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Musiktheater
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La Cenerentola
ossia La bontá in trionfo


Dramma giocoso in zwei Akten
Libretto von Jacobo Feretti
Musik von Giacchino Rossini


Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Köln am 26. April 2003

Logo: Oper Köln

Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)

Schutzengel aus dem Internet

Von Stefan Schmöe / Fotos von Klaus Lefebvre


Angelina ist Mitte 20, unscheinbar, Putzfrau in einem Theater und vom Leben nicht besonders verwöhnt. Das Glück, von dem sie träumt, findet sie auf den Hochglanzseiten der Illustrierten, und das Wunder, auf das sie hofft, sucht sie im Internet. Sie wählt www.angel.com, im Opernleben offenbar eine gute Adresse. Der flehende Appell (man spreche „angel.com“ nur einmal andächtig-bittend aus) wird erhört und es erscheint ein Opernengel von Rossinis Gnaden, der sich Flügel anlegt und richtig schön poetisch das Spiel vom Aschenbrödel (Cenerentola ist dessen italienische Variante) in Gang setzt. Und Angelina träumt sich, ebenso wie ihre beiden Stiefschwestern und der Stiefvater, in eine Welt voller Glamour hinein: In die Welt des Showbusiness und der Superstars (nicht der kleinen provinziellen von RTL, sondern der echten Superstars in Hollywood). Die Märchenprinzen von heute sind eben nicht mehr Aristokraten, sondern die Pop-Ikonen unserer Zeit.

Vergrößerung Für die vernachlässigten dieser Welt gibt es im Internet unter www.angel.com Hilfe: Dort kann man online einen Schutzengel anfordern ...

Regisseur Torsten Fischer überträgt das Märchen mit planvoller Naivität in unser Medienzeitalter und findet verblüffend gut funktionierende Chiffren. Der (vermeintliche) Prinz als Popstar, von kreischenden, uniform in hautenge Minikleidchen gehüllten Fans umgeben (Fischer bemüht Kölns attraktivste Statistinnen dafür), die im Starkult alles Individuelle abgelegt haben; der eitle Stiefvater, der zum Karnevalsprinzen ernannt wird (mit launigen Anspielungen auf den Kölschen Klüngel in den frech und sehr frei übersetzten Übertiteln), der (vermeintliche) Diener (der in Wahrheit ja der Prinz ist) als schwarzer Dienstbote in schmucker Uniform – das ist in sich stimmig und sorgte bei der Premiere nicht nur für viel Gelächter zwischendurch, sondern auch für enthusiastischen Beifall für das Regieteam am Schluss. Diener Dandini, der den Prinzen vortäuscht, schlüpft in die Gestalt von Freddy Mercury und Michael Jackson, und beim Ball erscheint Angelina als keineswegs unbekannte Schöne, sondern in Gestalt von Madonna. Auf dem Wagen des Prinzen prangt als Wappen das Emblem einer bekannten Sportartikelfirma. Alles in allem wirkt diese Welt des schrecklich schönen Scheins ziemlich vertraut.

Vergrößerung ... und der transportiert Angelina in die Welt der großen Pop-Stars: Hier sieht man den Diener Dandini, der mit dem Prinzen die Kleider getauscht hat und A.ngelinas Schwestern schwer beeindruckt ...

Auf das rauschende Fest folgt der Kater, und zur Gewittermusik zaubern Fischer und vor allem sein grandioser Beleuchter Manfred Voss ein apokalyptisches Untergangsszenario mit rennenden Menschen, die riesige Schatten werfen. Nach dem brillanten ersten Akt lässt sich von hier an ein leiser Einwand gegen Fischers Konzept formulieren: Ein Hang zum Pathos. Die Güte triumphiert, das verheißt ja bereits der Untertitel, und Fischer entdeckt nach der Ironie des Vorangegangenen hier die ganz große Botschaft Schillerschen-Beethovenschen Ausmaßes: Alle Menschen werden Brüder, wenn sie sich nicht vom falschen Glanz blenden lassen und sich auf sich selbst besinnen. Und so setzen sie sich, durch Angelinas Liebesbekenntnis zu dem fettleibigen schwarzen Dienstboten zu wahrer Güte bekehrt, gegenseitig die Krone des Menschseins auf, ja sogar den Zuschauern im Publikum, und von nun an sind wir alle gleich und alle unendlich wertvoll. Zu schön, um wahr zu sein, und offenbar auch zu schön, um vom Regisseur noch einmal ironisch abgefangen zu werden.

Vergrößerung ... und zu dessen Party Angelina in adäquater Aufmachung - Schutzengel machen so etwas möglich - erscheint ...

Trotzdem ist es ein großer Abend, denn das Ensemble spielt nicht nur herausragend (allein Scott Hendricks' perfekter Pop-Star-Habitus ist auch weite Reisen nach Köln wert), sondern singt auch – vor allem in den sehr sorgfältig abgestimmten Ensemble-Nummern – hinreißend. Das liegt natürlich (auch) am blendend aufgelegten Gürzenisch-Orchester und dem kontrollierten, auf bestens ausgeloteten Piano-Passagen aufbauenden Dirigat von Enrico Dovico, der auch den „großen“ Ton nicht scheut und bei diesem Dramma giocosa nicht nur das buffahafte giocosa, sondern eben auch das Dramma findet, passend zur großen Botschaft. Zudem entlockt Dovico der Partitur durch die dezent hervorgehobene Behandlung der Holzbläser großen Klangreichtum. Wer der Inszenierung nicht glauben mag, dass es hier um mehr geht als um ein komödiantisches Märchen, der wird von der Musik überzeugt.

Vergrößerung ... aber Angelina, unser Aschenputtel, lässt sich nicht blenden und möchte den Herrn rechts - den wahren Prinzen, im Dienstbotengewand versteckt - ehelichen: Das nennen wir wahre Herzensgüte.

Paula Rasmussen verkörpert nicht nur äußerlich die Titelfigur geradezu ideal, sondern meistert die an Koloraturen reiche Partie bravourös. Ihre Stimme, gelegentlich noch etwas eng, hat dabei noch einiges Entwicklungspotenzial. Joslyn Rechter und Banu Böke sind klangschöne Schwestern, die ihre leicht fülligen Körperproportionen inmitten der vom Schlankheitswahn besessenen Statistinnen genüsslich zur Geltung bringen. Stimmlich schlank, aber überzeugend sind die Herrenrollen besetzt: Scott Hendricks als bühnenbeherrschender Diener Dandini im Gewand seines Herrn, mit rockig-tänzerischern Bewegungen permanent den drive Rossinis Musik aufgreifend; Egils Silins als jovialer Stiefvater und Samuel Youn als engelhafter Zauberer Alidoro. Disparater fällt das Urteil bei Ray M. Wade jr. aus: Offenbar von gehöriger Premierennervosität befallen hatte er gehörige Höhenprobleme, wobei er, das zeigten die Momente, in denen er sich frei singen konnte, mit schönem und beweglichen Tenor den erforderlichen Umfang durchaus hat.

Vergrößerung So sei jeder Mensch ein König: Pfeifen wir auf alle Pop-Ikonen und setzen uns gegenseitig die Krone der Menschlichkeit auf.

Ihr Glück findet Angelina zum guten Schluss dann doch noch in der schnöden Realität, in herzlicher Umarmung mit ihrem kehrenden Kollegen. Die Märchenwelt ist, das haben die drei Stunden zuvor gezeigt, eben doch die trügerischere und nicht die bessere.


FAZIT

Flotte Pop-Oper mit Tiefgang, musikalisch wie spielerisch blendend umgesetzt.

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Enrico Dovico

Inszenierung
Torsten Fischer

Choreinstudierung
Horst Meinardus

Bühnenbild
Herrbert Schäfer

Kostüme
Magali Gerberon

Licht
Manfred Voss



Herren des Opernchores
und Statisterie der
Bühnen der Stadt Köln

Gürzenich-Orchester
Kölner Philharmoniker


Solisten

Prinz
Ray M. Wade jr.

Dandini
Scott Hendricks

Magnifico
Egils Silins

Tisbe
Joslyn Rechter

Clorinda
Banu Böke

Angelina
Paula Rasmussen

Alidoro
Samuel Youn


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)




Da capo al Fine

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