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Musiktheater
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Turandot


Lyrisches Drama in drei Akten
von Giacomo Puccini
Libretto von Giuseppe Adami und Renato Simoni

Schlussduett und Finale der Oper ergänzt
von Franco Alfano



In italienischer Sprache mit deutschen Untertiteln

Premiere am 7. Juni 2003

Besuchte Vorstellung: 12. Juni 2003

Aufführungsdauer: ca. 2 h 45' (eine Pause)


Homepage

Theater Dortmund
(Homepage)
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Von Thomas Tillmann / Fotos von Thomas M. Jauk



Stefan Mayer, Regisseur, Bühnen- und Kostümbilder der Dortmunder Neuproduktion, wurde einem größeren Publikum bekannt durch die Entwicklung der Spirale für das von ihm szenisch gestaltete Faust-Projekt von Peter Stein zur Expo 2000. Zudem schuf er unter anderen das Bühnenbild für die Dortmunder Meistersinger-Produktion von Christine Mielitz, mit der er auch an der Wiener Staatsoper bei Neuinszenierungen von Der Fliegende Holländer und Parsifal zusammenarbeiten wird. Mit Turandot stellte er jetzt seine erste eigene Regiearbeit vor, ohne sich damit für eine weitere Beschäftigung in diesem Metier zu empfehlen.

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Calaf (Frank van Aken) kann nicht anders: Trotz größter Gefahr für Leib und Leben kann er nicht von Turandot lassen ...

Im Zentrum des schwarz ausgeschlagenen, gnadenlos zugestellten, unangenehme Enge transportierenden Bühnenraumes steht eine schräg gestellte, in der Mitte durch einen neonbeleuchteten Abflusskanal für das bei Enthauptungen anfallende, vorn in einem kleinen Bassin gesammelte Blut geteilte quadratische Fläche, während die Glaswände an den Seiten Wartesäle oder auch Gewächshäuser assoziieren lassen. In diesem Ambiente, das sich zwischen fernöstlicher Folklore und Nüchternheit nicht entscheiden kann, organisiert Mayer eine wenig erhellende, der an sich doch packenden Geschichte manches schuldig bleibende Mischung aus ambitionierter Technikshow und einem Sammelsurium an oberflächlich-pubertären, platt aktualisierenden Einfällen (so werden etwa zur Illustration des von dem amtsmüden Ministern gesungenen Textes illuminierte Immobilienannoncen von der Decke herabgelassen, die bald gegen die aus Chinarestaurants bekannten Lampions ausgetauscht werden; Ping, Pang und Pong ziehen später ein paar überdimensionale Pornobildchen aus ihren Aktenkoffern, um Calaf zum Verzicht auf die Prinzessin zu bewegen), aus fehlgeleitetem Aktionismus und dem Hang zum bloß Dekorativen, aus szenischem Stillstand, Rampensteherei und Standardgesten der Interpreten in ihren wenig beeindruckenden, viel Willkür erkennen lassenden Kostümen. Geradezu lächerlich gerät die Darstellung der auf der Bühne gezeigten Gewalt, besonders Liùs Selbstmord durch Erhängen (dass die Schlinge am Kostüm befestigt war, war selbst von meinem weit hinten liegenden Platz aus problemlos zu sehen), und so hatte man sich bis zum Finale bereits so gelangweilt und geärgert, dass man wenig Lust verspürte, sich auf die Idee einzulassen, dass Turandot ihre Grausamkeit gegen ein bürgerliches Leben zu Füßen des neuen Kaisers Calaf eintauscht (das hätten die Zuschauer vermutlich auch verstanden, wenn Mayer auf den Einsatz des überdimensionalen Kitschgemäldes mit Wald und Wild verzichtet hätte, das das Zimmer des Paares ziert!).

Vergrößerung ... da helfen auch keine vom Ministertrio (Kevin Greenlaw, Jörn Lindemann und Jeffrey Treganza) ins Spiel gebrachte Pornobildchen ...

Großer Jubel kam auch angesichts der Solisten nicht auf: Über den meisten Applaus konnte sich noch Elena Nebera freuen, die auch die Titelpartie im Repertoire hat, in dieser Produktion aber klugerweise die Liù übernommen hatte, zu der ihr voller, aber zu zartesten Piani fähiger, warmer, lyrischer Sopran hervorragend passt; allerdings geriet die Textverständlichkeit auch im Italienischen beklagenswert, und auch in darstellerischer Hinsicht musste man wie so häufig über manches Ungeschick hinwegsehen. Gleiches gilt für die in Schottland geborene amerikanisch-kanadische Sopranistin Susan Felver bei ihrem Rollendebüt, wobei die Unbeweglichkeit möglicherweise Regiekonzept war. Das Kapital der höchst eigenwillig timbrierten, mitunter reichlich müde, alt und kehlig klingenden Stimme sind ohne Zweifel die mühelos die Dortmunder Oper füllenden und am Ende der Rätselszene Chor und Orchester übertönenden, mächtigen, durchdringenden Forteacuti, während sie im Passaggio unangenehm heiser, in der Mittellage und der nicht sehr voluminösen Tiefe seltsam belegt tönt. Erhebliche Nebengeräusche und Rauheiten sowie mancher nicht oder nur mit größter Anstrengung erreichte hohe Ton beeinträchtigten leider auch wieder Frank van Akens vokale Bemühungen (so konnte er das notierte C am Ende von "In questa reggia" nur sehr kurz auf der vorgesehenen Höhe halten), wobei die dunkle Färbung an sich richtig für eine dramatische Partie wie Calaf ist, nicht aber das Falsettieren als Ersatz für korrekt produzierte, tragfähige Pianotöne, das bei Heldentenören im Moment hoch im Kurs zu stehen scheint. Michail Schelomiansi war einer der unauffälligsten Timur-Interpreten, die ich je erlebt habe, und auch den Ministern gelang es kaum, individuelles Profil zu entwickeln, was nicht allein dem unerfahrenen Spielleiter anzulasten sein wird. Hannes Brock dagegen war ein sehr rüstiger, präsenter Kaiser, hatte aber seine Arbeit mit der vergleichsweise tiefen Tessitur. Einen guten Eindruck hinterließ der hier häufig geforderte, vom Regisseur gern in Reih und Glied präsentierte Chor, der hinsichtlich Synchronität, Klangschönheit und dynamischer Differenzierung manch anderes Kollektiv der Region in den Schatten stellte.

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... und selbst der Tod Liùs (Elena Nebera) nicht, der auch die Existenz Timurs (Michail Schelomanski) bedroht und selbst Turandot (Susan Felver) zum Nachdenken bringt.

Axel Kober, der ab der nächsten Spielzeit als Erster Kapellmeister am Nationaltheater Mannheim engagiert ist und dort seinen Einstand mit Les Troyens geben wird, wählte für Puccinis opus ultimum keine zu breiten Tempi, sondern war stets um einen schlanken, transparenten Klang des große Musizierfreude entwickelnden Orchesters bemüht, was den Interessen des Bühnenpersonals sicher entgegenkam. Der junge Dirigent spülte zudem die Schroffheiten der kühnen Partitur nicht weich, verwischte die komplexe Rhythmik nicht und enttäuschte auch den Teil des Publikums nicht, der sich vor allem auf effektvolle Steigerungen und wuchtige Eruptionen gefreut hatte.


FAZIT
Dass Christine Mielitz einem ihrer Ausstatter die Möglichkeit eröffnet, seine Regieambitionen auszuleben, ist menschlich verständlich; dass sie ihm angesichts dieses Ergebnisses nicht stärker unter die Arme gegriffen hat, ist bedauerlich, zumal die Produktion ja auch in der nächsten Saison auf dem Spielplan steht und für diese keine geringe Hypothek darstellt.


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Produktionsteam

* Besetzung der
besuchten Vorstellung

Musikalische Leitung
Axel Kober

Inszenierung, Bühne
und Kostüme
Stefan Mayer

Choreinstudierung
Granville Walker

Licht
Detlef Plümecke



Chor und Extrachor
des Theater Dortmund

Stimmen des Kinderchors
der Städt. Musikschule
Gelsenkirchen

Statisterie
des Theater Dortmund

Philharmonisches
Orchester Dortmund


Solisten

Die Prinzessin
Turandot
Susan Felver

Der Kaiser Altoum
Hannes Brock

Timur,
ein entthronter König
Bart Drießen/
Michail Schelomianski *

Der unbekannte Prinz
(Calaf), sein Sohn
Frank van Aken */
Paul Lyon

Liù, eine
junge Sklavin

Elena Nebera */
Dunja Simic

Ping, Minister
Kevin Greenlaw

Pang, Minister
Jeffrey Treganza

Pong, Minister
Peter Furlong/
Jörn Lindemann *

Ein Mandarin
Mikael Babajanyan

Der Prinz von Persien
Roland Marzoch/
Fabian Saavedra

Der Henker
Peter Gillmann



Weitere
Informationen

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Theater Dortmund
(Homepage)



Da capo al Fine

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