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L'Ormindo
Favola regia per musica
von Giovanni Faustini
Musik von Francesco Cavalli

In italienischer Sprache
mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 30' (eine Pause)

Premiere am 8. September 2002


Homepage

Theater Dortmund
(Homepage)
"Amor - Chance oder Scheitern?"

Von Gerhard Menzel / Fotos von Thomas M. Jauk



Klangbeispiel Klangbeispiel: Ormindo (Jeff Martin) eröffnet den Disput über Liebe
(MP3-Datei)


Mit der Favola regia per musica L-Ormindo von Francesco Cavalli eröffnete das Theater Dortmund seine neue Spielzeit. Damit wurde nicht nur des 400. Geburtstags von Francesco Cavalli gedacht, sondern auch der neuen künstlerischen Mannschaft um die neue Operndirektorin Christine Mielitz und dem neuen GMD Arthur Fagen zusätzlicher Freiraum verschafft, um die alle Reserven eines Theaters strapazierende und mit Spannung erwartete Neuproduktion von Wagners Die Meistersinger von Nürnberg am 27. Oktober vorzubereiten.

Cavalli, der mit mehr als 40 Opern in der Nachfolge seines Lehrmeisters Claudio Monteverdi der prägende Komponist der "venezianischen" Oper seiner Zeit war, avancierte - nach Monteverdis Tod - zu einem der bedeutendsten Musiker Italiens überhaupt. Dabei übernahm Cavalli die Neuerungen von Monteverdis "seconda pratica" und etablierte einen Vokalstil, bei dem sich Instrumentalritornelle, ausdrucksstarke Rezitative und ariose, oft strophisch gegliederte Gesangsstücke (die Ansätze der später so populären Arien) abwechselten.

Der Anfang des Jahres 1644 im Teatro San Cassiano in Venedig uraufgeführte Ormindo spiegelt das Verlangen des Publikums nach virtuoseren "Arien" und nach vergnüglicher Unterhaltung durch mehr komische Soloszenen deutlich wieder. Immerhin war das am 6.5.1637 eröffnete Teatro San Cassiano das erste öffentliche Theater überhaupt, in dem ein zahlendes Publikum nach seinem Geschmack bedient werden wollte.

So schuf Cavalli mit L-Ormindo eine für seine Zeit so typische und beliebte heroisch-komische Oper, die seinem Titel entsprechend "Favola regia per musica" (königliche Musikfabel) das hocharistokratische Niveau der Handlung zwar wart, aber in den Dienerszenen für die gewünschte, heitere Abwechslung sorgt. In diesem Fall folgt der Text von Giovanni Faustini keiner mythologischen oder historischen Vorlage, sondern präsentiert ein reines Phantasiestück, dessen Prolog allerdings die Verbindung zum Staat herstellt, in dem die allegorische Figur der L'Armonia (die Harmonie) die Stadt Venedig preist.

Sowohl dieser Prolog, als auch alle weiteren allegorischen Figuren des Originals sind in der Dortmunder Produktion gestrichen, die sich anscheinend an der zweiaktigen Fassung von Raymond Leppard (Glyndebourne, 1967) orientiert. Das Programmheft bietet zu diesem Thema leider nichts Informatives, obwohl es doch gerade bei den Werken dieser Zeit - wo es keine ausgeschriebene Partitur im heutigen Sinne gab - von Bedeutung ist, wie das vom Komponisten nur spärlich notierte Notenmaterial eingerichtet wurde. Immerhin gibt es von L-Ormindo auch Fassungen von Kenneth Montgomery (Amsterdam, 1982, die näher dem Original folgt) und von Jefrey Tate (Hamburg, 1984).

Das unter der Projektleitung von Thomas Rink stehende und von Granville Walker, dem Chordirektor des Theaters Dortmund, geleitete Orpheus-Ensemble des Philharmonischen Orchesters Dortmund, musizierte mit Engagement und erstaunlichem Stilgefühl. Das auf "historischen" Instrumenten spielende Ensemble wurde freilich dabei durch einige Spezialisten der Alte-Musik-Szene unterstützt. Neben den Streichern sorgte vor allem die instrumentale Vielfalt des reichhaltig ausgestatteten Basso Continuo (Viola da Gamba, Laute, Orgel, Barockharfe, Chitarrone, Cornetti und 2 Cembali) für eine abwechslungsreiche und farbige Gestaltung von Cavallis Musik. Schade nur, dass das hinter der Spielfläche erhöht postierte Orchester etwas ungeschickt elektronisch verstärkt wurde, was gerade bei den Cembali zu einem schrecklich scheppernden Klang führte (zudem verlor man es ob der so dominierenden Inszenierung häufig aus den Ohren).

Gesangsspezialisten für Alte-Musik waren natürlich nicht aufgeboten worden, sondern eine bunte Mischung von Solisten - wie Jeff Martin als Ormindo und Barbara Dobrzanska als Erisbe (beides gefeierte Protagonisten z.B. in Puccinis La Bohéme) - und Chormitgliedern, die sich in kleineren Rollen profilieren konnten. Das aber taten sie mit vollem Einsatz und mit spürbarem Spaß an der Sache.

Klangbeispiel Klangbeispiel: Erisbe (Barbara Dobrzanska) und ihre Kammerfrau Mirinda (Karolina Gumos) preisen die Jugend.
(MP3-Datei)


Es ist schon eine recht bunte und bizarre Gesellschaft, die sich bereits beim Eintreten des Publikums in den Zuschauerraum auf der Bühne herumtreibt und merkwürdige Sachen veranstaltet, sodass man schon glaubt, sie seien dem Stück La Cage aux Folles entsprungen. Doch dann wird aus dem Off ein internationales Symposium unter dem Motto "Amor - Chance oder Scheitern?" angekündigt. Die nun nicht gerade als typische, wissenschaftlich interessierte Teilnehmer gezeichneten Gestalten beginnen unversehens, eine Art Parodie des "Sängerkrieges auf der Wartburg" zu veranstalten. Dabei werden nun die Auswirkungen von Amors Machenschaften an der Geschichte von Ormindo demonstrativ aufgezeigt. Ihre durch einen Overheadprojektor vorgestellten Thesen ("Amorkraft? Nein Danke!", "Alte Männer bringen's nicht", etc. ) werden an Hand der mit Sackkarren herein- und herausgefahrenen "Musterexemplare" untermauert.

Regisseur Stefan Tilch schafft so zwei unterschiedliche Erzählebenen, die je nach Bedarf nebeneinander gestellt, oder ineinander verflochten werden. Das betont "poppige" und Fitnessstudio gestählte Konzept, sowie die lebhafte Ausführung gehen jedenfalls so gut auf, dass das Publikum sich darauf einlässt und die Geschichte aufmerksam verfolgt.

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Amida (Mikael Babajanyan) wird vorgegaukelt, den Schatten seiner angeblich verstorbenen, weil von ihm schmählich verlassenen Geliebten Sicle (Maria Hilmes) zu sehen.

Klangbeispiel Klangbeispiel: Die von Amida verlassene Sicle (Maria Hilmes) sucht Erlösung im Tod.
(MP3-Datei)


Die beiden jungen Prinzen Ormindo und Aminda lieben beide Erisbe, die Frau des alten Königs Ariadenos. Erisbes Vorhaben, beide gleichzeitig zu lieben, lässt sie fallen, als sie erfährt, das Aminda seine Geliebte, die Prinzessin Sicle, sitzen gelassen hat (dabei gestaltet Barbara Dobrzanska als Erisbe die Verwandlung vom kecken, abenteuerlustigen Mädchen zur liebenden Frau auch musikalisch recht eindrucksvoll). Die leidenschaftliche Sicle jedoch, die Aminda noch immer liebt, ist ihm gefolgt und mischt sich als Wahrsagerin in das Geschehen ein.

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Amida (Mikael Babajanyan) kann nur langsam begreifen,
dass Sicle (Maria Hilmes) noch lebt und ihn immer noch liebt.

Es folgt eine vorgegaukelte Geistererscheinung (Sicle täuscht mit Hilfe Erices Aminda), die Flucht des Liebespaares (Ormindo und Erisbe), der leidenschaftliche Zorn und das Todesurteil des hintergangenen, aber ansonsten sehr höflichen Königs.

Die durch den Austausch des Gift- durch einen Schlaftrunk entschärfte, scheinbare Todesszene zwischen Erisbe und Ormindo ist der emotionelle Höhepunkt des Stückes und wird auch von Regisseur Stefan Tilch, der ansonsten mit Einfällen und choreographisch gesteuertem Aktionismus nicht geizt, als ruhige, ungeheuer intensive Szene gestaltet.

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Die von Hariadeno durch einen Gifttrank zum Tode verurteilten Ormindo (Jeff Martin) und Erisbe (Barbara Dobrzanska) nehmen von sich und der Welt Abschied.

Klangbeispiel Klangbeispiel: Der emotionale Höhepunkt des Werkes: Ormindo (Jeff Martin) und Erisbe (Barbara Dobrzanska) in ihrem "Abschiedsgesang".
(MP3-Datei)


Schnelle Reue und Großmut des Königs, dem Ormindo durch einen selbst verfassten Brief von Erice, der Ariadenos angebliche Vaterschaft bezeugt, als sein unbekannter Sohn vorgestellt wird, sorgen dann doch noch für das obligate "lieto fine".

Die einfach gestaltete, praktikable Bühne und die orientalisch angehauchten, phantasievollen Kostüme von Dorothee Schumacher sorgen auch optisch für einen farbigen, unterhaltsamen und schwungvollen Abend, der trotz aller Übertreibungen auch die ernsten und liebenden Gefühle zu ihrem Recht kommen lässt.


FAZIT

Musikalisch ganz achtbar, auch wenn instrumentale und vokale Ansprüche nur zum Teil erfüllt werden, jedoch sehr unterhaltsam, kurzweilig und - dann und wann auch - mit etwas Gefühl. "Das Publikum" war jedenfalls begeistert.


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Produktionsteam

/ * Alternativbesetzung

Musikalische Leitung
Granville Walker
/ * Timor Oliver Chadik

Inszenierung
Stefan Tilch

Bühne und Kostüme
Dorothee Schumacher

Choreographie
Sergej Vanaev

Dramaturgie
Oliver Binder



Statisterie
Ballett

Orpheus-Ensemble
des Philharmonischen
Orchesters Dortmund
Projektleitung: Thomas Rink


Solisten

Ormindo, Prinz von Tunis,
(unbekannter Sohn Hariadenos)
Jeff Martin
/ * Peter Furlong

Amida, Fürst von Tremisene
Mikael Babajanyan

Nerillo, sein Page
Diane Blais
/ * Martina Kamp

Sicle, Fürstin von Susio
Maria Hilmes
/ * Yamina Maarmar

Melide, ihre Kammerjungfer
Maria Hiefinger

Erice, ihre Amme
Jeffrey Treganza
/ * Christian Pienaar

Erisbe, Frau Hariadenos
Barbara Dobrzanska
/ * Zoya Zheleva

Mirinda, ihre Vertraute
Karolina Gumos
/ * Andrea Rieche

Hariadeno, , König von Marokko und Fes
Eric Visser
/ * Assaf Levitin

Osman, sein Diener
(ursprünglich: Hauptmann Hariadenos)
Georg Kirketerp




Weitere Informationen
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Theater Dortmund
(Homepage)



Da capo al Fine

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