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Genrebilder mit Negerchen
Von Stefan Schmöe
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Fotos von Olaf Struck
Ist's denn wahr, kann's wirklich sein? Wenn sich der Vorhang über dem Hagener Rosenkavalier hebt, gibt er den Blick frei auf eine luftig-leichte, mit Rosen übersäte kleine Rokoko-Bühne, duftige Vorhänge im Hintergrund. Zugegeben, nach vielen nur halbwegs gelungenen Neu-, Um- oder Anders-Deutungsversuchen dieser Oper, die von ihrem Ambiente lebt wie kaum eine andere, ist es irgendwie wohltuend, wieder einmal einen ganz konventionellen Rosenkavalier zu sehen, der dem Regietheater keine Chance lässt und wo Ausstattung sich selbst genug ist. Da macht es auch kaum etwas, dass die Personenregie hausbacken ist, wenn nur die Sänger ordentlich singen, und das tun sie (mehr dazu unten). Die Auftritte auf der kleinen Bühne klug arrangiert, der Prunk dezent (man ahnt die Leere hinter der schönen Kulisse) ein bezauberndes Kammerspiel, einfach schön.
Ganz so leicht ist es dann natürlich doch nicht, und der Hagener Intendant Rainer Friedemann, der es sich nicht nehmen ließ, diesen Rosenkavalier persönlich in Szene zu setzen, erlebt dort seine ästhetische Bruchlandung, wo keine Inszenierung der Welt mit der gleißenden Schönheit der Oper mithalten kann: Bei der Überreichung der silbernen Rose. Das Haus der Familie Faninal soll in nüchterner Gusseisenkonstruktion möglicherweise ein neues Zeitalter andeuten, sieht aber leider so aus, als seien die Theaterwerkstätten nicht rechtzeitig fertig geworden (Ausstattung: Olaf Zombeck). Um so üppiger erscheint, die Pompösität des Kitsches verschlägt einem den Atem, der Rosenkavalier unter federbesetztem Baldachin im Musketiersgewand offenbar direkt von der Sitzung eines wohlhabenden Karnevalsvereins: Statt Mir ist die Ehre wiederfahren wäre ein schlichtes Helau! hier stimmiger. Mag sein, dass der Regisseur das theatralische Moment der Situation mit leiser Ironie andeuten wollte das hier jedenfalls ist eindeutig zuviel des Schlimmen. Der dritte Akt besinnt sich auf die ausstatterischen Qualitäten des ersten und entschädigt weitgehend die Unsäglichkeit des zweiten (die albernen Gespenster muss man fairerweise den Herren Strauss und Hofmannsthal, die diesen Unfug in Partitur und Libretto festgeschrieben haben, ankreiden). Den Sarottimohren (ein "Negerchen", wie ein im Programmheft zitierter Aufsatz von 1953 lehrt) allerdings hätte der Regisseur uns nun wirklich ersparen können.
Neben dieser zu zwei Dritteln hübsch anzuschauenden Bebilderung übt sich die Regie, was die Deutung des Stückes betrifft, in bescheidener Zurückhaltung und überlässt der Musik das Feld mit Erfolg, denn die Hagener Philharmoniker wachsen an diesem Abend über sich hinaus und warten mit einer nicht nur sehr konzentrierten, sondern klangschönen und transparenten Interpretation auf. Dirigent Georg Fritzsch hat den langen Atem, den Schluss des ersten Aktes mit großer Ruhe auszumusizieren und überhaupt ohne falsches Sentiment sehr nuanciert und kammermusikalisch genau die Orchesterfäden zu spinnen. Und auf der Bühne besticht vor allem Dagmar Hesse als Marschallin dadurch, dass sie diese Fäden aufgreift und, den stimmlichen Anforderungen der Partie jederzeit gewachsen, auch kleinste Schattierungen musikalisch ausgestaltet. Wenn im einzelnen Wort der Tonfall wechselt, dann ist das genau durchdacht, der Figur genau nachempfunden, und es spiegelt sich im Orchester wieder. Musikalisch erreicht die Aufführung eine Genauigkeit, die in sonderbarem Kontrast zur Ungenauigkeit der Inszenierung steht (wo nicht einmal die silberne Rose in das ihr zugedachte Futteral passt).
Neben der Marschallin wird auch der Octavian mit einer hauseigenen Sängerin besetzt: Marylin Bennett schlägt sich tapfer, muss die Stimme aber immer wieder forcieren, um sich gegen das Orchester durchsetzen zu können. Susanne Bernhard, als Gast für diese Produktion verpflichtet, singt die Sophie mit strahlendem, sehr direktem Sopran. André Eckert, auch er ein Gastsänger, bleibt als Ochs solide, aber auch recht konturlos. Von der Regie wird die Figur ohnehin als alberner Clown in zu kurzen Hosen der Lächerlichkeit preisgegeben. Bernd Valentin als Faninal und Byoung-Ho June als italienischer Sänger sind aus einem insgesamt überzeugendem Ensemble ohne Ausfälle hervorzuheben.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Ausstattung
Choreinstudierung
Einstudierung Kinderchor
Dramaturgie
SolistenDie FeldmarschallinDagmar Hesse
Baron Ochs auf Lerchenau
Octavian
Herr von Faninal
Sophie
Jungfer Marianne
Valzacchi
Annina
Ein Polizeikommissar
Der Haushofmeister
Der Haushofmeister
Ein Notar
Ein Wirt
Ein Sänger
Ein Tierhändler
Drei adelige Waisen
Eine Modistin
Ein Hausknecht
Hypolyte
Leopold
Lakaien
Lerchenauer
Kellner
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- Fine -