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Farblose Dorfgesellschaften
Von Meike Nordmeyer
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Fotos von Eduard Straub Verbotene Liebe, Verrat, rasende Eifersucht mit tödlichem Ausgang vor den neugierigen Blicken einer Dorfgesellschaft - soweit die Gemeinsamkeiten der beiden veristischen Opern Cavalleria Rusticana und I Pagliacci, die durch ihre Aufführungsgeschichte zu nahezu unzertrennlichen Begleitern geworden sind. Doch so auffällig ihre Übereinstimmungen, so vielfältig zeigen sich auch die Unterschiede der beiden Werke. Fast scheint es so zu sein, dass sich, um so stärker die Gemeinsamkeiten in einer Bühnenumsetzung betont werden, die Abweichung nur um so deutlicher zutrage treten wollen.
Diesen Effekt bewusst nutzen könnte eine Inszenierung, die beide Opern in ein und demselben Bühnenbild spielen lässt, wie es Regisseur Christof Loy und Ausstatter Herbert Murauer bei der Düsseldorfer Aufführung ansetzen. Zu sehen ist der untere Teil einer riesigen sandsteinfarbenen Kirchenfassade, der die ganze Bühnenbreite ausfüllt, davor ein schlichter Dorfplatz, auf dem die Bewohner beim sonntäglichen oder abendlichen Müßiggang die Szenen der wütenden Eifersucht beobachten können. Cavalleria rusticana: Die Dorfgesellschaft gemäldegleich aufgereiht zur Osterprozession.
Die Personenführung in der Cavalleria ist sorgsam, handwerklich gekonnt gemacht. Alle Dorfbewohner sind in schwarz gekleidet und werden von genauer Lichtregie in Szene gesetzt. Nur Lola hat ein üppiges, farbiges Kleid an. Das ist eine nicht gerade originelle Art der Heraushebung, die den Auftritt der Figur plakativ werden lässt. Zur Ostermesse lässt die Regie eine mächtige Prozession mit übergroßer, strahlenbekränzter Jesusfigur aus der Kirche auf den Dorfplatz ziehen und sich dort gemäldegleich aufstellen - ein hemmungsloser Pomp, der das Geschehen um Santuzza, das eigentlich vorwärtsdrängt, gnadenlos ausbremst. Härte zeigt Mutter Lucia (Eva Gilhofer) der verzweifelten Santuzza (Jeanne Piland) gegenüber.
Ansonsten sind keine weiteren Besonderheiten zu vermelden, das Spiel läuft berechenbar, ohne besondere Konturierung der Figuren ab. Auch die Sängerdarsteller vermögen da nicht besonders Farbe ins Spiel zu bringen, sie bedienen sich lediglich der gängigen Operngesten. Sich vor allem immer wieder krümmend, bringt Jeanne Piland die Santuzza. Sie entwickelt die Partie durchaus ausdruckstark, wenngleich mitunter gewisse stimmliche Anspannung hörbar wird und die Gestaltungsmöglichkeiten einschränkt. Angelos Simos entspricht im eher gemütlichen Auftritt nur wenig der Vorstellung von einem heißblütigen Turiddu. Er gestaltet seinen Part mit voller warmer Stimme, aber nicht immer genügend dramatisch zugespitzt, mitunter auch rhythmisch ungenau. Oleg Bryjak eilt als Alfio aufgescheucht über die Bühne, miemt dabei den Fiesling, und erweist sich auch stimmlich als der Kraftprotz. Von Härte gezeichnet erscheint die Darstellung der Mutter Lucia durch Eva Gilhofer, die auch gesanglich wenig Wärme vermittelt. Mit frisch tönender, gehaltvoller Darbietung hingegen lässt Marta Marquez als Lola aufhorchen. Das Orchester unter der Leitung von John Fiore schwelgt in breit angelegten Klangteppichen, kostet den Schönklang der Partitur dehnend aus, ohne freilich die markanten Stimmungswechsel profiliert umzusetzen. Diese Cavalleria konnte auch musikalisch nicht begeistern. Klangvolles Paar: Nataliya Kovalova als Nedda und Tassis Christoyannis als Silvio.
Die Dorfszene der Pagliacci kommt ein wenig lockerer, kaum merklich ein wenig moderner daher. Die Dorfgesellschaft ist - die zugemauerte Kirche deutet drauf hin - dem weltlichen wohl mehr zugetan, zumindest dem Geistlichen und dem strengen Dorfleben abgewandt, dabei aber ungleich braver. Der Chor bietet, im grauen Strick dezent gekleidet, die farblos staunende Zuschauerschaft für die im Dorf weilenden Komödianten. Verstärkt um den Kinderchor der Basilika St. Margareta zeigt sich eine kinderreiche Dorfgesellschaft, ohne das diese bühnenwirksame aber aufwändige personelle Ergänzung unbedingt nötig wäre. Eifersucht sticht gnadenlos zu: Canio (John Uhlenhopp) tötet Nedda (Nataliya Kovalova). Im Hintergrund links Beppo (Peter Marsh) und rechts Tonio (Boris Statsenko).
Die Regie bemüht sich um ein Spiel, das - wie im Stück angelegt - die Ebenen von Fiktion und Wirklichkeit verschränken soll. Doch allein mit der effektvollen Verlegung einiger Spielszenen in den Zuschauerraum kann die von Regisseur Loy im Programmheft gewünschte Verschmelzung von Kunst und Leben noch nicht erreicht werden. Die Theatervorstellung der Komödianten auf der Bühne gestaltet sich dann als allzu überdrehte Posse, in der vor allem Nataliya Kovalova als Nedda großen schauspielerischen Einsatz und Können zeigt, erfreuen kann man sich aber an der von der Regie gewollten enervierenden Umsetzung nicht. Stimmlich jedoch bietet die junge Solistin vollauf Entschädigung und entzückt mit brillanten feinen Tönen in der Höhe und anspruchsvoller Gestaltung. Neben dieser herausragenden Sängerleistung lässt auch Tassis Christoyannis die Rolle des Silvio mit schönem Ton und recht geschmeidig erklingen. Beachtlich auch die Darstellung des Tonio durch Boris Statsenko. Etwas holprig, nicht ganz ausgewogen, aber mit Engagement drängend vorgetragen erklingt John Uhlenhopp als Canio. Peter Marsh sprang am Premierenabend als Beppo ein und lieferte ein schönes Ständchen als Harlekin. Die Chorsänger, die schon in der Cavalleria nicht ganz stimmig zusammenklangen, ließen Koordinationsprobleme vor allem auch im Zusammenklang mit dem Orchester hören. Etwas zurückgenommen, dabei wenig ausgewogen und nicht vollauf zupackend erklingt der Orchesterpart im zweiten Teil des Abends. Die Umsetzung der Pagliacci bleibt bei aller Aktion auf der Bühne dennoch fad und die Beziehung der beiden veristischen Opern an diesem Abend in dieser Doppelinszenierung gestaltet sich erstaunlich undifferenziert. Loys verheißungsvoller Satz aus dem Programmheft "Die Verbundenheit von Cavalleria rusticana und I Pagliacci liegt in ihrer Verschiedenheit" bleibt damit unerfüllt.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Chor
Choreografische Mitarbeit
Licht
Kinderchor der
Die Düsseldorfer Solisten
Santuzza
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