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Der fliegende Holländer
Romantische Oper in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner

Aufführungsdauer: ca. 3 h (eine Pause)

Premiere im Theater Bonn
am 29. September 2002


Homepage

Theater Bonn
(Homepage)
"Erlösung" von der Bilderflut ohne Tiefgang

Von Ralf Jochen Ehresmann und Gerhard Menzel / Fotos von Thilo Beu



Der Saisonstart in Bonn unter dem Interimsintendanten Arnold Petersen mit Richard Wagners "Der fliegende Holländer" endete mit einem kapitalen "Schiffbruch". Matthias Schönfeldt, der mit seiner Inszenierung "die Irrfahrt auf den Meeren zu einer metaphorischen Reise ins eigene Innere" zeigen wollte, verstrickte sich in den eigenen krausen Gedanken und in der Bilderflut der Ausstattung von Birgit Angele (Bühne) und Maria Roers (Kostüme).

Ob nun vorher jemand die Geschichte des "fliegenden Holländers" kannte oder nicht, das Geschehen auf der Bühne vermochte jedenfalls niemand so richtig nachzuvollziehen und zu fesseln, auch wenn man nie sicher war, was als nächstes geschehen würde. Dabei gab es einige wenige gute Ansätze, die sich jedoch schnell verselbständigten oder im Nichts entschwanden.


Vergrößerung "Eine Seeahrt, die ist lustig, ... ":
Der Holländer (Frode Olsen) und Daland (Andreas Macco) spielen Schiff fahren auf einem Umzugskarton

Der erste Akt z.B. lenkte augenblicklich den Gedanken auf die "Gelben Seiten". Wer um Himmels willen war nur für diesen desaströsen Umzug in diese Wohnung verantwortlich. Ebenso die dauernde Unruhe durch das Nebeneinander unzusammenhängend ablenkender Einzelvorgänge, von denen keiner erkennbar zur story (welche story überhaupt?) gehörte, dauerndes Auf- und Abtreten von Personen, die bei vernünftiger Raumeinteilung auch allesamt unterzubringen gewesen wären.

Rätselhaft bleiben auch die "Männerspiele" mit dem ferngesteuerten Segelschiff (immerhin mit roten Segeln!) an der Badewanne, in dessen Verlauf Daland die Fernbedienung für das Schiff des Steuermanns in die Toilette geworfen wird. Dieser schlitzt sich daraufhin in der Badewanne bei laufendem Wasser die Pulsadern auf, was im folgenden zweiten Akt zu dringenden Sanierungsmaßnahmen des Altbaus nötigt und die Leiche nicht einmal am Singen im 3.Auzug hindert. Nicht jeder kommt halt mit einem Umzug in eine Altbauwohnung zurecht.


Vergrößerung

"In der Badewanne bin ich Kapitän":
Daland (Andreas Macco), der Holländer (Frode Olsen) und der Steuermann (Mark Rosenthal) mit dem fernsteuerbaren Segelschiff an der Badewanne.

Das Bild des Holländers erscheint im ersten Akt im Spiegel des Badezimmers. Zunächst unmerklich klein, vergrößert es sich ins Unermessliche. Dass sich die ganze Handlung nach der Pause auf dem Gesicht dieses Bildes abspielt, können allerdings nur die Besucher der Ränge sehen (daher wurden die Pressevertreter wohl dieses Mal auch in den Rang geladen).


Vergrößerung Senta (Cynthia Makris) will sich in den siebten Himmel schaukeln, während der Föhnkurs für Perrückenträger weitergeht

Die Schulung zur richtigen Handhabung von Perücken sorgte dank der roten Leuchtföne für erheiternden Szenenapplaus. Wie am Anfang bieten die Umzugskartons auch am Ende beliebte Auf- und Abtrittsmöglichkeiten für den Chor. Fehlte nur noch, dass diese durch die Decke gefallen kämen!

Als sich Senta nach dem Eintreten des Holländers sofort auf ihn stürzt, ihn abknutscht und sich beide unmittelbar darauf auf dem Boden wälzen, wird erstmalig der Hauch einer Aussage spürbar: "Frau verlässt Mann, weil ihr der neue Mann besser gefällt"; dies allein ist aber so ungeheuer flach, dass man sich weigerte, es als Stoff einer Oper noch dazu von Wagner zu akzeptieren. Obendrein bleibt selbst dies ebenso unausgearbeitet wie die Gabe Sentas, das Gras wachsen zu hören, das - dank des Wasserschadens aus dem oberen Stockwerk - blitzartig in die Höhe wächst und Erik gleich als geeigneter Zeltplatz erscheint. Aus der "Sickergrube" buddelt Senta dann auch das zuvor eine Etage höher in der Toilette versenkte Segelschiff des Steuermanns wieder aus.

Keine tragenden Ideen, viel Aktion, viel Aufwand, aber kein geschlossenes Konzept, das eine mögliche Geschichte erzählt. Das Maß der Zumutungen erreicht eine Spitze, wenn im 3.Aufzug ein Teil der Daland-Mannschaft zu (toten?) Weibchen in die Kisten steigt, um wenig später als angebliche aber real in nichts gewandelte Geister daraus hervorzusteigen. Was bildet sich Herr Schönfeldt ein, dass das Publikum sich dabei und wohl sonst ständig denken solle? Und überhaupt: Wozu bedarf es Dalands als Vater, wozu der Chöre insgesamt, wenn nichts bleibt, was eine nachvollziehbare Aussage jenseits schlichtester soap-opera liefern könnte ?

Schon der geschlossene Vorhang nach den Aufzügen bringt jeden Wagnerianer aus der Fassung: Über 100 Jahre nach Cosima in Bayreuth sind heutige Häuser mit einem fliegenden Umbau zwischen den Aufzügen überfordert? Oder gönnt man den ZuschauerInnen einen Cognac, dessen sie wohl bedurften? Und ausgerechnet dieses konturenlose Heckmeck, weder altbacken noch modern, weder Märchen noch Zeitstück-Tragödie mit sozialem Bezug zur Gegenwart, soll dem Bonner Publikum 16 Mal zugemutet werden, wo man gleichzeitig erhebliche Etatkürzungen nicht vermeiden kann? Knapper gewordenes Geld kann bisweilen Gesundschrumpfungen zur Steigerung der Qualität auslösen, wie dies gerade in Bonn nach der Ribert-Ära glücklich gelang; an diesem Abend mussten wir Zeugen einer Geldverschwendung in einem lange nicht erlebten Ausmaß werden.


Vergrößerung

Wasserschaden im Altbau
Die Chöre in Aktion

Auch musikalisch gab es nur bescheidenes Mittelmaß. Frode Olsen als Holländer wirkte - vielleicht auch durch die Personenführung bedingt - angestrengt und ohne besondere Ausstrahlung. Die Senta von Cynthia Makris ließ anfangs schlimmes befürchten, doch zum Glück brachte sie ihr wabriges Vibrato im Verlauf des Stückes einigermaßen unter Kontrolle und setzte dramatische Akzente. Alfons Eberz konnte als Erik zwar die größte Phonzahl für sich verbuchen, aber schön klang das nicht. Positiv und vielversprechend fiel dagegen Andreas Macco als Daland auf. Mark Rosenthal (Steuermann) und Asta Zubaite (Mary) zogen sich in diesem szenischen Wirrwarr achtbar aus der Affäre.

Unter dem Dirigat von Marc Soustrot spielte das - dieses Mal durchaus respektabel musizierende - Orchester der Beethovenhalle Bonn einen sehr gediegenen Wagner. Inspiriert und mitreißend ist jedenfalls etwas anderes. Auch wenn in Bonn die Fassung mit dem "Erlösungsschluss" gespielt wird, lässt die Erlösung des Publikums mit drei Stunden Spieldauer doch viel zu lange auf sich warten.

Einzig die von Sibylle Wagner exzellent einstudierten Chöre der Bundesstadt Bonn wiesen Format auf und erleichterten wenigstens Minutenweise das Warten auf das ersehnte Ende. Erfreulich hier zudem, dass auch im Geisterchor des 3. Aufzuges kein Tonband benötigt wurde, allerdings um welchen Preis?


FAZIT

Musikalisch nicht wirklich begeisternd - abgesehen von den Chören - und szenisch ein völliger Flop. Selten gibt es so eine Übereinstimmung im Zuschauerraum: Beifall für die Musiker bis zum Erscheinen des Inszenierungsteams. Nachdem dieses kurz "abgewatscht" wurde, schloss sich der Vorhang und das Publikum verließ schnell und endlich erlöst den Raum nach dem kürzesten Premierenapplaus aller Bonner Zeiten.

Was aus dem "Holländer" herauszuholen ist, wenn man seine Gedanken bündeln und sie handwerklich souverän in einem gut durchstrukturiertem und klarem Konzept vermitteln kann, demonstrierte eine Woche zuvor Katharina Wagner bei ihrem eindrucksvollen Regiedebüt mit der Inszenierung ihrer Version des fliegenden Holländers in Würzburg.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Marc Soustrot

Inszenierung
Matthias Schönfeldt

Bühne
Birgit Angele

Kostüme
Maria Roers

Licht
Jürgen Zoch

Chor
Sibylle Wagner

Dramaturgie
Tina Rehn



Chor, Extrachor und
Statisterie des Theaters
der Bundesstadt Bonn


Orchester der
Beethovenhalle Bonn


Solisten

* Alternativbesetzung

Holländer
Frode Olsen
/ Gerd Grochowski *

Daland
Andreas Macco

Senta
Cynthia Makris
/ Rachel Gettler *

Erik
Alfons Eberz
/ Timothy Simpson *

Mary
Asta Zubaite
/ Tiina Sahiro *

Steuermann
Mark Rosenthal
/ Emil Raykov *



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Bonn
(Homepage)



Da capo al Fine

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