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Musiktheater
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Der Rosenkavalier

Komödie für Musik in drei Aufzügen
Text von Hugo von Hofmannsthal
Musik von Richard Strauss


Aufführungsdauer: ca. 4h 30' (zwei Pausen)

Premiere im Opernhaus Köln am 5. Oktober 2002

Logo: Oper Köln

Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)

Urwaldlandschaft mit postbarockem Personal

Von Stefan Schmöe / Fotos von Klaus Lefebvre


Der Rosenkavalier entführt uns in eine ziemich ferne Welt, in der es noch echten und weniger echten Adel gab, der zwar schon manchen Kratzer abbekomen hat, aber immerhin noch das Zeitalter von Fürsten und Baronen, von Marmor und Blattgold durchschimmern lässt. Diese Welt mag von Rissen und Brüchen durchzogen sein, aber die Musik beschwört noch einmal ein Märchenreich, und sei es ein im Verfall begriffenes, herauf. Die Aura Wiens ist in Libretto und Musik einkomponiert. Der Kölner Ex-Intendant Günter Krämer (der zwar die Gesamtverantwortlichkeit für die Kölner Oper hingeschmissen hat, kraft kölscher Vertragsgestaltung aber weiter sein Regieunwesen am Offenbachplatz treiben darf und damit vorerst jede künstlerische Neuausrichtung des Hauses blockiert) aber – es war mehr als nur zu ahnen – mag die Rolle des guten Märchenregieonkels nicht mitspielen und nimmt dem illusionssüchtigen Publikum sein schönstes Opernspielzeug weg. Kein Wien, kein Stadtpalais, kein Beisl.

Vergrößerung Zentrales Moment der Inszenierung und des Bühnenbildes: Das Gemälde Urwaldlandschaft mit untergehender Sonne von Henri Rousseau.

Freilich haben in der Vergangenheit Regisseure wie Otto Schenk und Konsorten die zuckersüßs-sentimentale „Komödie mit Musik“ derart in Ausstattungskitsch zementiert, dass die nachfolgende Regisseurengeneration sich nur mühsam von der klebrig nachwirkenden Regiesoße befreien kann. Schuld daran sind natürlich auch (und vielleicht vor allem anderen) der Komponist und sein Textdichter Hugo von Hofmannsthal, die durch jede Menge vermeintliches Wiener Lokalkolorit (das allemal authentischer aussieht als alles original Wienerische selbst) und einer Überfülle von Details, über die sich kaum hinweg inszenieren lässt, die Regietheaterheroen nach Kräften ärgern. Das bekommt, das sei hier schon gesagt, auch Günter Krämer zu spüren. Der aber holt zu einem mächtigen Befreiungs- und Gegenschlag aus: Konfrontier' ich doch den Wien- und Weinseligen Hofmannsthal mit einer total anderen Gegenwelt, hat er sich wohl gesagt. Krämers Wunderwaffe ist ein Gemälde von Henri Rousseau: Urwaldlandschaft mit untergehender Sonne aus dem Jahr 1910.

Vergrößerung Hinter Rousseaus exotischen Pflanzen steigt aus der Hofmannsthal-Strauss'schen Zitatenkiste die Feldmarschallin hervor.

Auf diesem Bild, das zum Vorspiel des ersten Aktes auf den Vorhang, später auch immer wieder in das Bühnenbild projiziert wird und sogar mehr oder weniger komplett nachgebaut ist, sieht man exotische Pflanzen, ein Raubtier und einen leuchtend roten Mond – auch eine Traumwelt, aber völlig anders als die von Strauss / Hofmannsthal. Wien kommt in diesem Ambiente nur noch als Zitat vor, im Kostüm der Marschallin mit übergroßem Reifrock, oder in den in barocker Geste zu Puppen erstarrten Bediensteten. Krämer hebt durch diesen Kunstgriff das Unwirkliche, Surreale der Handlung hervor, und in der Tat lässt sich der Idee, dem in seinen Anspielungen überdeutlichen Textbuch und der nicht weniger eindeutigen Musik eine konträre, irritierende Bilderwelt entgegen zu setzen, einiges abgewinnen. Aber das Konzept geht nur phasenweise auf, und im ersten Aufzug beinahe gar nicht. Denn vor allem dort lösen Sänger und Orchester zu wenig ein, was das Werk fordert.

Vergrößerung Ochs (2. v. l.) und Octavian (links) sind bei Faninals, hier sieht man Sophie (rechts) und die Leitmetzerin, im Urwaldambiente zum Kaffee eingeladen.

Zum einen bleibt der Text weitgehend auf der Strecke (und wo man etwas versteht, passt es prompt nicht zur Inszenierung – dabei hat Krämer unauffällig leichte Textänderungen eingebaut). Zum anderen ist die musikalische Ausgestaltung solide, aber eben auch selten mehr. Soile Isokoski hat mit flackerndem, teilweise aber auch forciertem Sopran zwar schöne Momente, aber verleiht der Marschallin wenig Persönlichkeit. Die Nuancen, die in Text und Musik zu finden sind, muss man sich schon dazudenken. Überzeugender ist Monica Groop als Octavian, allerdings sind sich die beiden Frauenstimmen zu ähnlich in Klang und Gestus – hier fehlt die Abstufung zwischen resignativ eingetrübter Lebenserfahrung und jugendlichem Übermut. Kristinn Sigmundsson singt einen schnörkellosen Ochs, dem ein paar Reserven fürs gelegentliche Poltern gut tun würden. Das Orchester unter der Leitung von Philippe Auguin spielt im ersten Aufzug akkurat, aber ziemlich pauschal über die Zwischentöne hinweg. Das allerdings ändert sich im zweiten und dritten Aufzug, die weitaus plausibler in Dynamik und Tempi sind. Auguin geht die Überreichung der Rose und auch die Walzer recht straff an, und das kommt der Inszenierung entgegen. Musikalisch erhält die Aufführung aber auch durch Iride Martinez Profil, die eine strahlende Sophie singt, derem jugendlichem, ja fast kindlichem Übermut man auch ein paar unsauber intonierte Töne gerne nachsieht. Ein Glücksfall ist die zierliche Sängerin auch für die Inszenierung, denn hier kann Krämer kräftig Punkte sammeln: Frau Martinez verkörpert glaubhaft das junge Mädchen an der Schwelle des Erwachsenwerdens, und im Zusammenspiel mit dem riesigen Ochs wird mit viel Komik das Groteske der Situation deutlich. Ist im ersten Akt noch viel unbeholfenes Rampentheater zu sehen, so lebt der zweite von der klugen Personenregie und von dem hier sehr sinnfälligen Bühnenbild: Inmitten des rousseauschen Urwaldes steht der viel zu große Tisch Faninals, und winzige Kaffeetässchen und ein kleiner Gugelhupf zeigen diskret, aber effektvoll den eher kleinbürgerlichen Hintergrund an. Die Diskrepanz zwischen der Illusion vom herbei geträumten Liebesglück und der beschränkten Wirklichkeit wird hier aufregend sichtbar.

Vergrößerung In dieser exotischer Pflanzenwelt betreibt auch eine bekannte Restaurantkette ein Gartenlokal, in dem Ochs gelegentlich verkehrt.

Der dritte Akt kann die Spannung dagegen nicht halten. Das Beisl ist dem Gartenlokal einer bekannten Restaurantkette gewichen, und munter drehen sich die Hendl, aber der Szenerie ist das ziemlich schwerfällige Bemühen, die alberne Handlung irgendwie zu retten, stets anzusehen. Dient Hofmannsthals ärgerliches Kostümspektal ansonsten immerhin dazu, den Auftritt der Marschallin vorzubereiten und umso wirkungsvoller erscheinen zu lassen, so verpufft dieser bei Krämer, weil er inhaltlich keine Funktion hat – die barocke Fürstin erweitert die Groteske, anstatt sie zu beenden. Die Inszenierung spult das Stück ziemlich lustlos ab, bis sie zum Schluss noch einmal aufregend wird. Beim großen Terzett verwandeln sich Marschallin, Octavian und Sophie eine nach der anderen in Puppen wie auf einer Spieluhr, die zwischen den geheimnisvollen Gewächsen ihre Pirouetten drehen. Schon im zweiten Akt hatte Krämer die Liebesbeziehung zwischen Sophie und ihrem Rosenkavalier fast verweigert, die Sophie als ziellos Schwärmende gezeichnet, und auch die Umarmung zum guten (?) Schluss ist gestrichen – das Happy End muss an sich denken, und der überirdischen, ja schon zu schönen Musik wird hier ein Spiegel vorgehalten. Die Brechung ist überzeugend, weil sie Text und Musik in Frage stellt, aber die Situation letztendlich offen hält.

Vergrößerung Wo die Celesta himmlische Klänge verbreitet, da dreht die Marschallin nur noch Pirouetten - zu schön, um wirklich zu sein.

Man merkt, an welchen Stellen die Inszenierung „aufgehängt“ ist, und der Preis dafür sind lange Durchhänger unterwegs. Dem krämerschen Entschlackungsprogramm ist oft der Ärger über die unüberseh- und -hörbaren Schwächen der Oper anzumerken. Aber eine schöne Schlusspointe hat der Regisseur sich einfallen lassen. Der Mohr Mohammed, im ersten Akt noch unbewegliche Puppe aus der Zitatenkiste, wird aus der Versenkung gefahren und erwacht ganz plötzlich quicklebendig und agil zum Leben, als wolle er sagen: jetzt reicht's aber mit dem Sentiment. Für solche Momente jedenfalls kann man Krämer dankbar sein.


FAZIT

Der verschlungene Pfad durch den Inszenierungsdschungel ganz weit weg von Wien bereitet ein Wechselbad der Gefühle.

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Philipp Auguin

Inszenierung
Günter Krämer

Choreinstudierung
Albert Limbach

Bühnenbild
Jürgen Bäckmann

Kostüme
Falk Bauer

Licht
Manfred Voss

Dramaturgie
Christoph Schwandt



Kölner Domchor
Einstudierung: Oliver Sperling

Opernchor und Statisterie der
Bühnen der Stadt Köln

Gürzenich-Orchester
Kölner Philharmoniker


Solisten

Die Feldmarschallin
Soile Isokoski

Baron Ochs auf Lerchenau
Kristinn Sigmundsson

Octavian
Monica Groop

Herr von Faninal
Martin Gantner

Sophie
Iride Martinez

Jungfer Marianne
Andrea Andonian

Valzacchi
Martin Finke

Annina
Katja Boost

Ein Polizeikommissar
Ulrich Hielscher

Der Haushofmeister
bei der Feldmarschallin
Werner Sindemann

Der Haushofmeister
bei Faninal
Hauke Möller

Ein Notar
Samuel Youn

Ein Wirt
Johannes Preißinger

Ein Sänger
Daniel Kirch

Ein Tierhändler
Johannes Preißiger

Drei adelige Waisen
Sharon Kempton
Patricia Herborn
Joslyn Rechter

Eine Modistin
Insun Min

Ein Tierhändler
Johannes Preißiger

Ein Hausknecht
Norbert Hermanns

Almosenier
Vukasin Savic

Hypolyte
Philip Rührmunds

Leopold
Avram Sturz

Lakaien
Ki-Boem Kim
Hans-Ulrich Schüler
Jong-Cheol Park
Boris Duric

Lerchenauer
Carsten Mainz
Alexander Nicolaescu
Robert Riener
James A. Sandle
Vukasin Savic

Kellner
Mieczyslaw Laba
Piotr Wnukowski
Gu-Yon Kang
Michael Kunze

Mohammed
Maurizio Santos


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)




Da capo al Fine

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