verlobungsfeier von Fräulein Schneider und Herrn Schultz, nachdem dieser ein jiddisches Lied vorgetragen hat: Die meisten Partybesucher stimmen in das Nazilied "Der morgige Tag ist mein" ein (Ensemble der Vereinigten Bühnen Krefeld Mönchengladbach).

Und auch Annette Heimerzheim und Ralf Beckord verleihen Fräulein Kost, die ihren Dienst als Prostituierte als patriotische Pflicht versteht, und dem frühen Nazi Ernst Ludwig unverwechselbares, differenziertes Profil, ebenso wie die zahlreichen anderen Mitwirkenden an diesem kurzweiligen Musicalabend.




FAZIT

Mit einer weniger spektakulären als handwerklich soliden, sehenswerten Musical-Neuproduktion, der man viele gerade auch jüngere Zuschauerinnen und Zuschauer wünscht, starten die Vereinigten Bühnen der beiden Niederrhein-Städte in die neue Saison.


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Produktionsteam

Inszenierung
Matthias Kniesbeck

Musikalische Leitung
Jochen Kilian

Choreografie
Ute Raab

Bühne
Monika Gora

Kostüme
Anja Müller

Dramaturgie
Katharina Viebrock




Solisten

Conférencier
Christoph Michael Schüchner

als Kit-Kat-Girls

Rosie
Katharina Luckhaupt

Lulu
Sabine Schwietz

Olga
Cornelia Scheidter

Texas
Danielle Sasso
Kristin Josefiak* (3. 10.)

Helga
Maria Machala

Fritzie
Claudia Reinhard

Clifford Bradshaw
Adrian Linke

Ernst Ludwig
Ralf Beckord

Zollbeamter/Max
Lutz Lukasz

Sally Bowles
Esther Keil

Fräulein Schneider
Suly Röthlisberger

Herr Schultz
Matthias Oelrich

Fräulein Kost
Annette Heimerzheim

Taxifahrer
Heinz-Dieter Wolff

Gorillamädchen
Maria Michala*/
Danielle Sasso

Two Ladies
Katharina Luckhaupt
Sabine Schwietz

Ein Junge
Georg Dohmes/
Edgar Walter*/
Patrick Wolf

Musiker
Henning Beckmann (Posaune)
Thomas Brill (Gitarre)
Jochen Hartman-Hilter (Keyboard)
Kim Jovy (Reeds)
Axel Riesenweber (Trompete)
Jan Rohlfing (Drums)
Carsten Scheunemann (Reeds)
Bernd Zinsius (Bass)

Matrosen und Schieber
Michael Bosheck
Tobias Bosheck
Dietmar Fischer
Christian Keppler
Manfred Kühnappel
Dirk Moorees
Peter Reepen
Christoph Tenberken
Wolfgang Towet
Jan Richard van Treel

* Abendbesetzung



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Krefeld-
Mönchengladbach

(Homepage)



Da capo al Fine

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