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Macbeth
Oper in vier Akten

Libretto nach William Shakespeare
von Francesco Maria Piave
und Andrea Maffei
Musik von Giuseppe Verdi

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Düsseldorf am 19. Juli 2003

Koproduktion mit De Norske Opera Oslo


Homepage

Deutsche Oper am Rhein
(Homepage)
Quo vadis, DOR?

Von Thomas Tillmann / Fotos von Eduard Straub



Einem dringenden Bedürfnis nachgebend hat nun auch die Deutsche Oper am Rhein endlich wieder den so selten gespielten Macbeth in einer Produktion im Repertoire, die im Jahre 2000 an der Norske Opera herausgekommen ist. "Diese Tragödie ist eines der größten Werke der Menschheit ... Wenn wir nicht etwas Großes daraus machen können, sollten wir zumindest versuchen, etwas zu schaffen, was sich über das Gewöhnliche erhebt", schrieb der Komponist während der Entstehungszeit des Macbeth an seinen Librettisten, und man fragt sich, ob ein ähnlicher Anspruch nicht auch an eine Inszenierung der zehnten Oper Verdis gestellt werden muss. Stein Winge, in Düsseldorf und Duisburg durch seine durchaus bemerkenswerten Janacek-Arbeiten und einen Boris Godunow bekannt, war zu Verdis Shakespeare-Adaption nicht allzu viel eingefallen, und so fragt man sich, warum Hausherr Tobias Richter ausgerechnet diese Produktion eingekauft hat, die er doch vermutlich in Oslo vorher gesehen hatte (da sollen die Gründgens-Inszenierung von 1957 mit Astrid Varnay als Lady und die Skandal-Inszenierung von Günter Krämer, die im November 1988 Premiere hatte, mehr Format gehabt haben!).

Über ihren dunklen Hängern tragen die Hexen weiße Regenmäntel (oder sind es Metzger- oder Malerkittel?), dazu passende Kopfbedeckungen, die an unelegante Badehauben erinnern, Brillen (Seherinnen, ja, ja) und die schwarzen Gummistiefel der blutgetränkten Ermordeten, die sie an einer von oben sich auf die Bühne herabsenkenden überdimensionalen Krone aufhängen (dort wird am Schluss auch der tote Tyrann enden). Macbeth und Banquo erscheinen bei diesen schottischen Walküren in schicken Operettenuniformen und mit Flachmann in der Hand, was natürlich auch die glänzende Laune erklärt, in der die beiden sich befinden und in die auch die Lady gerät, als sie hinter einer Glasfront, offenbar gerade vom Frühstückstisch aufgestanden, Macbeths Brief liest - den leeren Bühnenraum, den nur zwei Stufen auflockern, die durch Neonröhren in Grün hervorgehoben werden, und der durch in Blau und Grün getauchten Bühnennebel kaum aufgepeppt wird, betritt sie erst zum "Vieni, t'affretta!".

Klangbeispiel Klangbeispiel: Morenike Fadayomi (Lady Macbeth):
"Or tutti sorgete, ministri infernali"
(MP3-Datei)


Allein ist das Paar übrigens nie - hinter den Scheiben sitzen immer irgendwelche Frauen (Hexen?) und beobachten ungerührt, was die Herrschaften aushecken. Deren Zeichnung fußt offenbar in erster Linie auf den grundsätzlich einleuchtenden Überlegungen von Klaus Günther (übernommen aus dem Programmheft der Oper Frankfurt aus dem Jahre 1990, jetzt wieder abgedruckt in dem von Norbert Abels und Beate Maurer herausgegebenen Band "Vivat Verdi. Der Komponist und seine Aufführungsgeschichte an der Oper Frankfurt"), der Macbeth als einen ehrgeizigen, durchaus nicht erfolglosen Mann beschreibt, der von der absoluten Macht träumt, aber von einer Schwäche befallen ist, die ihn an der Verwirklichung seiner Ziele hindert. Die Lady sehe in dieser Schwäche einen Mangel an Männlichkeit und inszeniere sich daher selbst als Mann, damit er seine Skrupel und Ängste überwindet und den Königsmord begeht. Doch die gewonnene Macht lässt sich eben nicht dauerhaft sichern, und so zweifelt die Frau weiter an seiner Männlichkeit, und so "tötet er weiter, ... hilflos nach der endgültigen Sicherheit suchend, nach der Gewissheit, dass er ein 'Mann' sei, unsterblich, unangreifbar". Winge macht diesen Ansatz arg plakativ sichtbar, wenn er Lady Macbeth während des Banketts über dem Abendkleid einen schwarzen Frack tragen lässt und vor den Herrenchor stellt, während der Gatte, der nur in den ersten Szenen sein langes Haar im strengen Zopf tragen durfte, seinen Platz vor den im viktorianisch anmutenden Einheitsdress gewandeten Damen findet. Am Schluss aber wird die Frau "von den Visionen besessen, unter denen vorher ihr Mann gelitten hatte. Er nimmt sich die Kraft von ihr, während sie dafür die Ängste erhält". So einleuchtend dieser Ansatz ist - er trägt nicht einen ganzen Abend lang, zumal die Figurencharakterisierung und Personenführung ansonsten arg blass und allenfalls angedeutet bleiben und in nicht wenigen Szenen eine dem Werk nicht gerecht werdende unfreiwillige Komik dominiert.


Vergrößerung in neuem Fenster Macbeth (Boris Statsenko) quälen Gewissensbisse wegen des Mordes an König Duncan.

Und so bleibt es bei einigen überzeugenden Einzeleinfällen, zu denen ich das mehrfach bemühte Vorbereiten von Schlüsselszenen zähle: Schon vor Macbeths Ankunft im Schloss hält die Lady ein Messer in der Hand, Banquo bleibt nach seiner Ermordung auf der Bühne liegen, damit er dann während des Banketts Macbeth Angst einjagen kann, die Lady versucht schon am Ende des letzten Duetts mit dem Gatten hektisch das imaginierte Blut von den Händen abzuwischen. Dagegen erzeugen die Spiegel auf dem Boden der Hexenkessel zwar einen tollen Effekt, wenn man sie in Richtung Zuschauerraum hält, aber ihr Einsatz führt ebenso ins Leere wie die Idee, dass die Hexen Macbeth bei der zweiten Zusammenkunft nach und nach ausziehen. Als völlig überflüssig empfand ich es, dem Publikum die Vorbereitungen auf den Empfang des dümmlichen Königs in aller Breite zu präsentieren und die Sanitäter mit der von einem Geistlichen begleiteten Leiche Duncans über die gesamte Bühne schreiten zu lassen - es ist immer verdächtig, wenn Nebenhandlungen mehr inszenatorische Sorgfalt zufällt als dem zentralen Geschehen, das ziemlich belanglos und selten oberflächlich vor sich hin dümpelt und doch eigentlich eine der packendsten Tragödien der Weltliteratur ist. Als wenig erhellend erwies sich auch der Einsatz der in vielen Szenen präsenten Uhr, deren sich zügig bewegender Zeiger suggeriert, dass die Zeit der Macbeths abläuft; richtig in Schwung kommt besagter Zeiger aber erst, als Malcolm und Macduff die Befreiung des gebeutelten Schottlands ankündigen (und den ersten gemeinsamen Einsatz peinlich schmeißen), während er in der Gran scena del sonnambulismo, deren Beginn durch das Getrampel des die Bühne verlassenden Chores eine ganz besondere Note bekam, ganz zum Stehen kommt. Mancher handwerkliche Fehler kommt hinzu: Fleance lernt noch kurz vom Papa, wie man eine Waffe bedient, bekommt eine Reisetasche in die Hand gedrückt und flieht derart spät und behäbig, dass man sich fragt, ob der jugendliche Statist überhaupt bei einer Probe zugegen war, und der tiefere Sinn des Hin- und Herschiebens der das hohe Paar von den brav in Reih und Glied angeordneten Gästen trennende Banketttafel erschloss sich mir auch nicht. Dass die Flüchtlinge während des wenig differenziert oder berührend gesungenen "Patria oppressa" den Zuschauern Fotos ihrer getöteten Angehörigen entgegenstrecken, hat man mehrfach anderswo gesehen. Und auch die Hilflosigkeit bei der Kampfszene ist bezeichnend: Die Kontrahenten und ihre Mannen laufen lustlos von einer Gasse in die nächste, bevor die erstgenannten unter dem von den Hexen hochgehaltenen Schleier verschwinden, den Macbeth schließlich sterbend nach vorn zieht, um in Rampennähe den Schlussmonolog zu singen, mit dem die frühe Fassung von 1847 endet, während der Inno di vittoria aus der sonst bemühten Version von 1865 hier noch angehängt wird, was auch höchst diskutabel ist.


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Macbeth (Boris Statsenko) besucht noch einmal die Hexen (Damen des Chores der Deutschen Oper am Rhein).

Übertrieben war auch der Jubel um die Akteure auf der Bühne, von denen einige weder die Stimme noch die stilistische und darstellerische Kompetenz für die Bewältigung der ihnen anvertrauten Partien besitzen - ein bisschen Abhilfe hätten möglicherweise schon ein fähigerer Regisseur, eine sorgfältigere, die Erfordernisse dieses Genres vermittelnde Einstudierung und ein paar Proben mehr schaffen können.

Morenike Fadayomi ist natürlich mit ihrem breit gefächerten Repertoire ein Glücksfall für jedes Ensemble, aber ich bin nachhaltig der Meinung, dass man der lyrischen Sopranistin keinen Gefallen damit tut, ihr dramatische Partien wie die Salome oder jetzt die Lady Macbeth zu übertragen - das Flackern in der Stimme, das unschöne Anbohren oder Anschleifen von Tönen, wie man es von abgesungenen Hochdramatischen kennt, die dünne Extremhöhe, die offenbar das Resultat der Verbreiterung der nicht unattraktiven Mittellage ist, die hörbar harte Arbeit für die tiefen Töne (wenn sie einmal nicht roh mit der Bruststimme angegangen wurden) sprechen ihre eigene Sprache. Auch die ewig gehaltenen Schlusstöne sind nicht wirklich Geschmackssache, sondern ebenso unmusikalisch wie die permanent und ohne erkennbaren Grund eingesetzten Portamenti, die Tendenz, jede passende und vor allem unpassende Gelegenheit zum Atmen zu nutzen, das Hinwegwischen über rhythmische Feinheiten und schnellere Notenwerte und andere vokale Unarten, die Teile des Publikums mit atemberaubenden Ausdrucksnuancen verwechselten und mit einem enormen Applaus und geschickt platzierten Brava-Rufen quittierten, die die Künstlerin im ungünstigsten Fall ermuntern könnten, sich weiter auf ein viel zu schweres Fach einzulassen (in der im Foyer ausgestellten Biografie wird für die nächste Saison die Aida angekündigt!). Am besten gelingt der attraktiven Künstlerin noch das Brindisi, das sie als erfahrene Operettendiva natürlich mit der nötigen Leichtigkeit zu präsentieren versteht, während in der Nachtwandelszene die approximative Intonation, der allzu häufig anstelle der von Verdi vorgesehenen Noten bemühte Sprechgesang und das nervöse Herumgezucke irritierten, das freilich symptomatisch für die szenische Hilflosigkeit war, die der gesamten Produktion anhaften; das mühelos erreichte Des in alto soll freilich nicht verschwiegen werden, das man andererseits von einer so leichten Stimme auch erwarten darf.


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Lady Macbeth (Morenike Fadayomi) verfällt dem Wahnsinn.

Boris Statsenko reizte in der Titelpartie zunächst die gesamte dynamische Palette aus und bot manchen Piano- und mezza-voce-Effekt, aber spätestens im dritten Akt begann er mehr und mehr zu forcieren. Genau richtig ist sein Kavalierbariton eigentlich für die durchgängig auf Knien in geringer Entfernung zum Dirigenten gesungene Arie "Pietà, rispetto, amore", aber auf Grund des vorausgegangenen Krafteinsatzes fehlte es der Stimme hier nun an dem nötigen Glanz und der gebotenen Geschmeidigkeit. Zudem ist der Russe ein ziemlich allgemeiner Interpret, dem der letzte Funke Persönlichkeit fehlt, um den Zuschauer wirklich in seinen Bann zu ziehen, der nicht bis zur Tiefe der anvertrauten Rolle und des Textes durchdringt, dem es nicht gelingt, Ausdruck aus den Noten und dem Libretto zu entwickeln, sondern eher aus äußerlichen Effekten und körperlichem Totaleinsatz. Sami Luttinen hatte sich nach überstandener Krankheit zwar bereit erklärt, die Premiere zu singen, bat aber um Nachsicht, obwohl auch an diesem Abend deutlich wurde, dass er im Vollbesitz seiner Kräfte mit seinem angemessen dunklen Bass eine exzellente Wahl für den Banquo sein dürfte.

Es ist natürlich ein Irrtum, einem tenore di grazia eine so dramatische Partie wie die des Macduff anzuvertrauen, die zwar kurz ist, aber von der kein Geringerer als Plácido Domingo behauptete, sie sei "für den Tenor außerordentlich schwierig" (Kloiber/Konold verlangen in ihrem "Handbuch der Oper" nicht zu Unrecht einen jugendlichen Heldentenor für diese Rolle!), und bei einem so großen Ensemble sollte es doch möglich sein, eine adäquatere Besetzung zu finden oder aber einen Gast zu verpflichten (was ja etwa bei der wahrlich aus eigenen Reihen zu besetzenden Mamma Lucia in Cavalleria rusticana auch möglich war!). Fernando Aguilera jedenfalls fuhr in seiner vokalen Not, die sich etwa in unschönen Rauheiten und gefährdeten Tönen manifestierte, allerhand veristische Überzeichnungen, pseudoexpressive Schreie und wenig eindrucksvollen Sprechgesang auf; dass er das Rezitativ und den Beginn seiner Arie auch noch hinter dem Chor zu singen hatte, erleichterte die zu schwere Aufgabe keinesfalls, sondern ist Beleg für die Ignoranz des Regisseurs. Malcolm-Interpret Manfred Fink ist auch stimmlich in die Jahre gekommen, aber natürlich ein verdientes Mitglied des Rheinopernensembles; mehr hören möchte man von Anna Gabler und besonders von Daniel Djambazian, die als Kammerfrau und Doktor einen guten Eindruck hinterließen, während es für die Diskretion der Theaterleitung spricht, die Interpreten der drei völlig überforderten Erscheinungen nicht namentlich aufzuführen. Ebenso skandalös präsentierte sich einmal mehr der Chor, der nicht nur dringend einen italienischen Sprachcoach braucht, sondern dem man in der Hoffnung auf größere Einsatzsynchronität schlicht noch einmal die Noten vorlegen sollte - mitunter mochte man nicht glauben, dass sich ein solches Kollektiv aus Berufssängern zusammensetzt.

Unter der umsichtigen Leitung von Alexander Joel, der seit der Spielzeit 2001/2002 als Erster Kapellmeister an der Rheinoper wirkt und sich erkennbar mit dem Werk auseinandergesetzt hatte, spielten die Düsseldorfer Symphoniker auf deutlich höherem Niveau als zuletzt unter GMD Fiore, auch wenn Bühne und Graben nicht immer perfekt zusammen waren. Mir persönlich waren auch die Tempi stellenweise ein bisschen breit und der Orchesterklang zu wuchtig und zu laut - man hatte das Gefühl, als wolle der Dirigent in jedem Takt und jeder Begleitfigur beweisen, wie großartig diese Musik des frühen Verdi ist.


FAZIT

Auch die letzte Saisonpremiere dokumentierte das trotz bemerkenswerter Einzelleistungen beklagenswert niedrige Niveau des Traditionshauses, das sich keinesfalls nur mit dem unablässig larmoyant beklagten Mangel an öffentlichen Geldern erklären lässt, sondern mit der mangelnden künstlerischen Kompetenz und Motivation und der Konzeptlosigkeit vieler Verantwortlicher. An diesem Umstand ändert auch der frenetische Beifall eines Premierenpublikums nichts, das Lautstärke und Armeringen mit Kunst und vokale Not mit Ausdruck verwechselt und sträflicherweise die Beteiligten zum Weitermachen auf diesem Level ermuntert - dass bereits jetzt mit schlecht gemachten Flyern die Premiere einer Version des Barbier von Sevilla für Kinder in der kommenden Spielzeit beworben wird, spricht Bände!


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Alexander Joel

Inszenierung
Stein Winge

Bühne und Kostüme
Tine Schwab

Licht
Franck Evin

Chor
Gerhard Michalski



Chor und Statisterie
der Deutschen Oper
am Rhein

Die Düsseldorfer
Symphoniker


Solisten

Macbeth
Boris Statsenko

Lady Macbeth
Morenike Fadayomi

Macduff
Fernando Aguilera

Banquo
Sami Luttinen

Malcolm
Manfred Fink

Kammerfrau der
Lady Macbeth
Anna Gabler

Arzt
Daniel Djambazian

Diener
Franz-Martin Preihs

Mörder
Thomas Ulrich Lässig



Weitere
Informationen

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am Rhein

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